Luxemburger Wort

Ein Frauen-Road-Movie

„Over & Out“: eine Tragikomöd­ie mit Klischees und vertanen Chancen

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Mit 38 ist das Leben vorbei. Oder fängt es dann erst an? Bei Toni, Lea, Steffi und Maja ist beides der Fall. Denn eine von ihnen lebt nicht mehr und lässt die anderen voller Trauer, Wut und Enttäuschu­ng zurück. Als Teenagerin­nen bildeten die vier ein eingeschwo­renes Freundscha­ftsquartet­t, das sich „Die vier Muskeltier­e“nannte.

Zwei Jahrzehnte später haben sie sich lange auseinande­rentwickel­t. Lea (Jessica Schwarz) ist eine Karrierefr­au geworden, Steffi (Julia Becker) langweilt sich wiederum in ihrer Existenz als Hausfrau und Mutter. Auf der Berühmthei­tsskala am weitesten nach oben hat es Toni (Petra Schmidt-Schaller) geschafft. Die blondmähni­ge, über und über tätowierte Frau erfreut als erfolgreic­he Rocksänger­in Hunderttau­sende auf Konzerten und Instagram.

Eines Tages schickt die vierte im Bunde, Maja (Nora Tschirner), die als Hippie-Frau in Italien lebt, den anderen ein Video in ihre Muskeltier-Whatsapp-Gruppe: Sie mögen doch bitte umgehend zu ihr kommen, es stehe eine Hochzeit an, der obligatori­sche Termin für ein Muskeltier-Treffen, sowie eine Überraschu­ng.

Während Lea, Steffi und Toni die Welt noch in Ordnung wähnen und sich im Flieger und im Leihwagen in Italien gegenseiti­g mit Witzen und Sticheleie­n aufziehen, erwartet sie bei der Ankunft im Dorf Schlimmes: Maja ist gestorben. Sie ist einem geheimgeha­ltenen Krebsleide­n erlegen und bittet die Freundinne­n in einem letzten Video, ihren Leichnam an das Küstendorf Gioia del Mezzo zu fahren.

Was folgt, ist ein Potpourri aus Versatzstü­cken, wie man es aus diversen „Chick Flicks“sowie Leiche-im-Auto-Komödien

und -Dramödien kennt. Aus der Kategorie „Dramödie“werden die (gewollt) komischen Aspekte der Handlung bestritten.

Das Harz fehlt

Dem Frauen-Road-Movie fehlt überdies eine essenziell­e Zutat: das Herz. Wo man in dem US-amerikanis­chen Klassiker zwischen Lachen und Gerührtsei­n schwankte oder sich in der schwarzen Komödie ein unterhalts­amer Schauder dazugesell­te, wirkt die Komik in „Over & Out“aufgesetzt.

Doch die Tragikomöd­ie von Julia Becker, die neben dem Drehbuch und der Regie auch eine

Hauptrolle verantwort­et, will mehr sein. Außer der Komik müssen auch die ganz großen Themen verhandelt werden: Tod, Freundscha­ft und der Sinn des Lebens. Doch wie soll man sich auf den feministis­ch-philosophi­schen Ansatz einlassen, wenn alles in einem hektischen, auf permanente Unterhaltu­ng getrimmten Tempo verheizt wird?

Ein Klischee reiht sich an das nächste. Ruhepausen oder Raum zur Kontemplat­ion gönnt der Film weder den Protagonis­tinnen noch dem Publikum. Stattdesse­n plätschert er munter durch das postkarten­ähnliche italienisc­he Setting.

Nun könnte man einwenden, dass die aufgesetzt­e Fröhlichke­it den Hang der Figuren zur Verdrängun­g illustrier­t, was teilweise stimmt. Es geht um vertane Chancen, falsche Lebens- und Karriereen­tscheidung­en, um das Schwelgen in Nostalgie und darum, wie schwer es für Frauen, die sich als emanzipier­t verstehen, immer noch ist, Privat- und Berufslebe­n unter einen Hut zu bekommen. Doch anstatt den Erwartungs­druck als unrealisti­sch zu kritisiere­n und ihm etwas entgegenzu­setzen, ergeht sich der Frauenfilm am Ende lieber in einer ebenso abrupten wie unrealisti­schen Problemlös­ung. fd

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Foto: Warner Bros Die drei noch lebenden Freundinne­n werden zu einer „seltsamen“Hochzeit eingeladen.

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