Das Ende der Sorglosigkeit
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron muss im Herbst mit Widerstand gegen seine Reformpolitik rechnen
Braun gebrannt saß Emmanuel Macron vergangene Woche zum ersten Mal nach der Sommerpause wieder am Kabinettstisch. Doch was der französische Präsident sagte, hatte nicht mehr viel mit der Leichtigkeit seines Urlaubs am Mittelmeer zu tun. „Wir erleben das Ende des Überflusses“, begann der 44-Jährige seine live in den Nachrichtensendern übertragene Ansprache. Zehn Minuten lang bereitete der Staatschef seine Landsleute auf schwierige Monate vor, auf das „Ende der Sorglosigkeit“.
Und das nicht nur, weil Strom und Gas knapp werden und die Preise durch die Decke gehen. Sondern auch, weil der Staat nicht mehr jede Härte abfedern wird, wie er es noch zum Höhepunkt der Corona-Pandemie getan hatte. Die Deckelung der Strompreise soll beispielsweise zum Jahresende in ihrer jetzigen Form auslaufen.
Hohe Staatsverschuldung
Finanzminister Bruno Le Maire kündigte bereits an, dass er die öffentlichen Finanzen wieder stärker in den Griff bekommen will. Auf den Haushalt, den er im Oktober der Nationalversammlung vorlegt, wird vor allem Deutschland ganz genau schauen. Geht es doch darum, das Haushaltsdefizit, das bei gut fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt, zu reduzieren. Dass mehr getan werden muss, um das Loch zu stopfen, mahnte im Juli auch der Hohe Rat für öffentliche Finanzen an, ein Organ des Rechnungshofes.
„Der Weg zur Verringerung des Defizits ist wenig ehrgeizig im Hinblick auf die europäischen Verpflichtungen Frankreichs“, lautete die Kritik. Frankreich dürfte erst 2027 sein Haushaltsdefizit unter die von der EU vorgeschriebenen drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes bringen. Die Staatsverschuldung, ohnehin eine der höchsten in der EU, soll mit 112 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2027 unverändert hoch bleiben.
Auch ohne große Spar-Ambitionen dürfte es für die Regierung schwer werden, den Haushalt durchs Parlament zu bringen. Der Präsident hat seit den Parlamentswahlen im Juni nämlich nur noch eine relative Mehrheit in der Nationalversammlung.
Die konservativen Républicains, die bereits mehrfach mit der Regierung stimmten, wollen dem Budget ihre Stimme verweigern. Regierungschefin Élisabeth Borne schloss deshalb nicht aus, den Verfassungsartikel 49.3 anzuwenden, der die Verabschiedung des Haushalts am Parlament vorbei erlaubt.
Solche Kniffe stoßen bei der Opposition auf Protest, die der Regierung einen schwierigen Herbst bereiten dürfte. „Was sie nicht an der Urne verstanden hat, muss man ihr auf der Straße klar machen“, sagte der Sprecher der Kommunisten, Ian Brossat, kämpferisch. Für Ende September kündigten zwei Gewerkschaften bereits einen Streik gegen die Rentenreform an, die der Präsident bis Sommer 2023 verabschieden will. 2019 scheiterte das Projekt, das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre zu erhöhen, am Widerstand der Straße.
Auch die Arbeitslosenversicherung will Macron in den nächsten Wochen erneut reformieren. Schon in seiner ersten Amtszeit hatte er die Leistungen für Arbeitslose reduziert, nun sollen sie an die Konjunktur geknüpft werden. Sowohl die Linkspartei La France Insoumise (LFI) als auch der rechtspopulistische Rassemblement National kündigten ihren Widerstand gegen das Projekt an.
Gelbwesten in den Startlöchern
68 Prozent der Französinnen und Franzosen rechnen mit massiven Streiks und Protestbewegungen im Herbst. Auch die Gelbwesten, die 2018 gegen eine Steuer auf Benzin protestiert hatten, könnten wieder aktiv werden. Die Kaufkraft, die damals schon der Grund der gewaltsamen Demonstrationen war, ist heute die Sorge Nummer eins der Französinnen und Franzosen. Und Macron haftet immer noch der Ruf an, ein „Präsident der Reichen“zu sein.
In diese Kerbe haute vergangene Woche auch der Chef des Linksbündnisses Nupes, Jean-Luc Mélenchon. „Er merkt nicht, dass für seine Freunde, die Reichen, der Überfluss weiter geht“, reagierte der lautstärkste Gegenspieler des Präsidenten auf dessen Ansprache vor dem Kabinett. Mélenchon hofft auf eine breite Allianz der Linksparteien und Gewerkschaften gegen Macron. Eine Art dritte Runde der Präsidentschaftswahlen, die er gegen den Staatschef auf der Straße gewinnen will.
Was die Regierung nicht an der Urne verstanden hat, muss man ihr auf der Straße klar machen. Ian Brossat, Sprecher der Kommunisten