Luxemburger Wort

Der nächste große Sprung für die Menschheit

Das Artemis-Programm kämpft weiterhin mit technische­n Problemen, dabei sind die Ambitionen groß – technisch wie philosophi­sch

- Von Thomas Klein

Lange Gesichter und nur wenig Erklärunge­n: Nach einem erneut fehlgeschl­agenen Start der unbemannte­n Mondmissio­n „Artemis 1“sucht die US-Raumfahrtb­ehörde Nasa fieberhaft nach den Gründen. Bei einer Pressekonf­erenz am späten Samstagabe­nd europäisch­er Zeit bemühte sich Nasa-Chef Bill Nelson mit Missionsma­nager Mike Sarafin und NASA-Manager Jim Free um Optimismus. Sie alle konnten aber nur wenige sichere Details und Pläne bestätigen. Fest steht aber, dass es in dieser Woche keinen neuen Launchvers­uch geben wird.

Undichter Tankschlau­ch

Das Team untersuche derzeit, warum genau es zu den Problemen kam und welche Reparature­n nötig seien, erklärte Free. Noch könne man nicht sagen, ob ein erneuter Startversu­ch schon im nächsten (19. September bis 4. Oktober) oder im übernächst­en möglichen Planungsze­itfenster (17. bis 31. Oktober) erfolgen werde. Außerdem sehe es laut derzeitige­m Stand so aus, als müsste die Rakete mit der „Orion“-Kapsel an der Spitze in den Hangar zurück – eine Freigabe für den Verbleib am Launchpad sei bisher nicht erfolgt, sagte Free. Am heutigen Montag und Dienstag will das Team weiter beraten und dann aktualisie­rte Details und Pläne veröffentl­ichen.

Der Start am Samstag war wegen eines undichten Tankschlau­chs abgesagt worden. Mehrere Versuche, dieses Problem während des Betankens mit flüssigem Wasserstof­f zu lösen, waren gescheiter­t. Rund drei Stunden vor dem Beginn eines möglichen Zeitfenste­rs für den Start wurde dieser dann abgesagt. An diesem Punkt seien die Wasserstof­ftanks zu elf Prozent gefüllt gewesen, hieß es weiter.

Im Dezember werden es 50 Jahre, dass zuletzt ein Mensch den Mond betreten hat. Das ApolloProg­ramm der NASA stand in den 1960er und 70er Jahren einerseits ganz im Zeichen im Kalten Krieg. Anderersei­ts war es aber auch ein Symbol dafür, was menschlich­e Vorstellun­gskraft und Erfindungs­geist erreichen können. So war die erste Mondlandun­g nach den Worten von Neil Armstrong „ein großer Sprung für die Menschheit“.

Nach dem Ende des Kalten Krieges war es aber deutlich ruhiger um die Weltraumag­entur geworden. Die Budgets schrumpfte­n, aus den großen Sprüngen wurden kleine Hüpfer. Mit dem neu gestartete­n Artemis-Programm soll sich das nun wieder ändern. Die großen Ambitionen sind zurück.

Gleich mehrere Grenzen sollen im Rahmen von Artemis durchbroch­en werden. So will man bis 2025 nicht nur wieder Menschen zurück zum Mond bringen, diesmal will man bleiben. Eine dauerhafte Mondstatio­n soll errichtet werden. Der Erdtrabant soll dabei indes nur eine Zwischenst­ation auf dem Weg zum Mars sein.

Schwierige Generalpro­be

Der erste Schritt dazu sollte eigentlich am Samstag der Start der neu entwickelt­en „Space Launch System (SLS)“-Rakete sein. Aber bereits zum zweiten mal wurden Weltraumen­thusiasten auf der ganzen Welt enttäuscht, die im Livestream beobachten wollten, wie der 30 Stockwerke hohe Koloss, der vom US-Hersteller Boeing gebaut wird, vom Kennedy Space Center in Florida abhebt. Der erste Startversu­ch vergangene­n Montag war bereits wegen eines Lecks an den Wasserstof­ftanks abgebroche­n worden.

„Der Start ist so eine Art Generalpro­be“, sagte Pete Worden, der frühere Direktor des Ames Research Center, eine der wichtigste­n Forschungs­einrichtun­gen der NASA, im Interview mit dem „Luxemburge­r Wort“. „Bevor wir Menschen damit transporti­eren, wollen wir sicherstel­len, dass alles funktionie­rt. Wir testen die Lebenserha­ltungsund Kontrollsy­steme.“Der bemannte Teil von Artemis wird dabei wohl frühestens 2025 beginnen. Im Unterschie­d zu den Apollo-Missionen der Vergangenh­eit soll diesmal aber eine langfristi­ge Präsenz auf dem Mond etabliert werden. Eine Mondstatio­n wird dauerhaft Astronaute­n beherberge­n.

Ein zentraler Grund dafür, dass das möglich ist, besteht für Pete Worden darin, dass wichtige Ressourcen auf dem Erdtrabant­en entdeckt wurden, vor allem Wasser. „Dadurch wird es deutlich attraktive­r, für einen längeren Zeitraum Forschungs­stationen einzuricht­en und dort sogar dauerhaft Menschen wohnen zu lassen“, sagt er. Man könne Wasser mithilfe von Solarenerg­ie in Wasserstof­f und Sauerstoff auftrennen, um zum einen die Besatzung zu versorgen, und zum anderen, um Treibstoff für die Raketen zu gewinnen.

Zunächst würden die vor Ort gefundenen Ressourcen unmittelba­r dazu dienen, die Station zu betreiben, aber langfristi­g kann sich der Wissenscha­ftler auch den kommerziel­len Bergbau auf dem Mond vorstellen. „Wir werden nicht sofort damit anfangen, Dinge zur Erde zu bringen. Aber es gibt eine Menge verschiede­ner Metalle dort. Über Milliarden Jahre wurde der

Mond mit Metallen aus dem Weltraum bombardier­t“, sagt Pete Worden.

Geopolitik im Weltraum

Einige davon, wie Platingrup­penmetalle, könnten wertvoll genug sein, dass es irgendwann wirtschaft­lich wäre, sie zur Erde zu transporti­eren. Auf eine solche Entwicklun­g wettet auch die Luxemburge­r Regierung, die zu einem weltweiten Zentrum für Firmen werden will, die mit dem Abbau von „Space Resources“Geld verdienen. Ein Beispiel für einen Luxemburge­r Beitrag zum Artemis-Programm ist die Firma iSpace mit Sitz in der Hauptstadt, die von der NASA den Auftrag erhielt, einen Mondrover zu entwickeln, der Materialie­n am Südpols des Monds abtragen kann.

Aber warum will die Weltraumag­entur nach 50 Jahren Pause dem Erdtrabant­en ausgerechn­et jetzt wieder einen Besuch abstatten? Sicherlich spielt die wieder zunehmende Konkurrenz im Weltraum eine Rolle. So haben in den letzten Jahren andere Länder wie China, Indien und Japan ebenfalls unbemannte Missionen zum Mond unternomme­n. So erklärte auch China, im kommenden Jahrzehnt gemeinsam mit Russland eine eigene Mondbasis errichten zu wollen. Dass die neue Begeisteru­ng für die Raumfahrt und die neu aufflammen­de Systemkonk­urrenz zu Autokratie­n zeitlich zusammenfa­llen, dürfte kein Zufall sein.

Erste Astronauti­n auf dem Mond

Viele der Ziele der Mission wären weitaus kostengüns­tiger zu erreichen gewesen, wenn man Roboter anstelle von Astronaute­n auf

Botschafte­r Thomas M. Barrett betont die verbindend­e Kraft der Raumfahrt.

Es wird immer Menschen geben, die erreichen möchten, was noch nie zuvor erreicht wurde. Thomas M. Barrett, US-Botschafte­r in Luxemburg

Pete Worden ist der frühere Direktor des Ames Research Center der NASA.

den Mond geschickt hätte. Aber wie bei den Apollo-Missionen geht es auch bei Artemis nicht nur um die wissenscha­ftlichen und wirtschaft­lichen Aspekte, sondern der Aufbruch zu neuen Grenzen wird ausdrückli­ch auch als philosophi­sche Anstrengun­g verstanden.

„In der gesamten Geschichte der Menschheit gab es Entdecker. Es gab immer Menschen, die als erste die Spitze des Berges erklimmen oder ans Ende des Kontinents gelangen wollen. Es wird immer jemanden geben, der erreichen möchte, was noch nie zuvor erreicht wurde“, sagte Thomas M. Barrett, der amerikanis­che Botschafte­r in Luxemburg, dem „Luxemburge­r Wort“.

Daneben ist es ein erklärtes Ziel der Mission, erstmals auch weibliche und ethnisch nicht-weiße Astronaute­n auf den Mond zu bringen. Der Name Artemis ist daher nicht zufällig gewählt, ist die Göttin des Mondes doch die Zwillingss­chwester des Sonnengott­es Apollo, nach dem die erste Mondmissio­n benannt wurde. „Über Jahrzehnte wurden diese Dinge von weißen Männern gemacht. Es ist aber wichtig, dass unser Space Programm die gesamte Gesellscha­ft reflektier­t“, sagte Thomas Barret.

Die Kooperatio­n im Weltraum könne dazu beitragen, die geopolitis­chen und gesellscha­ftlichen Risse zu kitten, die sich aktuell auftun. „Je mehr Nationen hier zusammenar­beiten, desto besser für die Menschheit“, sagt Barrett. Denn Artemis ist nicht das alleinige Vorhaben der NASA, sondern wichtige Beiträge kommen von Partnern wie der europäisch­en ESA und der japanische­n Weltraumbe­hörde sowie von privaten

Das Space Launch System (SLS) soll der neue „Packesel“der NASA für künftige Missionen werden.

Unternehme­n wie SpaceX oder Blue Origin. Der nächste Schritt in der Erforschun­g des Weltalls steht dabei für die Wissenscha­ftler der NASA schon fest. „Der Mond ist nur der Testlauf, um zum Mars zu fliegen. Wir wollen Menschen auf dem Mars sehen. Wahrschein­lich in den 30er Jahren dieses Jahrhunder­ts“, sagt Pete Worden. Der Mars habe mehr Ressourcen als der Mond. Es gebe mehr Wasser und eine dünne Atmosphäre, die es erleichter­n würden, dauerhafte Siedlungen zu errichten. „Ich denke, in den 2030ern werden wir Hunderte, Tausende, vielleicht Zehntausen­de Menschen haben, die auf dem Mars leben“, sagt er.

Wann der nächste Versuch des Artemis-Starts unternomme­n werden soll, steht derzeit noch nicht fest. Auch die längste Reise beginnt bekannterm­aßen mit dem ersten Schritt. Und der ist oft der schwerste. mit dpa

In den 2030ern werden hunderte, tausende, vielleicht zehntausen­de Menschen auf dem Mars leben. Pete Worden, früherer Direktor des Ames Research Center

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Foto: NASA
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Foto: US-Botschaft
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