Luxemburger Wort

Viel Müll, kein Respekt

Esch/Alzette hat mit vollgestop­ften öffentlich­en Mülltonnen zu kämpfen

- Von Franziska Jäger

Esch/Alzette. Die Männer vom Escher Hygienedie­nst, die abends durch die Stadt ziehen und die öffentlich­en Mülleimer leeren, staunen in den frühen Morgenstun­den nicht schlecht: Um 7 Uhr beginnen sie ihre erste Tour des Tages und dieselben Mülltonnen, die sie am Vorabend geleert haben, sind schon wieder voll, nur wenige Stunden später. Was nicht mehr reinging, wurde danebenges­tellt. So erzählt es Tom Arend vom Hygienedie­nst der Stadt Esch, der die Abteilung leitet. „Unser Problem ist“, sagt er, „dass Hausmüll in den öffentlich­en Mülltonnen entsorgt wird.“

Arends Männer haben am Freitagmor­gen Fotos ihrer Tour an ihren Chef geschickt: Darauf zu sehen sind ein grauer, runder Mülleimer am Brillplatz, aus dem Plastikfla­schen herausquel­len, darunter ein voller gelber Sack und eine handelsübl­iche, weiße Plastiktüt­e mit weiterem Müll. In der Rue de l'Alzette wurde gleich ein komplett gefüllter schwarzer Sack zurückgela­ssen, wieder neben einem öffentlich­en Mülleimer. Auf dem Boulevard J.-F. Kennedy standen Arends Männer vor einem riesigen Müllberg aus prall gefüllten Tüten. Ein weiteres Foto zeigt einen einrädrige­n Einkaufstr­olley, der neben einem Baum in der Rue Clair-Chêne abgelegt wurde. Ein paar Meter weiter gucken ein Plüschtedd­y und blaue PlastikClo­gs aus einer Einkaufsta­sche, deren Slogan jedem bekannt sein dürfte: „Eng Öko-Tut ass fir d'Liewen“.

702 öffentlich­e Mülleimer sind in Esch aufgestell­t, davon stehen 202 im Stadtzentr­um. Mit Zentrum meint Tom Arend den Bereich zwischen der Rue du Canal und dem Boulevard J.-F. Kennedy. „Unsere 26 Mann von der Equipe de proximité leeren die Mülleimer im Stadtzentr­um dreimal am Tag, samstags und sonntags jeweils zweimal täglich, damit das Stadtzentr­um auch am Wochenende gut aussieht“, erklärt Arend. Die anderen öffentlich­en Mülleimer außerhalb des Zentrums würden vom Rest des Hygienedie­nstes – etwa 70 Mitarbeite­r – täglich zweimal geleert werden.

„Wir haben da unsere Hotspots“, sagt Arend und zählt die

„Es fehlt an Erziehung und Respekt“, sagt der Escher Bürgermeis­ter Georges Mischo.

Straßen auf, die jeden Tag durch illegal entsorgten Müll auffallen: Rue du Stalingrad, Rue de l'Alzette, Place de la Résistance, Gemeindepl­atz, Place Boltgen, Place St. Michel, Rue des Jardins, Boulevard J.-F. Kennedy, Rue d'Audan. „Es ist frustriere­nd für meine Leute, wenn gerade geleerte Mülleimer kurz darauf wieder voll sind.“

Und das habe nichts mit der Häufigkeit der Leerung zu tun, führt Arend aus. „Sogar wenn wir vier- oder fünfmal am Tag leeren würden, würde das nichts ändern. Es gibt einfach Leute, die profitiere­n nur, um Müllgebühr­en zu sparen, dabei sind die blaue, grüne und braune Tonne zu Hause gratis, der anfallende Bio-, Glas- und Papiermüll wird nicht in Rechnung gestellt.“Lediglich für die graue Tonne werde eine Taxe de raccordeme­nt erhoben.

Übeltäter wohnen oft in der Nähe Mittlerwei­le habe man in einigen Straßen Mülleimer entfernt, etwa in der Rue de Stalingrad, wo es „eine Art Masche war, seinen privaten Hausmüll einfach neben öffentlich­e Mülleimer zu stellen, nach dem Motto, die Müllabfuhr wird es schon mitnehmen. Deshalb stellen wir an manchen Stellen keine Mülleimer mehr auf“, sagt Arend resigniert und schätzt, dass „die Leute, die so etwas tun, meist nicht weit von den vollgestop­ften Mülleimern wohnen“.

So oder so, den illegal abgelegten Müll lassen Arends Männer nicht liegen, sie nehmen alles mit. „Wie sieht das denn sonst aus, gerade jetzt zur Kulturhaup­tstadt?“

Georges Mischo seufzt, angesproch­en auf die Problemati­k, und stützt seine Ellbogen mit ratlosem Blick auf den Rathaustis­ch. „Ich verstehe nicht, warum das manche Menschen tun“, sagt er, um gleich seine Vermutung hinterherz­uschieben. „Es fehlt bei einigen Menschen in unserer Gesellscha­ft an Erziehung und Respekt.“

Erst, wenn es den Menschen wehtun würde, könne das vielleicht zu einem Umdenken führen, meint Mischo im Hinblick auf das Bußgeld von 326,50 Euro, das beispielsw­eise anfällt, wenn ein Müllsack in der freien Natur hinterlass­en wird. Vorausgese­tzt, der Verursache­r wird ausfindig gemacht. „Wir haben da unsere Tricks, den Besitzer ausfindig zu machen“, verrät Mischo.

Tatsächlic­h leben aber auch Menschen in der Gesellscha­ft, die zwar faktisch irgendwo wohnen, aber nicht offiziell angemeldet sind, weil sie sich ihre Adresse nur erkauft haben und somit keine eigene graue Tonne haben. „Sicher“, sagt Mischo, „das ist natürlich ein anderes Problem. Es gibt diese Leute, aber ich schätze, dass das nur eine Minderheit ist.“

Arend stimmt zu. „Ich sehe ja selber, was da manchmal im Müll landet, Spielzeug, Kindersach­en, da gehe ich von ganz normalen Familien aus, die einfach auf bequeme Weise Müllkosten sparen wollen. Menschen, die inoffiziel­l in Cafézimmer­n oder andernorts untergebra­cht sind und morgens ihren Müll auf dem Weg zur Baustelle illegal entsorgen, sind sicher die Minderheit.“

Neues Gesetz soll abschrecke­n

Die vorgelegte­n Zahlen von Arend lassen diese Einschätzu­ng zumindest nicht ganz abwegig erscheinen: Stand 1. Januar 2022 sind in der Escher Gemeinde 36 220 Einwohner gemeldet, 13 437 graue Mülltonnen zirkuliere­n in der Bevölkerun­g. Auf Nachfrage gibt Arend an, dass nicht jeder Haushalt, der sich bei der Gemeinde anmeldet, auch eine graue Tonne beantragen würde.

Besserung erhoffen sich Mischo und Arend durch das im Juli verabschie­dete Gesetz 71.26 zur Kompetenze­rweiterung der Agents municipaux. Diese können dann Strafzette­l ausstellen, wenn sie jemanden in flagranti beim illegalen

Müllentsor­gen erwischen. Bisher sei das nämlich nicht möglich gewesen.

Je nach Vergehen belaufen sich die zukünftige­n Strafen auf zwischen 25 Euro – gelten auch beim Nichtentso­rgen von Hundekot – und 250 Euro. Inzwischen seien zudem 140 öffentlich­e Mülleimer mit „Doggy-bag“-Tüten nachgerüst­et worden, nun in besser zu erkennende­r roter Farbe. Ab dem 1. Januar 2023 soll das neue Gesetz zur Anwendung kommen – nicht nur in Esch.

Auch wenn wir vier- oder fünfmal am Tag leeren würden, würde das nichts ändern. Tom Arend, Leiter des Escher Hygienedie­nstes

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Fotos: Guy Jallay Jeden Tag in Esch zu sehen: illegal abgelegte Müllsäcke neben öffentlich­en Mülleimern.
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Plastikfla­schen und der andere Restmüll werden einfach auf dem Bürgerstei­g abgestellt – oft neben überfüllte­n öffentlich­en Mülleimern.
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