Stromversorger in Schieflage
Milliarden-Debakel der Wien Energie ist Super-GAU für Rathaus-SPÖ
Am Sonntagabend noch war es ein scheinbar normales Gipfeltreffen der Regierung in Sachen Energie. Stunden später war es ein Krisentreffen, wie es die Republik noch selten erlebt hat und dessen Anlass sie noch lange beschäftigen wird: Der größte österreichische Stromversorger, die Wien Energie, brauchte für Sicherstellungen an der Strombörse dringend Geld. 1,7 Milliarden Euro.
Am Montag waren es dann sechs, später sieben, dann sogar zehn Milliarden, die der in Schieflage geratene Konzern vom Bund erbetteln wollte. Sonst würden zwei Millionen Strom- und Gaskunden plötzlich ohne Vertrag dastehen, bis hin zum Blackout sei alles möglich.
Und schon flogen die Fetzen. Der Bund, sprich die Regierung aus ÖVP und Grünen, sagte die Sicherung grundsätzlich zu, wollte aber genau wissen, wie der plötzliche Finanzbedarf zustande kam. Und wieso hatte die Wien Energie vom SPÖ-dominierten Wien schon zuvor dreimal einen 500-MillionenEuro-Zuschuss erhalten, ohne dass jemand davon erfuhr? Wurde da in Hedgefonds-Manier an der Börse spekuliert, wie ein TV-Moderator den Wiener Finanzstadtrat anschoss, und am Ende hat man sich verspekuliert? Und nun muss der Steuerzahler in die Bresche springen?
Die Gegenoffensive
Die Wiener SPÖ, die zunächst auf Tauchstation gegangen war, und Bundesparteichefin Pamela RendiWagner gingen in die Gegenoffensive: Erstens sei der Energiemarkt in Europa völlig außer Kontrolle geraten, die sogenannte „Merit order“(Koppelung des Strompreises an den Gaspreis) und die Spekulationen seien das Grundübel, nicht das Gebaren der Wien Energie. Und zweitens habe es die schwarzgrüne Bundesregierung über Monate versäumt, gegen den Energiepreiswahnsinn daheim und in Brüssel vorzugehen.
Und, düsterer Nachsatz der SPÖ-Chefin in den ORF-Sommergesprächen am Montagabend: Es werde auch noch andere Energieanbieter in Österreich erwischen.
Und Finanzstadtrat Peter Hanke wies den Vorwurf der Spekulation ebenso wie die Wien Energie selbst strikt zurück: Die Wien Energie habe sich an der Energiebörse stets erfolgreich und zur Sicherstellung der Energieversorgung am Energiehandel beteiligt.
Wieso der Konzern, der selbst nur relativ wenig Strom produziert, an der Börse mehr Strom verkauft als er produziert und ob das nicht doch mit Spekulationsgeschäften (Terminmarkt) zu tun habe, blieb unbeantwortet. Medien berichten jedenfalls von hochspekulativen derivativen Finanzinstrumenten, mit denen sich das Unternehmen gründlich verspekuliert habe.
Energieministerin Leonore Gewessler von den Grünen antwortete indes auf die kryptische Ankündigung der SPÖ, auch andere Energieversorger werde es erwischen: Nach den Angaben der anderen Unternehmen gebe es dort keine Liquiditätsprobleme. Der Rechnungshof antwortete auch – und zwar mit der Ankündigung einer Untersuchung der Wien Energie und ihrer Geschäfte.
Von den Regierungsparteien ÖVP und Grüne hagelte es ebenso wie von den übrigen Oppositionsparteien im Bund (Neos, FPÖ) Kritik an den Geschäften der Wien Energie und dem Versagen der vorgesehenen Kontrollmechanismen. Es drohe eine „epische Krise“. Dass weder der Wiener Bürgermeister noch der Finanzstadtrat am ersten Krisentreffen teilgenommen hatte, wurde mit besonderer Verwunderung zur Kenntnis genommen.
Ein Schutzschirm
Gestern meldete sich dann Michael Ludwig, mächtiger Wiener SPÖ-Bürgermeister, zu Wort. Es gebe natürlich keinen Skandal, er schlage eine Sonderprüfung der Wien Energie durch externe Gutachter vor. Im Übrigen plädiere er für einen Schutzschirm für Energieunternehmen, wie es ihn etwa in Finnland und der Schweiz, nicht aber in Österreich gebe.
Über die Rettung gab es bis gestern Nachmittag übrigens noch keine Einigung zwischen Bund und Stadt. Ein bisschen zappeln lassen muss schon sein, mag man sich im ÖVP-Finanzministerium denken.