Zurückhaltung beim Teilen
Die großen Hoffnungen in die Sharing Economy wurden in Luxemburg nicht erfüllt – dabei ist das Potenzial enorm
In Luxemburg ist der Firmenwagen in der Regel mehr als ein Transportmittel, er ist ein Statussymbol. Gleichzeitig ist er für die Unternehmen ein enormer Kostenfaktor, der Umgang damit ist häufig ineffizient. Manchmal zahlen Betriebe einem Mitarbeiter in Vollzeit ein Firmenauto, das er dienstlich nur fünf oder sechs Mal im Monat nutzt. Abgesehen von der Fahrt zur Arbeit und zurück steht das Auto dann in der Tiefgarage und kostet Geld.
Als Sebastien Berthelot 2017 am Konzept für sein künftiges Start-up feilte, wollte er einen sinnvolleren Umgang mit Firmenressourcen erreichen. So bietet sein Unternehmen Moovee heute Komplettlösungen rund um Fahrzeugflotten von Unternehmen an. Firmen können nach Bedarf Autos, E-Scooter oder Fahrräder von dem 2018 gegründeten Start-up mieten. Beispielsweise kann jedes Unternehmen des Co-Working-Standorts „Campus Contern“auf die Fahrzeuge von Moovee vor Ort zurückgreifen. Größere Kunden wie Deloitte, die Luxemburger Börse oder die Universität Luxemburg mieten komplette Fahrzeugpools.
Die Mitarbeiter der Firma können die Autos während der Arbeitszeit für dienstliche Zwecke nutzen, aber auch nach Feierabend oder am Wochenende mieten. Den Preis bestimmt dabei der Arbeitgeber. Für einen monatlichen Fixbetrag kümmert sich das Start-up um das komplette Fahrzeugmanagement – von Wartung und Versicherung bis hin zur Reinigung. Derzeit ist das Unternehmen nur in Luxemburg und Belgien aktiv, 2023 ist aber eine Expansion in den französischen Markt geplant.
Kaum erfolgreiche „Sharing
Economy“-Projekte
Das Beispiel zeigt, wie sowohl ökonomische als auch ökologische Kosten gesenkt werden können, wenn Ressourcen geteilt oder gemeinsam genutzt werden. Der zentrale Grundgedanke der sogenannten Sharing Economy.
Allerdings zählt Moovee – zusammen mit einigen Mobilität-Angeboten wie dem Fahrradverleihsystem „vel'OH!“– zu den wenigen Beispielen für erfolgreiche Initiativen der Sharing Economy in Luxemburg. Dabei redete noch vor zehn Jahren jeder übers Teilen als Kernbestandteil einer neuen Wirtschaft. Die Zeitungen waren voll von Berichten darüber, wie die Sharing Economy unsere Gesellschaft
verändern würde. Die Argumentation klang logisch: Warum Geld ausgeben für Gegenstände wie eine Bohrmaschine oder eine Stehleiter, die man im Jahr vielleicht zehn Minuten benutzt und die ansonsten nur Geld kostet und Stauraum in der Wohnung wegnimmt? Mit den neuen technologischen Möglichkeiten des Internets, so die Überlegung, werde es immer einfacher, die gemeinsame Nutzung kaum genutzter Ressourcen zu verabreden.
Zugang zu Produkten statt deren Besitz
Innerhalb weniger Jahre schossen Dutzende Plattformen aus dem Boden, um diese Form des Teilens zu ermöglichen. Damit sollte nicht nur Geld gespart, sondern auch die Menge an Abfall verringert und Rohstoffe eingespart werden. Ökonomen wie Jeremy Rifkin sprachen von der „Access Economy“, also einer Wirtschaft, in der es wichtiger war, Zugang zu Produkten zu haben, als diese zu besitzen.
Diese Art zu wirtschaften, würde auch die Anreize für Unternehmen verändern, die nun eher hochwertige und langlebige Produkte auf den Markt bringen würden, statt billige Waren, die nach einigen Jahren ersetzt werden müssen, so die Annahme. Das Idealbild war ein neues Miteinander im kollaborativen Konsum.
Von dem anfänglichen Enthusiasmus ist heute wenig übrig geblieben. Tatsächlich fanden die Initiativen kaum Teilnehmer, ein Großteil der Anbieter stellte die Arbeit innerhalb weniger Jahre wieder ein. Die Ausnahmen waren kommerzielle Firmen wie AirBnB oder Uber, die auch zur Sharing Economy gezählt werden. Diese stehen aber zum Teil unter massiver Kritik, weil sie entweder Sozialstandards unterwandern oder zur Wohnungsnot in Großstädten beitragen.
Durchbruch in Luxemburg steht noch aus
Auch in Luxemburg konnte sich die Idee nie auf breiter Front durchsetzen. Zahlreiche Initiativen entstanden, verschwanden aber oft nach kurzer Zeit wieder. „Ich glaube, es überrascht nicht, dass in einem reichen Land wie Luxemburg die Leute Dinge eher besitzen als teilen wollen“, sagt Jeannot Schroeder von der Beratung PositiveImpaKT, einer der Autoren eines Berichts, den das Wirtschaftsministerium kürzlich zum Stand der Sharing Economy in Luxemburg veröffentlicht hat.
Damit die Sharing Economy tatsächlich im Großherzogtum ankommt, müssen zunächst einige Hürden überwunden werden. Für potenzielle Nutzer sei oft der Aufwand zu hoch. „Wenn man ein Loch bohren will, dauert das normalerweise fünf Minuten. Wenn ich aber alleine 30 Minuten brauche, um die Bohrmaschine abzuholen, und dann weitere 30 Minuten, um sie zurückzubringen, dann kaufe ich beim nächsten Mal das Gerät gleich selbst“, sagt Schroeder. Damit solche Initiativen funktionieren, sei daher räumliche Nähe sehr wichtig. Das wiederum ist schwierig in einem Land wie Luxemburg, wo es außerhalb der Hauptstadt nur wenige Ballungsräume gibt.
Für viele Produktgruppen sei überdies eine Herausforderung, preislich wettbewerbsfähig zu sein. Neben dem Transport, zum Nutzer und zurück, müssen Anbieter die Qualitätskontrolle der Produkte organisieren und sie gegebenenfalls versichern.
Um die Initialkosten für Vorhaben in der Sharing Economy zu verringern, schlägt Schroeder daher vor, in Luxemburg zentral eine IT-Plattform zu entwickeln, die Start-ups und Vereine gegen Bezahlung für ihre Konzepte nutzen können. „So muss nicht jedes Projekt seine eigene Plattform neu entwickeln und das notwendige Upfront-Investment ist nicht so hoch“, sagt er. Ebenso könne man zentral spezifische Versicherungsprodukte eigens für solche Portale entwickeln.
Sie habe unterschätzt, wie groß der Personalaufwand ist, um so eine Plattform zu betreiben und mit Leben zu füllen, sagt auch Blanche Weber, Präsidentin des Mouvement Ecologique. Die von der Umweltschutzorganisation ins Leben gerufene Seite Dingdong.lu zum Teilen von Gegenständen wurde inzwischen wieder eingestellt. Vielleicht gebe es zu viele ähnliche Initiativen in Luxemburg, gibt Weber zu bedenken. Denn um den erhofften Netzwerkeffekt erzielen zu können, müssen die Plattformen erst eine gewisse kritische Masse an Nutzern erreicht haben.
Blanche Weber plädiert dafür, bestehende Strukturen zu nutzen, um der Sharing Economy neues Leben einzuhauchen. Sie schlägt vor, Recyclingcenter in „Ressourcencenter“umzuwandeln, die sich nicht mehr nur auf das Wiederverwerten von Materialien, sondern auf das Reparieren und Teilen konzentrieren und entsprechende Angebote betreuen.
Teilen in die Stadtplanung einbauen
Architektur und Stadtplanung können ihren Teil dazu beitragen, den Traum vom Teilen wiederzubeleben. In Bestandsquartieren sei das schwierig, sagt Schroeder, aber in neuen Vierteln könnte die Sharing Economy von Anfang in das Konzept des Projekts eingebunden werden. So ist beim Vorhaben des Société Nationale des Habitations à Bon Marché in Elmen in Zusammenarbeit mit einem Supermarkt ein „Sharing Point“geplant, an dem sperrige Werkzeuge wie Rasenmäher und Haushaltsgegenstände gemietet werden können.
Nutzen die Anwohner solche Angebote, müssen sie in ihren Wohnungen weniger Lagerfläche für Gegenstände vorsehen, die sie selten benutzen. „Wenn ich so drei Quadratmeter weniger bauen muss, sind das bei 10 000 Euro pro Quadratmeter bereits 30 000 Euro im Gesamtvorhaben“, sagt Schroeder.
Welchen enormen Gewinn erfolgreiche Sharing Economy Projekte einer Stadt bringen können, zeigt sich gerade im deutschen Bremen. Die Carsharing-Initiative der Stadt zog 20 000 Nutzer an. Nach Angaben der Initiatoren führte der Einsatz von etwa 400 Car-Sharing-Fahrzeugen dazu, dass etwa ein Drittel der Nutzer des Modells komplett auf ein Auto verzichtete – etwa 6 000 Fahrzeuge weniger auf den Straßen.
Es überrascht nicht, dass in einem reichen Land wie Luxemburg die Leute Dinge eher besitzen als teilen wollen. Jeannot Schroeder, PositiveImpaKT