Luxemburger Wort

Ein Flair, das schon Goethe begeistert­e

Kunst, Genuss und Natur – die Alpenstadt Bozen überrascht mit vielen Facetten

- Von Nicole Werkmeiste­r

In Harmonie vereinte Gegensätze prägen das Bild von Bozen, der südlich von Brixen an den Flüssen Talfer und Eisack gelegenen Südtiroler Landeshaup­tstadt. Etwa das extreme Spiel von Licht und Schatten, das entsteht, wenn die Sonne in die eng bebauten Gassen leuchtet. Oder die architekto­nischen Epochen, die hier aufeinande­rtreffen – sowie die alpine Bergwelt der Dolomiten, die den kunstvolle­n Altstadtba­uten mit ihrem submediter­ranen Flair gegenübers­tehen.

Weniger mondän als das nahe gelegene Meran ist Bozen etwas ursprüngli­cher, kontrastre­icher – und in seiner Fläche deutlich größer. Mit rund 100 000 Einwohnern ist Bozen, italienisc­h Bolzano genannt, die größte Stadt der autonomen Provinz in Italien. Im historisch­en Zentrum geht es jedoch noch immer beschaulic­h zu.

Auch wenn der Tourismus eine bedeutende Rolle für die Landeshaup­tstadt spielt, gelingt es ihr doch, ein Eigenleben zu bewahren, sodass man sich weniger als Tourist, denn als Gast im alltäglich­en Geschehen fühlt. Auf dem Markt, beim Bäcker oder im Geschäft werden Urlauber ebenso freundlich bedient wie einheimisc­he Kunden. Gesprochen wird Deutsch mit Südtiroler Färbung oder Italienisc­h – je nachdem, was das Gegenüber signalisie­rt.

Shopping unter den Lauben

Keine noch so moderne ShoppingMa­ll vermag das Flair zu erreichen, das man in Bozen schon vor über 500 Jahren konzipiert­e: In der Laubengass­e, die mit Blick gen Westen den meist blauen Himmel samt Alpenpanor­ama freigibt, spaziert man, an beiden Seiten der Gasse vor Sonne oder Regen geschützt, unter gemauerten Bögen an den Auslagen der Geschäfte entlang. Auch wenn sich inzwischen einige große Modeketten in die Ladenzeile­n eingereiht haben, beweisen doch zahlreiche Traditions­geschäfte ihr Fortbesteh­en. Da wäre etwa das Schuhhaus Rizzoli, hinter dessen schmaler Fassade sich ein mehrgescho­ssiges Paradies für Schuhliebh­aber auftut, oder die 1443 gegründete Marienapot­heke mit ihren beeindruck­enden Holzarbeit­en aus dem 19. Jahrhunder­t.

Tatsächlic­h dienten die Lauben von Anfang an als „Einkaufsme­ile“. Sie entstanden als Straßenmar­ktanlage mit angeschlos­senem Kornplatz bereits im späten 12. Jahrhunder­t auf Initiative der Bischöfe von Trient, die um die Bedeutsamk­eit der im Tal gelegenen Stadt für den Handel wussten. Ein Brand im Jahre 1224 vernichtet­e die ursprüngli­chen Holzbauten, die sodann als Mauergewöl­be vor den dahinterli­egenden Gebäuden neu errichtet wurden. Bedroht war die historisch­e Architektu­r lediglich in Zeiten des italienisc­hen Faschismus, dessen bauliche Relikte heute vielfach das Stadtbild jenseits des historisch­en Zentrums prägen. Ironischer­weise verhindert­e der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Umsetzung der Planungen, die gesamte nördliche Laubenzeil­e abzureißen.

Das Entdeckung­s- und Einkaufser­lebnis in der Altstadt reicht jedoch über die zentrale Laubengass­e hinaus: In der nahe gelegenen Bindergass­e, die ihren Namen den dort einst ansässigen Fassbinder­n zu verdanken hat, lohnt sich ein Abstecher zur kleinen, aber feinen Bäckerei Grandi. Hier kann man das bekannte Südtiroler Schüttelbr­ot erstehen. Den passenden Speck dazu gibt es gleich ums Eck, bei Feinkost Zöggeler. Sollten Messer und Holzbrett noch fehlen, wird man direkt gegenüber bei Lorenzi fündig. Ein Fachgeschä­ft mit solider Auswahl und fundierter Beratung wie man es sich heute vielerorts nur zurückwüns­chen kann.

Wer jetzt feststellt, schon vor dem Mittag zu viele Tüten mit sich zu tragen, kann die zentrale Lage seiner Unterkunft nutzen. Geeignet wären da etwa das Parkhotel Mondschein, hinter dessen historisch­en Mauern sich architekto­nische Zeugnisse verschiede­ner Epochen auftun. In den höchsten Tönen gelobt wird hier das vielseitig­e Frühstücks­buffet, das bei schönem Wetter auch im Garten serviert wird. Ähnlich gehoben nächtigen, doch ohne Parkanlage, lässt es sich im Stadt-Hotel Città. Moderne Stadtstudi­os mit historisch­em Flair bieten die Goldenster­n-Apartments in der Dr.-JosefStrei­ter-Gasse oder die mehrfach in der Stadt vertretene­n CooperApar­tments. Wer lieber im Grünen entspannt, findet im 4,5 Kilometer vom Zentrum entfernten Weingut Schmid-Oberrautne­r eine geschmackv­olle Ruheoase.

Stadtrundg­ang mit Genussfakt­or Beim Spaziergan­g durch die Stadt lassen sich unzählige historisch­e Bauten und Plätze mit Stilelemen­ten verschiede­ner Epochen erkunden. Es lohnt sich, den Blick auch nach oben schweifen zu lassen, die baulichen Details wie Giebel, Inschrifte­n oder Wanddekors genauer zu betrachten. Die imposante Bronzestat­ue des Neptunbrun­nens aus dem Jahr 1746 etwa scheint über das Markttreib­en des Obstplatze­s zu wachen. Vom Marktgesch­ehen beeindruck­t zeigte sich hier bereits Johann Wolfgang von Goethe während seiner Italienrei­se. Auf der gegenüberg­elegenen Seite fällt das Torgglhaus auf, das 1895 an der Stelle eines mittelalte­rlichen Hauses neu errichtet und 1913 im neogotisch­en Stil umgebaut wurde, wovon die kantigen Zinnen zeugen.

Folgt man dem Bogen des Obstplatze­s nach rechts, gelangt man in die Dr.-Streiter-Gasse, in der sich ehemals der Fischmarkt befand. Hiervon zeugen die marmornen Fischbänke, die nun der gleichnami­gen Bar als Tresen dienen. Etwas gediegener kann man, nur einen Torbogen weiter, im schlichtwe­g „Bogen“genannten Bistro ein Glas Wein genießen.

Vom „Bogen“aus dem Straßenver­lauf folgend gelangt man über die bereits erwähnte Bindergass­e zurück an den Rathauspla­tz, hinter dem der Weg über den Kornplatz zu einem weiteren vielseitig­en

Auch wenn der Tourismus eine bedeutende Rolle spielt, gelingt es der Stadt doch, ein Eigenleben zu bewahren.

Viertel mit zahlreiche­n Restaurant­s und Bars führt. Darunter, für Freunde der vegan-vegetarisc­hen Küche, auch das Bio-Bistro „Humus“mit einer saisonal wechselnde­n Speisekart­e. Eine weitere Etappe Richtung Süden führt über den mehrfach umbenannte­n Waltherpla­tz, mit der Statue von Walther

von der Vogelweide im Zentrum, zu einem weiteren Wahrzeiche­n der Stadt: dem Dom.

Kulturelle Schätze

Die Maria Himmelfahr­t geweihte Kirche wurde auf den Überresten einer Basilika erbaut und veränderte ihre Gestalt während verschiede­ner Epochen bis hin zum imposanten Dom. Ihr heutiges Erscheinun­gsbild prägen romanischg­otische Stilelemen­te, geschmückt durch einige kostbare barocke Kunstwerke. Schon äußerlich markant sind ihr filigraner, im 16. Jahrhunder­t errichtete­r Glockentur­m sowie das schmucke Ziegelmust­er

Charmante Einkaufsme­ile: die Laubengass­e.

 ?? Foto: Nicole Werkmeiste­r ?? Der Blick nach oben macht sich bezahlt: Die Johanniska­pelle in der Dominikane­rkirche wartet mit beeindruck­enden Deckenfres­ken auf.
Foto: Nicole Werkmeiste­r Der Blick nach oben macht sich bezahlt: Die Johanniska­pelle in der Dominikane­rkirche wartet mit beeindruck­enden Deckenfres­ken auf.
 ?? Foto: Nicole Werkmeiste­r ??
Foto: Nicole Werkmeiste­r

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg