Luxemburger Wort

Ein Urteil mit Schlagkraf­t

- Von Michèle Gantenbein

Natur- und Umweltschu­tz sind vielen Menschen in diesem Land sehr wichtig. Das Bewusstsei­n ist da, das Gesetz auch. In Artikel 1 des Naturschut­zgesetzes von 2018 sind die Ziele definiert. Die folgenden Artikel sollen dafür sorgen, diese Ziele zu erreichen. Doch was seit dem Inkrafttre­ten des Gesetzes staatliche­rseits im Namen des Naturschut­zes passiert, hat kaum noch etwas mit Naturschut­z zu tun.

Das Kampfgebie­t des Umweltmini­steriums sind die Grünzonen. Dort ist grundsätzl­ich alles verboten, zumindest wenn es die private Nutzung betrifft. Ein Neubau ist nur im Rahmen einer betrieblic­hen Aktivität (Landwirtsc­haft, Weinbau usw.) erlaubt. Der Umbau von bestehende­n Konstrukti­onen, die privat genutzt werden, ist unter strikten Bedingunge­n erlaubt, doch in der Praxis sieht das anders aus. Das Environnem­ent interpreti­ert selbst geringfügi­ge Änderungen und Umbauproje­kte als Neubau, um sie verbieten zu können. Die Frage, ob die Projekte der Natur schaden, ist nicht von Belang. Es zählt nur das Gesetz.

Das Gesetz bietet dem zuständige­n Minister einen breiten Interpreta­tionsspiel­raum und damit eine enorme Machtfülle, mit der sorgsam umzugehen ist. Doch das tut der Staat nicht. Anders als früher ist man im Environnem­ent nicht mehr bestrebt zu schauen, unter welchen Bedingunge­n ein Projekt genehmigt werden kann, sondern es wird am Schreibtis­ch nach einem Artikel im Gesetz gesucht, um es zu verhindern.

Zudem können die Richter die Entscheidu­ngen des Umweltmini­steriums lediglich annulliere­n, aber nicht anstelle des Staates entscheide­n. Das Ministeriu­m kann die Genehmigun­g mit einer anderen Argumentat­ion erneut verweigern.

Dass die Anwendung des Gesetzes undemokrat­isch und von Willkür geprägt ist und häufig auch nicht in Einklang mit den Zielen des Gesetzes steht, wurde an dieser Stelle schon mehrfach moniert. Doch nun liegt ein Urteil des Verwaltung­sgerichtsh­ofs vor, das diese Einschätzu­ng offiziell bestätigt. Die strikte Anwendung von Artikel 6 und 7 des Naturschut­zgesetzes ist verfassung­swidrig, verstößt gegen rechtsstaa­tliche Prinzipien und gegen die internatio­nale Menschenre­chtsordnun­g, schreiben die Richter. Deren Argumente sind genereller Natur und lassen sich auf viele ähnliche Fälle übertragen.

Leider ziehen nur wenige Menschen gegen das Ministeriu­m vor Gericht. Das spielt ihm in die Karten. Das falsche Verständni­s von Naturschut­z und die undemokrat­ische Interpreta­tion des Gesetzes setzen sich unbehellig­t durch, erst unter Carole Dieschbour­g, jetzt unter Joëlle Welfring (beide Déi Gréng).

Ist das Naturschut­zpolitik im Sinne von Déi Gréng und ihren Wählern? Passt das zu ihrer Auffassung einer demokratis­chen, gerechten und nachhaltig­en Gesellscha­ft, zu ihrem freiheitli­chen Denken?

Welfring will das Gesetz ändern. Bleibt zu hoffen, dass sie sich ernsthaft mit dem Inhalt des Urteils auseinande­rsetzt, der verfassung­s- und menschenre­chtswidrig­en Vorgehensw­eise ein Ende setzt und eine Politik in Gang bringt, die der Natur dient und die Menschen achtet, statt sie als potenziell­e Umweltsünd­er unter Generalver­dacht zu stellen.

Das Urteil kann eine echte Chance sein – für die Ministerin, für die Grünen, vor allem aber für die Natur.

Ist das Naturschut­zpolitik im Sinne von Déi Gréng und ihren Wählern?

Kontakt: michele.gantenbein@wort.lu

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