Düstere Aussichten für Mali-Mission
Nach dem Einbruch der Beziehungen zum Westen setzen Malis Militärmachthaber auf die historische Freundschaft zu Russland
Sie kamen als Helden und gingen als verhasste Neokolonialisten: Mitte August verließ der letzte französische Soldat Mali. Nicht, weil die Mission, Stabilität in den von Militärs und Islamisten umkämpften Wüstenstaat zu bringen, abgeschlossen wäre. Davon ist das westafrikanische Land heute weit entfernt. Die Militärjunta in der malischen Hauptstadt Bamako setzt nun auf einen neuen Verbündeten: Russland.
„Wir stehen möglicherweise vor einem ausgewachsenen Sicherheitsvakuum in Mali“, warnt der Politologe Fahiraman Rodrigue Kone. Nicht bloß ringe die Armee um die volle Kontrolle über das Territorium, auch im Kampf gegen Fundamentalisten gebe es Schwierigkeiten. „Zuletzt nahmen dschihadistische Aktivitäten zu. Gruppen, die dem Islamischen Staat nahestehen, profitieren von dem gelockerten Würgegriff des französischen Militärs.“
Wagner-Gruppe füllt Vakuum
Seit einem Jahrzehnt kommt Mali nicht mehr zur Ruhe. 2012 hatte sich in Bamako das Militär an die Macht geputscht. Islamisten hatten die Machtübernahme genutzt, um den Norden des Landes zu besetzen. Bewohner wurden hingerichtet, etliche Manuskripte, teils 800 Jahre alt, gingen in Flammen auf. 2013 war es der französischen Militäroperation Serval gelungen, den Norden zurückzuerobern. Allerdings sollte die Stabilität nur wenige Jahre halten: 2020 und 2021 stürzte Malis Armee erneut die Zivilregierungen. Danach gingen Malier auf die Straßen, um gegen die französische Militärpräsenz zu demonstrieren. Die einstigen Retter entwickelten sich in ihren Augen zu Eindringlingen, unfähig sie zu beschützen, und selbst verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen.
In Bamako feierten Demonstranten das Ende des französischen Einsatzes mit brennenden EU-Flaggen. „Merci Wagner“, prangte auf ihren Schildern – eine Willkommensbotschaft an die neuen Uniformierten im Land. Nach dem Einbruch der Beziehungen zum Westen setzen Malis Militärmachthaber auf die historische Freundschaft zu Russland. Das Vakuum, das westliche Truppen hinterlassen, füllen Söldner der Wagner-Gruppe.
Das private Sicherheitsunternehmen unterhält enge Beziehungen zur Regierung in Moskau und ist in etlichen Ländern Afrikas aktiv. In Johannesburg schätzt Craig
Moffat von der Denkfabrik Good Governance Africa: „Kein Staat heuert freiwillig Söldner an, außer er steckt in ernsten Schwierigkeiten.“Die Auswirkungen? „Wenn es den Russen gelingt, den Aufstand (der Fundamentalisten) gemeinsam mit der Militärjunta niederzuschlagen, könnte dies fortan als erfolgreiche oder zweckmäßige Kooperation angesehen werden.“
Russlands Militärkooperation mit afrikanischen Staaten ist nicht neu, auch nicht für Mali: „Viele militärische und zivile Beamte wurden und werden heute noch in Russland ausgebildet. Diese Zusammenarbeit nahm mit der Auflösung der Sowjetunion ab. Aber zuletzt scheint sie neuen Schwung zu bekommen“, so Kone. Moskau wolle seinen Fußabdruck in Afrika vertiefen. Dabei sei die Position von Malis neuen Machthabern „paradox“: Einerseits verurteilen sie den „Neokolonialismus“ihrer früheren Partner, andererseits liebäugeln sie mit Russland, das nicht weniger von imperialistischen Gedanken beflügelt sei.
Menschenrechtsverletzungen
Etliche Beobachter sehen die Menschenrechte in Gefahr. So forderte Human Rights Watch (HRW) Malis Armeeregenten Anfang August dazu auf, während eines zweijährigen Übergangsprozesses grundlegende Freiheiten wiederherzustellen. „Folter und Verschleppungen“von politischen Gegnern müssten enden, die Freiheiten von Journalisten und Bürgerrechtlern sichergestellt werden.
Unklar bleibe laut Kone, welche Auswirkungen Mali durch die Isolation zum Westen erwarten. Klar sei aber, dass Mali sowohl mit Frankreich als auch Deutschland, das derzeit über den Abzug seiner Blauhelme spekuliert, zwei seiner wichtigsten Entwicklungspartner verlieren könnte.
Während der Westen sich zunehmend von Mali entfernt, steht für seine Nachbarn fest: Es muss weitergehen. „Afrikanische Staaten, vor allem westafrikanische Länder, verstehen, dass es keineswegs in ihrem Interesse ist, Mali politisch und wirtschaftlich noch mehr zu isolieren“, so Moffat. Im Juli hob der westafrikanische Staatenbund ECOWAS seine Sanktionen gegen Mali auf. Unterdessen kämpft Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo für eine Stärkung der UN-Friedensmission MINUSMA, die seit 2013 in Mali stationiert ist. Laut Moffat hätten Afrikas Staatsund Regierungschefs an diesem „kritischen Zeitpunkt“erkannt: Sie müssen mit Malis Armee zusammenarbeiten, um einer Zivilregierung den Weg zu ebnen.
Wir stehen möglicherweise vor einem ausgewachsenen Sicherheitsvakuum in Mali. Politologe Fahiraman Rodrigue Kone
Michail Gorbatschows politische Karriere begann in der neunten Klasse. Der „Komsomol“, die kommunistische Jugendorganisation, an der Mittelschule, auf die er ging, wählte einen neuen Sekretär, Mischa Gorbatschow war einer von sieben Kandidaten. Wie die anderen stand er auf und stellte sich mit einer kurzen Rede vor. Als er sich wieder setzen wollte, hatte ihm jemand den Stuhl weggezogen. „Ich knallte mit voller Wucht auf den Boden“, schreibt er in seiner Autobiografie „Alles zu seiner Zeit“.
„Der Saal platzte vor Lachen“. Gorbatschow erhielt trotzdem die Mehrheit. Er errang danach noch sehr viele Wahlsiege in den verschiedensten sowjetischen Gremien, wurde 1985 zum Generalsekretär der KPdSU und 1990 zum ersten Präsidenten der Sowjetunion gewählt. Doch immer sollte es Leute geben, die versuchten, ihm den Stuhl wegzuziehen. Und in Russland galt Michail Gorbatschow seit Jahrzehnten als Politiker, der zwischen allen Stühlen der Weltgeschichte gelandet ist. Aber gescheitert oder nicht, er hat diese epochal beeinflusst.
Gorbatschow ist tot. Der 91-Jährige starb am Abend des 30. August im Zentralen Klinischen Krankenhaus
Moskaus, einer medizinischen Einrichtung der russischen Präsidialverwaltung. Laut der Agentur RIA Nowosti verbrachte er seit Längerem fast seine gesamte Zeit in der Klinik, die Behandlung habe aber nur noch darauf gezielt, seine Krankheit zu lindern. Nach Angaben des Portals „Mash“hatte Gorbatschow Probleme mit den Nieren, seit Jahren wurde er regelmäßig an Dialysegeräte angeschlossen. In der offiziellen Mitteilung des Krankenhauses heißt es, er sei nach „schwerer und langwieriger Krankheit“gestorben, eine Formulierung, wie sie im sowjetischen Amtsrussisch beim Ableben seiner betagten Vorgänger als Generalsekretäre üblich war.
Ein fleißiger Schüler
Gorbatschow kam am 2. März 1931 im Dorf Priwolnoje im Stawropoler Gebiet am Fuß des Kaukasus zur Welt. Ein Kriegskind, er erlebte 1942 die deutsche Besatzung und den Hunger danach, der Sohn eines Kolchosbauern lernte sehr gut, arbeitete nebenher mit Rekordfleiß als Mähdrescherfahrer, für seinen Ernteleistungen wurde er schon mit 17 mit einem Rotbannerorden ausgezeichnet. Der Musterjungkommunist wurde Parteifunktionär, mit 31 Jahren erster Sekretär des Stawropoler Gebietsparteikomitees, mit 49 das jüngste Mitglied des Politbüros in Moskau. Seine Frau Raissa, die einzige Frau in seinem Leben, hatte er beim Jura-Studium in Moskau kennengelernt.
Gorbatschow war kein politischer Selfmademan, sondern ein strebsamer Parteikarrierist, schon früh gefördert von KGB-Chef Juri Andropow. Er selbst sagt, die multiethnische Gesellschaft des Nordkaukasus, wo Russen, Armenier und muslimisch-kaukasische Nationen zusammenlebten, sei der Ursprung für seine Bereitschaft, in Konfliktfällen nach einem Kompromiss zu suchen. Aber bis heute wird gerätselt, woher der innere Antrieb zur Neugestaltung kam, der den Mann aus Stawropol zu einem der größten Reformpolitiker des 20. Jahrhunderts gemacht hat. Gorbatschow glaubte an den Kommunismus, aber er war auch ein Junge vom Dorf, mit südrussischem Akzent, praktischer Vernunft
und viel Neugierde. Er galt als kompetenter, energischer Kader, mit dem Mut etwas zu verändern.
Generationswechsel im Kreml
Andropow, selbst reformwillig und seit 1982 Nachfolger des greisen Leonid Breschnew als Generalsekretär, wollte Gorbatschow zu seinem Nachfolger machen. Aber die Personalpolitik der UdSSR war ähnlich verknöchert, wie ihre kommunistische Ideologie, ihr antiwestlicher Militärpatriotismus und ihr Planwirtschaftssystem.
Der schwer zuckerkranke Andropow starb 1984 ebenso im höchsten Amt, wie 1985 sein drei Jahre älterer und lungenkranker
Gescheitert oder nicht, er hat die Weltgeschichte epochal beeinflusst.