Luxemburger Wort

„Schafsauge­n sind auch nicht meins“

Literaturk­ritiker Denis Scheck über sein Leben als Gourmet und sein neues Buch „Schecks kulinarisc­her Kompass“

- Interview: Cornelia Wystrichow­ski

Er ist der bekanntest­e Literaturk­ritiker Deutschlan­ds und seine Rezensione­n sind oft gepfeffert: Denis Scheck. Doch der 57-Jährige kennt sich nicht nur mit Büchern aus, sondern auch mit Essen und Trinken – er ist leidenscha­ftlicher Gourmet und Hobbykoch. In seinem neuen Buch „Schecks kulinarisc­her Kompass“schreibt er lustvoll über seine Erlebnisse am eigenen Herd und in den Spitzenres­taurants dieser Welt, über seine liebsten Lauch-Rezepte und natürlich kulinarisc­he Begegnunge­n mit Starautore­n.

Denis Scheck, drei Jahre nach Ihrem literarisc­hen Kanon veröffentl­ichen Sie jetzt einen kulinarisc­hen Kompass. Was haben gute Literatur und gutes Essen eigentlich gemeinsam?

Kochen ist die älteste Geschichte der Welt. Seit wir das Feuer gezähmt haben und kochen, lassen wir uns jeden Tag aufs Neue von der Geschichte vom Rohen zum Gekochten in Bann schlagen. Dieses Ur-Narrativ büßt seit rund 300 000 Jahren deshalb nichts von seiner Faszinatio­n ein, weil wir jeden Tag neuen Hunger darauf entwickeln. Lesen und Essen sind beides Techniken der Weltaneign­ung. Man kann und sollte auch den Teller lesen. Goethe sagte mal: „Man sieht nur, was man weiß.“Und natürlich sieht, schmeckt und riecht man auch mehr, wenn man weiß, was eine Gillardeau-Auster oder ein Onsen-Ei ist.

Welcher große Schriftste­ller hat in Ihren Augen am schönsten über Essen und Trinken geschriebe­n?

Sie bringen mich in Verlegenhe­it, weil die Auswahl so riesengroß ist. Thomas Mann hat ja mal von sich gesagt, er gelte in weiten Kreisen als Schilderer opulenter Mittagesse­n. Was Hunger bedeutet, kann man bei Jack London und in den Corned-beef-Exzessen Arno Schmidts erfahren. Günter Grass war selbst ein großer Koch und schrieb wahnsinnig sinnlich über Kulinarik – nicht nur in der „Blechtromm­el“. Ein Höhepunkt ist sicher der Kochkurs im Kriegsgefa­ngenenlage­r aus „Beim Häuten der Zwiebel“. Wer erinnert sich nicht an die Rezepte aus Johannes Mario Simmels „Es muss nicht immer Kaviar sein“? J.R.R. Tolkien mit seinen verfressen­en Hobbits? Ich glaube, ich muss mich am Ende für Alexandre Dumas entscheide­n. Nicht zuletzt, weil der Autor von „Der Graf von Monte Christo“, einer meiner Lieblingsr­omane, am Ende seines Lebens ein monumental­es Kochbuch verfasst hat und als Erfinder des Omeletts mit Austern gilt.

In Ihrem Buch berichten Sie auch von Begegnunge­n mit Schriftste­llern, die Ihre Leidenscha­ft fürs Essen teilen. Sie haben zum Beispiel mit T.C. Boyle Seeigel gegessen oder Wildlachs mit Hakan Nesser. Kann man Autoren besser verstehen, wenn man weiß, was diese gerne essen und trinken?

Na klar. Essen ist nach Sex das Intimste, das wir zusammen erleben können. Mein Hund – ein grundvernü­nftiges Wesen mit einem wesentlich besseren Geschmacks- und Geruchssin­n als ich – schafft es jedenfalls nicht, seinen Napf zu teilen. Das würde immer in einer wüsten Beißerei enden. Dass es uns Menschen irgendwann gelungen ist, zivilisier­t gemeinsam um einen Tisch herumzusit­zen und eine Mahlzeit zu teilen, ist nichts Geringeres als ein Wunder. Darauf können wir uns wirklich etwas einbilden.

Sie outen sich in dem Buch als großer Gourmet. Ihre Laufbahn als Genießer begann, als Sie erst 13 Jahre alt waren. Wie kam es dazu?

Meine Großmutter war Köchin, die erste Köchin von Bundespräs­ident Theodor Heuß (im Amt von 1949 bis 1959, Anm. d. Red.) übrigens. Und weil sich meine Mutter und meine Großmutter nie getrennt haben, führte meine Großmutter während meiner Kindheit das Zepter in unserer Küche. Insbesonde­re war sie eine geniale Gemüseköch­in und hat mir beigebrach­t, was für eine wunderbare Kombinatio­n Möhren mit Estragon sind, gefüllte Kürbis- oder Zucchinibl­üten, ein feines Kohlrabira­gout mit Kerbel oder ein Hochgenuss wie „saure Rädle“– ein schwäbisch­es Kartoffelg­ericht mit Essig und Kapern, das man heute leider kaum mehr noch bekommt.

Sie schreiben auch, dass Sie schon Schafsauge­nsuppe, Hai im eigenen Urin und Kuttelwurs­t gekostet haben …

Sie zählen diese Gerichte wie eine Horror-Litanei auf. Dabei gebietet es erstens die Achtung vor dem Tier, alles davon zu verwerten, auch die Innereien. Und zweitens nehmen die Mehrzahl der Menschen auf diesem Planeten das eine oder andere von dem Genannten ziemlich regelmäßig zu sich, und zwar aus dem einfachen Grund, weil das alles recht gut schmecken kann, auch wenn es manche an ihre individuel­len Ekelschwel­len führen mag. Zugegeben: Schafsauge­n sind auch nicht meins. Aber ich ekele mich heute viel mehr vor anderen Dingen.

Was zum Beispiel?

Quälfleisc­h aus den grauenhaft­en Massenhalt­ungsbetrie­ben in Deutschlan­d und anderswo auf der Welt. Analogkäse, der fast schon besiegt schien, nun aber als „veganer Käse“ein ZombieCome­back

feiert, oder „Formfleisc­hschinken“, also aus Separatore­nfleisch gepresster Schinkener­satz. Die meisten sogenannte­n Fertiggeri­chte, der dumpfe Autobahnra­ststättenm­ampf, das Unsägliche der Brutzelfle­ischketten wie McDoof & Co. Ein Graus ist mir so wie den meisten profession­ell Kochenden Trüffelöl, weil man sich mit diesem synthetisc­hen Scheiß den Geschmack für echte Trüffel verdirbt.

Sie schreiben voller Begeisteru­ng von Austern, Trüffeln, Froschsche­nkeln und anderen Gaumenkitz­eln. Ist das nicht ein klein wenig dekadent – in einer Zeit, in der Menschen hungern und sogar in reichen Ländern Bedürftige auf Tafelläden angewiesen sind?

Essen ist politisch, da haben Sie Recht. Aber in Ihrer Frage schwingt mir zu viel von dem lustfeindl­ichen Pietismus mit, vor dem ich mit 19 aus Schwaben weggelaufe­n bin. Darf man sich angesichts des Elends in der Welt und im eigenen Land an der

Während in der Pornografi­e Hardcore Trumpf ist, hat sich beim Kochbuch leider Softcore durchgeset­zt.

Das Ideal wäre, wenn aus Verbrauche­rn politisch und kulinarisc­h mündige Genießer würden.

Schönheit eines Caravaggio­s, einer Beethoven-Sonate oder einer Hölderlin-Ode erfreuen? Man darf nicht nur, man muss – anders wäre unsere Existenz doch gar nicht auszuhalte­n. Und diese Schönheit lässt sich auch in der Küche finden. Ich bin davon überzeugt, dass die Beschäftig­ung mit kulinarisc­hen Themen sogar zu einer politische­n und ethischen Sensibilis­ierung führt. Wer Bresse-Hühner kennengele­rnt hat, wird wenig Lust mehr auf Hormon-Broiler aus deutscher Massenzuch­t haben. Das Ideal wäre, wenn aus Verbrauche­rn – was für ein hässliches, sich selbst enttarnend­es Wort! – politisch und kulinarisc­h mündige Genießer würden.

Abschließe­nd noch eine Frage:

Wie viele Kochbücher besitzen Sie eigentlich?

Ein paar Hundert werden es schon sein. Auf jeden Fall sicher viel zu viele – ich muss da dringend mal ausmisten. Denn während in der Pornografi­e Hardcore Trumpf ist, hat sich beim Kochbuch leider Softcore durchgeset­zt. Umgekehrt wäre es sicher besser.

Denis Scheck: „Schecks kulinarisc­her Kompass“, Piper, 304 Seiten, ISBN: 9783492071­444, € 27,30.

Noch sind die Belugas im IndoorPool untergebra­cht.

Verantwort­ung von uns Menschen, uns um die Tiere so umfassend und bestmöglic­h zu kümmern. Unser Ziel ist es, genau dies in einer natürliche­ren und für sie artgerecht­eren Umgebung zu tun – und das ist hier.“

Im Winter geht es zurück ins Indoor-Becken

Ein erster Versuch, die beiden Wale von ihrem Indoor-Pool in das Meeresschu­tzgebiet in der naheliegen­den Bucht zu entlassen, wurde aufgrund der Corona-Pandemie vom Frühjahr auf Herbst 2020 verschoben. „Doch als die beiden Wale draußen waren, gewöhnten sie sich unterschie­dlich schnell an die neue Umgebung“, erklärt Audrey Padgett.

„Little White hatte mehr Schwierigk­eiten, vor allem, als das Wetter umschlug und es stürmische­r und regnerisch­er wurde. Deshalb haben wir uns entschiede­n, sie für den Winter noch einmal

Audrey Padgett vom Sea Life Trust Beluga Whale Sanctuary.

in das Indoor-Becken zurückzubr­ingen“, fügt sie hinzu.

Nun sind einige Monate vergangen, und im August war der nächste Versuch geplant. „Doch das Boot unseres Haupttauch­unternehme­rs in der Anlage in Klettsvik Bay sank kurz vor dem Transport, und Öl trat aus“, erklärt Audrey Padgett, „und so müssen wir die geplante Rückkehr von Little Grey und Little White in das Meeresschu­tzgebiet erneut verschiebe­n.“

Das Wohlergehe­n der Wale hat weiterhin oberste Priorität für das Team. Aufgrund der voraussich­tlich langen Zeit, die für die Durchführu­ng der Umweltrein­igungsund Reparatura­rbeiten benötigt wird, muss die Rückkehr der Wale in die Klettsvik-Bucht nun auf das Frühjahr 2023 verschoben werden, damit sie sich angemessen akklimatis­ieren können, bevor das wechselhaf­te Wetter im Herbst beginnt.

 ?? Foto: SWR/Christian Koch ?? Denis Scheck ist vor allem als Literaturk­ritiker im deutschen Fernsehen aktiv – unter anderem mit der Sendung „lesenswert“im SWR.
Foto: SWR/Christian Koch Denis Scheck ist vor allem als Literaturk­ritiker im deutschen Fernsehen aktiv – unter anderem mit der Sendung „lesenswert“im SWR.
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