Mit Verzögerung in die Freiheit
Drei Jahre nach der Umsiedlung mit Cargolux – ein Besuch bei den Belugas Little White und Little Grey
Reykjavik. Lautes Quietschen begleitet Vignir Skaeringsson in den höchsten Tönen, als der Tierpfleger den Raum betritt. Hier warten zwei schneeweiße Kolosse im 1,6 Millionen Liter großen, mit natürlichem Meerwasser gefüllten Becken. Sie sind bereit für die täglichen Übungen und Gesundheitschecks, die sie routinemäßig und mit sichtlicher Freude absolvieren. Während Kuratorin Jessica Whiton und ihre Stellvertreterin Courtney Burdick die Temperatur der Tiere checken, macht Skaeringsson einige Übungen zum Gesundheitsstatus.
Mehr als drei Jahre sind vergangen, seit die beiden Belugawale Little White und Little Grey aus China im Juni 2019 in einer spektakulären Rettungsaktion per Frachtmaschine der Cargolux von Shanghai nach Reykjavik geflogen wurden. Ein Team von Tierärzten begleitete die Walweibchen, die – in Matten in speziellen, mit Wasser gefüllten Containern hängend – die lange Reise gut überstanden haben. Dann ging es per Lastwagen und Fähre weiter.
Ihr Ziel: die Klettsvik-Bucht vor der Insel Heimaey, eine der Westmännerinseln
In Freiheit können wir die Wale nicht entlassen, denn sie waren fast ihr gesamtes Leben in menschlicher Betreuung. Audrey Padgett, Geschäftsführerin des Sea Life Trust Beluga Whale Sanctuary
im Süden Islands. Die mit Netzen vom offenen Meer abgegrenzte Bucht, in der bereits Schwertwal Keiko aus dem Film „Free Willy“im Jahr 1998 auf sein Leben in Freiheit vorbereitet wurde, soll den beiden in jahrelanger Gefangenschaft lebenden Meeressäugern zukünftig ein artgerechteres Leben bieten. Die Bucht ist bis zu zehn Meter tief, und die ihnen zur Verfügung stehende Fläche von rund 32 000 Quadratmetern ist fast so groß wie fünf Fußballfelder.
„Little White und Little Grey waren sehr jung, als sie vor der Küste Russlands gefangen wurden“, erklärt Audrey Padgett, Geschäftsführerin des Sea Life Trust Beluga Whale Sanctuary. Sie seien nur ein oder zwei Jahre alt gewesen, als sie von ihren Müttern getrennt wurden und in Gefangenschaft kamen. Verkauft an das Changfeng Ocean World Aquarium in Shanghai, haben die Tiere die Aquarium-Besucherinnen und -Besucher in verschiedenen Shows mit ihren Kunststücken unterhalten. Als der Konzern Merlin Entertainments 2012 den Aquapark übernahm, begann die Suche nach einem artgerechten Refugium für die Meeressäuger, da das Unternehmen
den Einsatz von Walen und Delfinen in Shows ablehnt. In Island wurden sie dann fündig.
Auf ihre aufregende Reise und auf ihr neues Zuhause wurden Xiao Bai und Xiao Hui, wie die beiden Weißwale in China hießen, monatelang vorbereitet. So wurden sie unter anderem trainiert, länger die Luft anzuhalten, um künftig tiefer tauchen zu können. Außerdem wurde die Wassertemperatur in ihrem Becken von 15 Grad auf unter zehn Grad abgesenkt, um sie auf die isländischen Meerestemperaturen einzustimmen.
Einzigartiges Refugium für Meeressäuger
Das Meeresschutzgebiet für Meeressäuger, das von der Stiftung Sea Life Trust betrieben wird, wurde mit der Unterstützung einer großzügigen Spende von Merlin Entertainments errichtet. Das in Partnerschaft mit Whale and Dolphin Conservation (WDC) entstandene
Sea Life Trust Beluga Whale Sanctuary ist das erste Refugium dieser Art auf der Welt und kann zukünftig nicht nur Little White und Little Grey, sondern auch anderen Meeressäugern in Gefangenschaft ein artgerechteres Leben in einem natürlichen Lebensraum bieten.
„In Freiheit können wir die beiden Wale nicht entlassen, denn sie waren fast ihr gesamtes Leben in menschlicher Betreuung“, erklärt die Geschäftsführerin des Sanctuary. „Deshalb ist es nun auch die
Die Rückkehr der Wale in die Klettsvik-Bucht muss auf das Frühjahr 2023 verschoben werden.