Erinnerungen an den Lockdown
Als das Corona-Virus Luxemburg erreichte, sprachen die Behörden von einer „dramatischen Lage“und reagierten mit einem Lockdown. Freiheiten wurden ausgesetzt, Menschenansammlungen waren illegal und das Händeschütteln auch. Die Menschen arbeiteten im Homeoffice, den Feierabend verbrachten sie zu Hause und die Ferien auch. Wer nachts vor die Tür gehen wollte und keinen anerkannten Grund hatte, machte sich strafbar. Die Folgen: Die Städte und Dörfer waren fast menschenleer und die Straßen verwaist. Die Natur konnte durchatmen und die Tierwelt eroberte den leeren Raum zurück – zumindest für die Zeit des Lockdowns. Im Garten von unserem Nachbarn nistete sich ein unscheinbarer und dennoch ganz spezieller Singvogel ein. Gesehen haben
Ich war dem Gesang der Nachtigall hilflos ausgeliefert.
wir sie nicht, doch wir sind sicher, dass sie da war: eine unermüdliche Nachtigall. Ornithologen nennen sie „die Königin der Sänger“. Wikipedia schreibt, der Gesang sei reich, wohltönend und werde von Menschen als sehr angenehm und schön empfunden. Die Nachtigall ist seit Jahrtausenden bekannt und in vielen Kulturen beliebt. Nur nicht bei mir. „Unsere“Nachtigall tat dies nicht zu meiner Freude, sie war auf Brautschau und raubte mir den Schlaf. Fenster schließen, Watte in die Ohren und Kopf unter das Kissen – nichts half. Der ach so liebliche Gesang drang dennoch bis zu meinen Ohren vor. Ich war der Nachtigall hilflos ausgeliefert. Doch nichts ist für ewig. Der Vogel fand eine Partnerin und verstummte. Auch der Lockdown war bald Geschichte. In der Nachbarschaft wurde dies mit Partys gefeiert, bis in die Nacht hämmerten die Bässe. Es dauerte nicht lange und ich trauerte dem Gesang der Nachtigall nach. Jean-Philippe
rechtlichen Beistand und durften selber kaum sprechen. „Freispruch, Todesstrafe oder Überstellung an die Gestapo lauteten die drei einzig möglichen Urteile“, so Dostert. „Pseudojustiz“, fügt er an. Am folgenden Tag tauchten in ganz Luxemburg blutrote Plakate auf. „Standgericht eingesetzt. Die Todesurteile wurden durch Erschießen vollstreckt.“
„20 Luxemburger wurden durch Standgerichte zum Tode verurteilt und im Wald bei Hinzert erschossen“, erklärt Dostert. 16 Mal lautete das Urteil „Freispruch“und 45 Personen wurden der Gestapo überstellt. „Den Streikenden in Differdingen gebührt besonderen Respekt“, sagt Paul Dostert. Sie legten ihre Arbeit nieder, als der Ausnahmezustand bereits ausgerufen war und die ersten Todesurteile bekannt waren.
In der Minette wurden in der Folge SA-Schlägertrupps zusammengestellt, die bewaffnet durch die Straßen patrouillierten. „Sie sollten Manifestationen unterdrücken und die Leute zum Arbeiten bewegen“, erklärt Dostert. Teilweise tauchten sie bei den Arbeitern zu Hause auf und forderten sie auf, aufzubrechen.
„Rädelsführer und Hintermann“Insgesamt kamen knapp 200 Personen in Haft oder wurden in ein KZ überstellt. Hans Adam, derjenige der in Schifflingen das Signal zur Arbeitsniederlegung gegeben hatte, war als „Rädelsführer und Hintermann“besonders gesucht,
Freispruch, Todesstrafe oder Überstellung an die Gestapo lauteten die drei einzig möglichen Urteile. Historiker Paul Dostert
konnte sich aber vorerst verstecken. „Als die Gestapo damit drohte, Geiseln zu nehmen, hat er sich gestellt“, sagt Paul Dostert. Er kam vor ein Sondergericht und wurde in einem Gefängnis in Köln geköpft. Die Niederschlagung des Streiks forderte 21 Opfer.
Die angehenden Lehrerinnen aus Walferdingen wurden unterdessen in ein Erziehungslager nach Marienthal in Deutschland gebracht. „In einigen Fällen wurde den Eltern das Sorgerecht ihrer streikenden Kinder aberkannt und der Hitlerjugend übertragen“, so Dostert. 64 Schülerinnen wurden ins Ahrtal gebracht und sollten dort umerzogen werden. 183 Schüler aus Echternach und Esch/Alzette kamen für den Rest des Schuljahres in das Hitlerjugendlager Burg Stahleck.
Die Nachricht des Generalstreiks im kleinen Großherzogtum ging um die Welt. „Die Exilregierung hatte dafür gesorgt, dass Nachrichten, die Luxemburg in einem guten Licht dastehen lassen, verbreitet werden“, sagt der Historiker Paul Dostert. Sogar in der UdSSR wurde der Streik bekannt. „Die Prawda hatte gleich mehrere Artikel über Luxemburg veröffentlicht.“