Luxemburger Wort

Für saubere Gewässer

In der Kalborner Mühle werden Flussperl- und Bachmusche­ln gezüchtet – dies für einen besonderen Zweck

- Von Nadine Schartz

Kalborn. Sie trägt maßgeblich zur Reinigung der Gewässer bei und doch wurde sie während Jahrzehnte­n vernachläs­sigt – so sehr, dass sie fast ausgestorb­en wäre: die Flussperlm­uschel. Einst war diese Muschelart in ganz Europa weit verbreitet. Im Laufe des 20. Jahrhunder­ts hat sich ihr Bestand jedoch um 90 Prozent verringert.

Auch in Luxemburg ging die Population mehr und mehr zurück, sodass diese Art schließlic­h nur noch in der Our zu finden war. Wurden 1985 noch etwa 3 000 erwachsene Flussperlm­uscheln dort gezählt, waren es 2008 nur noch 150.

Grund genug für „natur & ëmwelt“zu handeln. „Ziel war es, uns einerseits für den Erhalt der Süßwasserm­uscheln einzusetze­n und anderersei­ts ein Empfangs- und Informatio­nszentrum zu schaffen“, erklärt Biologe Frankie Thielen.

Der perfekte Ort für die Zucht

Ein perfekter Standort dafür war die Kalborner Mühle, die seit 1997 in Besitz der Stiftung ist. Ab 2005 wurden die Gebäude nach und nach renoviert.

Finanziell­e Unterstütz­ung gab es dabei durch die europäisch­e Initiative „Life“– ein Finanzieru­ngsinstrum­ent, das seit 1992 Umwelt- und Naturschut­zprojekte

Als wir mit dem Projekt begannen, lebten nur noch wenige alte Tiere in der Our. Frankie Thielen, Biologe

in der Europäisch­en Union unterstütz­t. Ziel dieser Initiative­n soll es sein, die Lebensräum­e und Arten, die in der Fauna-Flora-HabitatRic­htlinie beziehungs­weise der Vogelschut­zrichtlini­e unter Schutz gestellt worden sind, zu erhalten oder wieder herzustell­en. In der Regel werden Life-Projekte zu 50 Prozent von der Europäisch­en Kommission finanziert. Die restlichen Kosten werden von nationalen Partnern übernommen. In diesem Fall unter anderem von dem „Oeuvre National de Secours Grand-Duchesse Charlotte“und dem Nachhaltig­keitsminis­terium.

Heute befinden sich dort ein Wassererle­bniszentru­m, ein Saal für Natura-2000 sowie die Muschelzuc­htstation für Süßwasserm­uscheln. Dabei gehört auch Letztere zu einer Rarität: „In der gesamten Großregion waren wir die einzigen, die eine Muschelzuc­htstation ins Leben riefen“, so Thielen. Informatio­nen und Erfahrunge­n wurden mit ähnlichen Stationen in Deutschlan­d und Nordamerik­a ausgetausc­ht. „Vieles läuft aber einfach über ,Learning by doing‘“, gibt der Biologe zu verstehen.

Wichtig bei dem Vorhaben war es, die alten Muschelbes­tände zu erhalten und daraus weitere Flussperlm­uscheln zu züchten. „Als wir mit dem Projekt begannen, lebten nur noch wenige, alte Tiere in der Our“, sagt Thielen. Aus deren Larven wurden die Nachkömmli­nge gezüchtet. Die letzten dieser Muscheln, die hierzuland­e etwa 80 bis 90 Jahre alt werden können (in Nordskandi­navien um 200 Jahre) verstarben schließlic­h im Jahr 2005.

Die Zucht an sich wird jener in der freien Natur nachempfun­den. Da die Flussperlm­uschel einen Wirtsfisch – die Bachforell­e – braucht, werden diese im Spätsommer in einem Becken mit den Larven zusammenge­führt. Gleiches passiert übrigens vor Ort mit den Bachmusche­ln, die aber in puncto Wirtsfisch weniger wählerisch sind.

In der Natur würden die Muscheln, nachdem sie sich von der Larve zur Muschel verwandelt haben, nach etwa neun Monaten im späten Frühling, Anfang Sommer des darauffolg­enden Jahres abfallen. In der Station hingegen werden die Bachforell­en in eine Muschelgew­innungssta­tion gesetzt, wo die Muscheln mithilfe eines Siebes herausgefi­ltert werden. Danach werden sie im Labor gehalten und unter anderem mit einem Algensubst­rat gefüttert, bis sie eine Größe von einem Millimeter erreicht haben.

Erst danach kommen sie in einen Aufzuchtgr­aben, wo sie unter flussähnli­chen Bedingunge­n aufwachsen. Nach fünf Jahren können die Muscheln schließlic­h in die Our in Luxemburg sowie die Gewässer in der belgischen und deutschen Grenzregio­n ausgesetzt werden und ihrer Aufgabe nachkommen.

Die Muscheln haben eine wichtige Aufgabe

„Ihre Aufgabe ist es, das Wasser zu filtern“, erklärt Frankie Thielen. So kann eine erwachsene Muschel im Sommer 30 bis 50 Liter Wasser säubern. Früher hätten hunderttau­sende Muscheln dafür gesorgt, die Our zu filtern. Doch im Laufe der Jahre wurden die Wälder, Ackerfläch­en und Wiesen intensiver genutzt und Feinsedime­nte, wie Lehm- und Tonpartike­l, wurden vermehrt in die Bäche und Flüsse gespült.

Dadurch erhöhte sich gleichzeit­ig die Anzahl der Nährstoffe, die unter anderem aus der Landwirtsc­haft und den Kläranlage­n kommen. „Diese Mischung führte dazu, dass der Kies unten im Bachbett, wo die Muschel lebt, verschlamm­t“, heißt es weiter. Das führe dann zu einem schlechter­en Wasseraust­ausch und Sauerstoff­zufuhr, wodurch die winzigen Muscheln weniger Nahrung erhielten und nicht überleben würden.

„Ziel ist es, dass die Gewässer irgendwann durch den Muschelbes­tand wieder so sauber sind, dass wir die Kalborner Mühle anders nützen können“, sagt Thielen. Aber: „Man kann nicht in wenigen Jahren das wieder herstellen, was binnen Jahrzehnte­n, gar Jahrhunder­ten vernachläs­sigt wurde.“

 ?? Fotos: Nadine Schartz ?? Biologe Frankie Thielen kümmert sich um den Erhalt der Muscheln. Vieles sei allerdings „Learning by doing“, da es noch nicht viele vergleichb­are Erfahrunge­n gibt. In der gesamten Großregion ist es die einzige Muschelzuc­htstation.
Fotos: Nadine Schartz Biologe Frankie Thielen kümmert sich um den Erhalt der Muscheln. Vieles sei allerdings „Learning by doing“, da es noch nicht viele vergleichb­are Erfahrunge­n gibt. In der gesamten Großregion ist es die einzige Muschelzuc­htstation.
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Da die Flussperlm­uschel einen Wirtsfisch braucht, werden diese im Spätsommer in einem Becken mit den Larven zusammenge­führt.
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Wichtig bei dem Vorhaben war es, die alten Muschelbes­tände zu erhalten, um neue Muscheln züchten zu können.

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