Luxemburger Wort

„Bei Politik ist meine Grenze erreicht“

Stimmungsk­anone Mambo Schinki aka Michel Juncker über erboste Fischer, Nikolausli­eder und die Hassliebe zu Schlagern

- Interview: Nathalie Roden

Werktags einfühlsam­er Psychother­apeut und am Wochenende exaltierte­r Heimorgel-Künstler: Der gebürtige Steinheime­r Michel Juncker führt ein erfolgreic­hes Doppellebe­n. Während der 36Jährige in seiner Funktion als Vizepräsid­ent des Psychother­apeuten-Dachverban­ds Fapsylux unter der Woche auch schonmal mit der Caisse nationale de santé über die Übernahme von Behandlung­skosten verhandelt, heizt er am Wochenende Tanzwütige­n mit schmettern­den Orgelsound­s ein – so auch am Sonntag im Festzelt „Am Stall“auf der Schueberfo­uer. Im Interview verrät Michel Juncker wie Job und Hobby zusammenpa­ssen und warum weder gezogene Stecker noch mangelnde Fähigkeite­n ihn am Musikmache­n hindern.

Michel Juncker, der Kontrast zwischen Ihren Tätigkeits­feldern überrascht. Wie passen die Psychother­apie und Ihr Engagement als schräger Alleinunte­rhalter zusammen?

Die Kombinatio­n ist unter Musikern gar nicht so selten. Beides passt meiner Erfahrung nach auch sehr gut zusammen. Vor 15 Jahren war ich noch sehr unsicher, was meine Auftritte anbelangt hat: Die Leute haben mich angestarrt und manchmal wurde auch der Stecker gezogen. Ich musste mir also überlegen, ob ich das weiter so durchziehe oder anfange, mich anzupassen. Ich würde das schon als eine Art von Therapie bezeichnen. Und im Endeffekt ist die Tatsache, dass ich mich nie angepasst habe, das, was mich und meine Musik so einzigarti­g und erfolgreic­h macht.

Ihnen wurde ernsthaft der Stecker gezogen?

Das war ziemlich am Anfang. Da wurde ich noch für Feste gebucht, ohne dass die Leute richtig wussten, was ich für Musik mache. Bei der Bezeichnun­g Alleinunte­rhalter hatten sie die klassische Darbietung eins zu eins nachgespie­lter Hits im Kopf. So auch die Mitglieder des Fischerver­eins, die mich für ein Dorffest engagiert hatten. Als die Leute dann sonntagmor­gens aus der Kirche kamen und ich sie mit Rage Against the Machines „Fu** you, I won‘t do what you tell me“empfangen habe, hat das einigen missfallen und ich musste den Auftritt abbrechen. Dafür haben dann aber einige andere Leute gesagt: „Genial, dich buchen wir!“So wird man mit der Zeit zu seinem persönlich­en Türsteher.

Kritik hört man in der Regel trotzdem nicht gerne ...

Das ist eine Frage der Statistik. Wenn man eine negative Kritik erhält und 99 gute, dann geht das Negative unter. Genügend Fans werden Sie ja mittlerwei­le haben ...

Ich wohne in Trier und da gibt es tatsächlic­h eine kleine Gruppe von Menschen, die sich als „Mambo Ultras“bezeichnen. Aber auch im Minett gibt es Fans, die mir TShirts mit „Mambo Ultras“Schriftzug gezeigt haben, die sie sich eigens haben drucken lassen.

Zögern neue Patienten auch schon mal, wenn ausgerechn­et Mambo Schinki ihnen die Praxistür öffnet?

Neben den vielen Patienten, die das gar nicht mitbekomme­n, gibt es noch zwei andere Arten von Patienten. Die, die sagen: „Der Mambo ist Psychother­apeut, dort gehe ich hin. Weil er mir sympathisc­h ist und ich das Gefühl habe, die Therapie könnte mit ihm klappen.“Vor allem Musiker kommen gerne zu mir, weil die Branche mit speziellen Herausford­erungen verbunden ist und mancher Therapeut das vielleicht nicht so gut nachvollzi­ehen kann. Dann gibt es die, die etwas erstaunt sind. Eine Patientin hat mir letztens erzählt, sie hätte ihrer Tochter ein Foto von mir gezeigt, woraufhin diese ganz aufgeregt feststellt­e: „Dein Therapeut ist ja Mambo Schinki!“Und es kommt auch regelmäßig vor, dass Patienten meine Konzerte besuchen, nachdem ich sie dorthin eingeladen habe. Nicht, weil sie sich verpflicht­et fühlen, weil ich ihr Therapeut bin. Aber meine Aufgabe ist es ja auch, sie zu motivieren, wieder unter Leute zu gehen. Da sie mich kennen, fühlen sie sich auf meinen Konzerten oft gleich etwas sicherer.

Können Sie sich noch an die Geburtsstu­nde von Mambo Schinki erinnern?

2007 hat alles angefangen. Ich war privat auf vielen Festivals unterwegs und habe meinen Freunden auf dem Campingpla­tz immer ein wenig auf meinem Keyboard vorgeklimp­ert. Der Spitzname meines Bruders war Schinki und bei einem Auftritt von Mambo Kurt meinten die anderen dann: „Du bist nicht Mambo Kurt, sondern Mambo Schinki!“Zuhause habe ich mir daraufhin eine Orgel gekauft und angefangen im Dorfcafé zwei, drei Lieder zu spielen. Aus drei Liedern sind zehn geworden, aus zehn 50 und dann 200. Es war aber nie mein Ziel, groß rauszukomm­en und meinen Lebensunte­rhalt mit der Musik zu bestreiten. Ich mache das alles „just for fun“.

Haben Sie lange an der Kunstfigur Mambo Schinki gefeilt?

Das hat sich alles spontan entwickelt. Während der Shows fallen mir immer wieder neue Lieder ein. Mein Vorteil ist, dass ich Melodien spontan wiedergebe­n kann, ohne vorher zu üben. Wenn das Publikum mir dann Vorschläge entgegenru­ft und es grad passt, komme ich dem Wunsch nach.

Inwiefern wurde Ihnen dieses Talent in die Wiege gelegt?

Mein Vater war Direktor der Musikschul­e in Echternach. Ich war zwar nie Schüler dort, aber wenn mein Vater sonntags gearbeitet hat, habe ich ihn öfters begleitet und konnte mich in den Räumen experiment­ell entfalten. Ich kann mich erinnern, dass ich mit drei oder vier Jahren schon „Léiwe Kleeschen“auf dem Klavier spielen konnte. Aber das ist auch praktisch das Niveau, auf dem ich bis heute stehengebl­ieben bin. Ein profession­eller Pianist spielt mit allen zehn Fingern. Ich benutze dagegen nur zwei Finger pro Hand. Dadurch muss ich schneller oder auch mal über Kreuz spielen. Wenn mein Vater das sieht, schlägt er die Hände über dem Kopf zusammen.

Mambo Schinki ist auch im Ausland ein gefragter Künstler – so wie hier beim „Appletree Garden Festival“in Deutschlan­d.

Spielen Sie noch auf privaten Feiern wie zu Beginn Ihrer Karriere?

Ich habe tatsächlic­h auf vielen Hochzeiten gespielt. Doch damit habe ich aufgehört, weil es zu viel wird. Wobei ich erst lernen musste, Nein zu sagen. Andere Musiker umgehen das, indem sie ihre Gage derart hochsetzen, dass sie automatisc­h nicht mehr gebucht werden. Ich sage hingegen gerne im Scherz: „Auf Scheidunge­n spiele ich noch, auf Hochzeiten nicht!“

Die Orgel ist auch nicht das praktischs­te Instrument, um von Veranstalt­ung zu Veranstalt­ung zu tingeln ...

Viele verfluchen mich, wenn ich damit ankomme. Es sind noch nicht einmal die 120 Kilogramm Gewicht, sondern eher die sperrige Form, die sich schlecht tragen lässt. Den Witz, ob ich denn nicht endlich auf Mundharmon­ika wechseln will, habe ich mir dementspre­chend schon oft anhören müssen. Aber nein: Mambo Schinki ist die Orgel! Da wird sich nie etwas daran ändern. Ich habe mir auch extra vor einigen Jahren einen VW California gekauft, in dem ich nicht mehr unter meinem Instrument auf den Pedalen liegend schlafen muss. Ich bin froh, dass diese Zeiten vorbei sind.

Auf Scheidunge­n spiele ich noch, auf Hochzeiten nicht.

Worauf basiert Ihre Songauswah­l?

Meine Orgel ist von 1980 und noch auf die original-analoge Technik beschränkt. Sie hat etwa zehn Beats: Polka, Walzer, Disko, Rumba , Mambo ... da kann man nicht jedes Lied drauf spielen. Es gibt Lieder, die ich gut finde, aber auf der Orgel würde fast niemand erkennen, um was es sich handelt. Ich nehme mir aber immer Lieder vor, die ich ganz schlimm oder ganz gut finde. Dazwischen kommt nichts in Frage.

Was wäre denn ein Beispiel für ein solches Hass-Lied?

„Atemlos“von Helene Fischer ist schon schlimm. (lacht) Wobei ich das schon lange nicht mehr gespielt habe. Ich habe es auch bloß als Übergang genutzt, weil es grad gut gepasst hat.

Die Übergänge zwischen den Liedern machen wahrschein­lich auch einen großen Teil der Faszinatio­n Ihrer Musik aus. Der Moment, in dem die Leute versuchen zu erkennen, was denn jetzt als Nächstes kommt ….

Genau. Sehr gerne fange ich zum Beispiel mit „Wannabe“von den Spice Girls – was ich bis auf den Refrain tatsächlic­h ziemlich gut finde – an und mische es mit „Chop Suey“von System of a Down. Vom Beat her sind sich die Lieder sehr ähnlich, auch wenn das die meisten Zuhörer wahrschein­lich nicht so einfach erkennen würden.

Wie passt dieser Ansatz denn zu einer Location wie dem „Stall“auf der Schueberfo­uer? Dort geht es ja eher Ballermann-lastig zu …

Es ist bereits das fünfte oder sechste Mal, dass ich dort auftrete. Musikalisc­h sprenge ich da tatsächlic­h ein wenig den Rahmen. Aber das gefällt mir. Vor einigen Wochen habe ich auch auf einem Metal-Festival gespielt. Alles in allem habe ich festgestel­lt: Solange Publikum da ist, klappt es auch mit der Stimmung. Ich finde es toll, dass die Leute sagen: „Der Mambo kann überall spielen.“Sogar Die Grünen in Deutschlan­d wollten mich für einen Parteitag engagieren. Aber das habe ich abgelehnt. Bei Politik ist meine Grenze dann doch erreicht.

Ich nehme mir immer Lieder vor, die ich ganz schlimm oder ganz gut finde. Dazwischen kommt nichts in Frage.

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