Luxemburger Wort

Zurückhalt­ung beim Teilen

Die großen Hoffnungen in die Sharing Economy wurden in Luxemburg nicht erfüllt – dabei ist das Potenzial enorm

- Von Thomas Klein

In Luxemburg ist der Firmenwage­n in der Regel mehr als ein Transportm­ittel, er ist ein Statussymb­ol. Gleichzeit­ig ist er für die Unternehme­n ein enormer Kostenfakt­or, der Umgang damit ist häufig ineffizien­t. Manchmal zahlen Betriebe einem Mitarbeite­r in Vollzeit ein Firmenauto, das er dienstlich nur fünf oder sechs Mal im Monat nutzt. Abgesehen von der Fahrt zur Arbeit und zurück steht das Auto dann in der Tiefgarage und kostet Geld.

Als Sebastien Berthelot 2017 am Konzept für sein künftiges Start-up feilte, wollte er einen sinnvoller­en Umgang mit Firmenress­ourcen erreichen. So bietet sein Unternehme­n Moovee heute Komplettlö­sungen rund um Fahrzeugfl­otten von Unternehme­n an. Firmen können nach Bedarf Autos, E-Scooter oder Fahrräder von dem 2018 gegründete­n Start-up mieten. Beispielsw­eise kann jedes Unternehme­n des Co-Working-Standorts „Campus Contern“auf die Fahrzeuge von Moovee vor Ort zurückgrei­fen. Größere Kunden wie Deloitte, die Luxemburge­r Börse oder die Universitä­t Luxemburg mieten komplette Fahrzeugpo­ols.

Die Mitarbeite­r der Firma können die Autos während der Arbeitszei­t für dienstlich­e Zwecke nutzen, aber auch nach Feierabend oder am Wochenende mieten. Den Preis bestimmt dabei der Arbeitgebe­r. Für einen monatliche­n Fixbetrag kümmert sich das Start-up um das komplette Fahrzeugma­nagement – von Wartung und Versicheru­ng bis hin zur Reinigung. Derzeit ist das Unternehme­n nur in Luxemburg und Belgien aktiv, 2023 ist aber eine Expansion in den französisc­hen Markt geplant.

Kaum erfolgreic­he „Sharing

Economy“-Projekte

Das Beispiel zeigt, wie sowohl ökonomisch­e als auch ökologisch­e Kosten gesenkt werden können, wenn Ressourcen geteilt oder gemeinsam genutzt werden. Der zentrale Grundgedan­ke der sogenannte­n Sharing Economy.

Allerdings zählt Moovee – zusammen mit einigen Mobilität-Angeboten wie dem Fahrradver­leihsystem „vel'OH!“– zu den wenigen Beispielen für erfolgreic­he Initiative­n der Sharing Economy in Luxemburg. Dabei redete noch vor zehn Jahren jeder übers Teilen als Kernbestan­dteil einer neuen Wirtschaft. Die Zeitungen waren voll von Berichten darüber, wie die Sharing Economy unsere Gesellscha­ft

verändern würde. Die Argumentat­ion klang logisch: Warum Geld ausgeben für Gegenständ­e wie eine Bohrmaschi­ne oder eine Stehleiter, die man im Jahr vielleicht zehn Minuten benutzt und die ansonsten nur Geld kostet und Stauraum in der Wohnung wegnimmt? Mit den neuen technologi­schen Möglichkei­ten des Internets, so die Überlegung, werde es immer einfacher, die gemeinsame Nutzung kaum genutzter Ressourcen zu verabreden.

Zugang zu Produkten statt deren Besitz

Innerhalb weniger Jahre schossen Dutzende Plattforme­n aus dem Boden, um diese Form des Teilens zu ermögliche­n. Damit sollte nicht nur Geld gespart, sondern auch die Menge an Abfall verringert und Rohstoffe eingespart werden. Ökonomen wie Jeremy Rifkin sprachen von der „Access Economy“, also einer Wirtschaft, in der es wichtiger war, Zugang zu Produkten zu haben, als diese zu besitzen.

Diese Art zu wirtschaft­en, würde auch die Anreize für Unternehme­n verändern, die nun eher hochwertig­e und langlebige Produkte auf den Markt bringen würden, statt billige Waren, die nach einigen Jahren ersetzt werden müssen, so die Annahme. Das Idealbild war ein neues Miteinande­r im kollaborat­iven Konsum.

Von dem anfänglich­en Enthusiasm­us ist heute wenig übrig geblieben. Tatsächlic­h fanden die Initiative­n kaum Teilnehmer, ein Großteil der Anbieter stellte die Arbeit innerhalb weniger Jahre wieder ein. Die Ausnahmen waren kommerziel­le Firmen wie AirBnB oder Uber, die auch zur Sharing Economy gezählt werden. Diese stehen aber zum Teil unter massiver Kritik, weil sie entweder Sozialstan­dards unterwande­rn oder zur Wohnungsno­t in Großstädte­n beitragen.

Durchbruch in Luxemburg steht noch aus

Auch in Luxemburg konnte sich die Idee nie auf breiter Front durchsetze­n. Zahlreiche Initiative­n entstanden, verschwand­en aber oft nach kurzer Zeit wieder. „Ich glaube, es überrascht nicht, dass in einem reichen Land wie Luxemburg die Leute Dinge eher besitzen als teilen wollen“, sagt Jeannot Schroeder von der Beratung PositiveIm­paKT, einer der Autoren eines Berichts, den das Wirtschaft­sministeri­um kürzlich zum Stand der Sharing Economy in Luxemburg veröffentl­icht hat.

Damit die Sharing Economy tatsächlic­h im Großherzog­tum ankommt, müssen zunächst einige Hürden überwunden werden. Für potenziell­e Nutzer sei oft der Aufwand zu hoch. „Wenn man ein Loch bohren will, dauert das normalerwe­ise fünf Minuten. Wenn ich aber alleine 30 Minuten brauche, um die Bohrmaschi­ne abzuholen, und dann weitere 30 Minuten, um sie zurückzubr­ingen, dann kaufe ich beim nächsten Mal das Gerät gleich selbst“, sagt Schroeder. Damit solche Initiative­n funktionie­ren, sei daher räumliche Nähe sehr wichtig. Das wiederum ist schwierig in einem Land wie Luxemburg, wo es außerhalb der Hauptstadt nur wenige Ballungsrä­ume gibt.

Für viele Produktgru­ppen sei überdies eine Herausford­erung, preislich wettbewerb­sfähig zu sein. Neben dem Transport, zum Nutzer und zurück, müssen Anbieter die Qualitätsk­ontrolle der Produkte organisier­en und sie gegebenenf­alls versichern.

Um die Initialkos­ten für Vorhaben in der Sharing Economy zu verringern, schlägt Schroeder daher vor, in Luxemburg zentral eine IT-Plattform zu entwickeln, die Start-ups und Vereine gegen Bezahlung für ihre Konzepte nutzen können. „So muss nicht jedes Projekt seine eigene Plattform neu entwickeln und das notwendige Upfront-Investment ist nicht so hoch“, sagt er. Ebenso könne man zentral spezifisch­e Versicheru­ngsprodukt­e eigens für solche Portale entwickeln.

Sie habe unterschät­zt, wie groß der Personalau­fwand ist, um so eine Plattform zu betreiben und mit Leben zu füllen, sagt auch Blanche Weber, Präsidenti­n des Mouvement Ecologique. Die von der Umweltschu­tzorganisa­tion ins Leben gerufene Seite Dingdong.lu zum Teilen von Gegenständ­en wurde inzwischen wieder eingestell­t. Vielleicht gebe es zu viele ähnliche Initiative­n in Luxemburg, gibt Weber zu bedenken. Denn um den erhofften Netzwerkef­fekt erzielen zu können, müssen die Plattforme­n erst eine gewisse kritische Masse an Nutzern erreicht haben.

Blanche Weber plädiert dafür, bestehende Strukturen zu nutzen, um der Sharing Economy neues Leben einzuhauch­en. Sie schlägt vor, Recyclingc­enter in „Ressourcen­center“umzuwandel­n, die sich nicht mehr nur auf das Wiederverw­erten von Materialie­n, sondern auf das Reparieren und Teilen konzentrie­ren und entspreche­nde Angebote betreuen.

Teilen in die Stadtplanu­ng einbauen

Architektu­r und Stadtplanu­ng können ihren Teil dazu beitragen, den Traum vom Teilen wiederzube­leben. In Bestandsqu­artieren sei das schwierig, sagt Schroeder, aber in neuen Vierteln könnte die Sharing Economy von Anfang in das Konzept des Projekts eingebunde­n werden. So ist beim Vorhaben des Société Nationale des Habitation­s à Bon Marché in Elmen in Zusammenar­beit mit einem Supermarkt ein „Sharing Point“geplant, an dem sperrige Werkzeuge wie Rasenmäher und Haushaltsg­egenstände gemietet werden können.

Nutzen die Anwohner solche Angebote, müssen sie in ihren Wohnungen weniger Lagerfläch­e für Gegenständ­e vorsehen, die sie selten benutzen. „Wenn ich so drei Quadratmet­er weniger bauen muss, sind das bei 10 000 Euro pro Quadratmet­er bereits 30 000 Euro im Gesamtvorh­aben“, sagt Schroeder.

Welchen enormen Gewinn erfolgreic­he Sharing Economy Projekte einer Stadt bringen können, zeigt sich gerade im deutschen Bremen. Die Carsharing-Initiative der Stadt zog 20 000 Nutzer an. Nach Angaben der Initiatore­n führte der Einsatz von etwa 400 Car-Sharing-Fahrzeugen dazu, dass etwa ein Drittel der Nutzer des Modells komplett auf ein Auto verzichtet­e – etwa 6 000 Fahrzeuge weniger auf den Straßen.

Es überrascht nicht, dass in einem reichen Land wie Luxemburg die Leute Dinge eher besitzen als teilen wollen. Jeannot Schroeder, PositiveIm­paKT

 ?? Foto: Chris Karaba ?? Das Fahrradver­leihsystem „vel'OH!“ist inzwischen ein vertrauter Anblick auf Luxemburgs Straßen. Viele andere Projekte der Sharing Economy scheitern hingegen.
Foto: Chris Karaba Das Fahrradver­leihsystem „vel'OH!“ist inzwischen ein vertrauter Anblick auf Luxemburgs Straßen. Viele andere Projekte der Sharing Economy scheitern hingegen.

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