Viel Müll, kein Respekt
Esch/Alzette hat mit vollgestopften öffentlichen Mülltonnen zu kämpfen
Esch/Alzette. Die Männer vom Escher Hygienedienst, die abends durch die Stadt ziehen und die öffentlichen Mülleimer leeren, staunen in den frühen Morgenstunden nicht schlecht: Um 7 Uhr beginnen sie ihre erste Tour des Tages und dieselben Mülltonnen, die sie am Vorabend geleert haben, sind schon wieder voll, nur wenige Stunden später. Was nicht mehr reinging, wurde danebengestellt. So erzählt es Tom Arend vom Hygienedienst der Stadt Esch, der die Abteilung leitet. „Unser Problem ist“, sagt er, „dass Hausmüll in den öffentlichen Mülltonnen entsorgt wird.“
Arends Männer haben am Freitagmorgen Fotos ihrer Tour an ihren Chef geschickt: Darauf zu sehen sind ein grauer, runder Mülleimer am Brillplatz, aus dem Plastikflaschen herausquellen, darunter ein voller gelber Sack und eine handelsübliche, weiße Plastiktüte mit weiterem Müll. In der Rue de l'Alzette wurde gleich ein komplett gefüllter schwarzer Sack zurückgelassen, wieder neben einem öffentlichen Mülleimer. Auf dem Boulevard J.-F. Kennedy standen Arends Männer vor einem riesigen Müllberg aus prall gefüllten Tüten. Ein weiteres Foto zeigt einen einrädrigen Einkaufstrolley, der neben einem Baum in der Rue Clair-Chêne abgelegt wurde. Ein paar Meter weiter gucken ein Plüschteddy und blaue PlastikClogs aus einer Einkaufstasche, deren Slogan jedem bekannt sein dürfte: „Eng Öko-Tut ass fir d'Liewen“.
702 öffentliche Mülleimer sind in Esch aufgestellt, davon stehen 202 im Stadtzentrum. Mit Zentrum meint Tom Arend den Bereich zwischen der Rue du Canal und dem Boulevard J.-F. Kennedy. „Unsere 26 Mann von der Equipe de proximité leeren die Mülleimer im Stadtzentrum dreimal am Tag, samstags und sonntags jeweils zweimal täglich, damit das Stadtzentrum auch am Wochenende gut aussieht“, erklärt Arend. Die anderen öffentlichen Mülleimer außerhalb des Zentrums würden vom Rest des Hygienedienstes – etwa 70 Mitarbeiter – täglich zweimal geleert werden.
„Wir haben da unsere Hotspots“, sagt Arend und zählt die
„Es fehlt an Erziehung und Respekt“, sagt der Escher Bürgermeister Georges Mischo.
Straßen auf, die jeden Tag durch illegal entsorgten Müll auffallen: Rue du Stalingrad, Rue de l'Alzette, Place de la Résistance, Gemeindeplatz, Place Boltgen, Place St. Michel, Rue des Jardins, Boulevard J.-F. Kennedy, Rue d'Audan. „Es ist frustrierend für meine Leute, wenn gerade geleerte Mülleimer kurz darauf wieder voll sind.“
Und das habe nichts mit der Häufigkeit der Leerung zu tun, führt Arend aus. „Sogar wenn wir vier- oder fünfmal am Tag leeren würden, würde das nichts ändern. Es gibt einfach Leute, die profitieren nur, um Müllgebühren zu sparen, dabei sind die blaue, grüne und braune Tonne zu Hause gratis, der anfallende Bio-, Glas- und Papiermüll wird nicht in Rechnung gestellt.“Lediglich für die graue Tonne werde eine Taxe de raccordement erhoben.
Übeltäter wohnen oft in der Nähe Mittlerweile habe man in einigen Straßen Mülleimer entfernt, etwa in der Rue de Stalingrad, wo es „eine Art Masche war, seinen privaten Hausmüll einfach neben öffentliche Mülleimer zu stellen, nach dem Motto, die Müllabfuhr wird es schon mitnehmen. Deshalb stellen wir an manchen Stellen keine Mülleimer mehr auf“, sagt Arend resigniert und schätzt, dass „die Leute, die so etwas tun, meist nicht weit von den vollgestopften Mülleimern wohnen“.
So oder so, den illegal abgelegten Müll lassen Arends Männer nicht liegen, sie nehmen alles mit. „Wie sieht das denn sonst aus, gerade jetzt zur Kulturhauptstadt?“
Georges Mischo seufzt, angesprochen auf die Problematik, und stützt seine Ellbogen mit ratlosem Blick auf den Rathaustisch. „Ich verstehe nicht, warum das manche Menschen tun“, sagt er, um gleich seine Vermutung hinterherzuschieben. „Es fehlt bei einigen Menschen in unserer Gesellschaft an Erziehung und Respekt.“
Erst, wenn es den Menschen wehtun würde, könne das vielleicht zu einem Umdenken führen, meint Mischo im Hinblick auf das Bußgeld von 326,50 Euro, das beispielsweise anfällt, wenn ein Müllsack in der freien Natur hinterlassen wird. Vorausgesetzt, der Verursacher wird ausfindig gemacht. „Wir haben da unsere Tricks, den Besitzer ausfindig zu machen“, verrät Mischo.
Tatsächlich leben aber auch Menschen in der Gesellschaft, die zwar faktisch irgendwo wohnen, aber nicht offiziell angemeldet sind, weil sie sich ihre Adresse nur erkauft haben und somit keine eigene graue Tonne haben. „Sicher“, sagt Mischo, „das ist natürlich ein anderes Problem. Es gibt diese Leute, aber ich schätze, dass das nur eine Minderheit ist.“
Arend stimmt zu. „Ich sehe ja selber, was da manchmal im Müll landet, Spielzeug, Kindersachen, da gehe ich von ganz normalen Familien aus, die einfach auf bequeme Weise Müllkosten sparen wollen. Menschen, die inoffiziell in Cafézimmern oder andernorts untergebracht sind und morgens ihren Müll auf dem Weg zur Baustelle illegal entsorgen, sind sicher die Minderheit.“
Neues Gesetz soll abschrecken
Die vorgelegten Zahlen von Arend lassen diese Einschätzung zumindest nicht ganz abwegig erscheinen: Stand 1. Januar 2022 sind in der Escher Gemeinde 36 220 Einwohner gemeldet, 13 437 graue Mülltonnen zirkulieren in der Bevölkerung. Auf Nachfrage gibt Arend an, dass nicht jeder Haushalt, der sich bei der Gemeinde anmeldet, auch eine graue Tonne beantragen würde.
Besserung erhoffen sich Mischo und Arend durch das im Juli verabschiedete Gesetz 71.26 zur Kompetenzerweiterung der Agents municipaux. Diese können dann Strafzettel ausstellen, wenn sie jemanden in flagranti beim illegalen
Müllentsorgen erwischen. Bisher sei das nämlich nicht möglich gewesen.
Je nach Vergehen belaufen sich die zukünftigen Strafen auf zwischen 25 Euro – gelten auch beim Nichtentsorgen von Hundekot – und 250 Euro. Inzwischen seien zudem 140 öffentliche Mülleimer mit „Doggy-bag“-Tüten nachgerüstet worden, nun in besser zu erkennender roter Farbe. Ab dem 1. Januar 2023 soll das neue Gesetz zur Anwendung kommen – nicht nur in Esch.
Auch wenn wir vier- oder fünfmal am Tag leeren würden, würde das nichts ändern. Tom Arend, Leiter des Escher Hygienedienstes