„Die neue Sissi“
Vicky Krieps spricht über ihre Rolle in „Corsage“
Am 7. September läuft Marie Kreutzers Historiendrama „Corsage“– eine Koproduktion von Samsa Film – in den hiesigen Kinos an. Hierfür schlüpfte Vicky Krieps in die Rolle der Kaiserin Elisabeth. Das „Luxemburger Wort“hat sich mit der Regisseurin und mit der luxemburgischen Schauspielerin, die für ihre Darstellung als Kaiserin Sissi gleich mehrfach ausgezeichnet wurde, unterhalten.
Vicky Krieps, werden Frauen heute auch noch in ein Korsett, also in bestimmte Rollen gezwängt?
Ich würde sagen, dass das größere Problem ist, dass Frauen wie auch Männer sich selber in ein Korsett oder in Rollen zwängen beziehungsweise drängen. Ich habe dabei ein wenig das Gefühl, dass wir das Außen, also unsere Umwelt, nicht mehr brauchen, um diesen Druck zu erzeugen. Sondern wir machen das gerade alle selber. Entweder durch die Sozialen Medien oder einfach durch die Art und Weise, wie wir uns selbst die ganze Zeit von außen beobachten. Das hat man früher eben nicht gemacht. Früher hat man nicht ständig ein Bild von sich selbst auf Abruf gehabt. Wir sehen uns ja nicht nur im Spiegel, sondern auch auf unserem Handy. Und ich würde sagen, dass das einen unglaublichen Druck erzeugt, bezüglich wer wir sind, wie wir auszusehen haben und wie wir uns verhalten müssen.
Könnte die Figur der modernen und schlagfertigen Kaiserin Elisabeth für heutige Mädchen und Frauen ein Vorbild sein?
Vorbild oder Warnung vielleicht eher. Ich meine, sie leidet sehr darunter, also unter dem Druck der Gesellschaft. Sie ist magersüchtig – das ist etwas ganz Schlimmes, daran kann man sterben. Ich habe das Gott sei Dank nicht selbst erlebt, aber in meinem Umkreis. Also ich würde nicht sagen, dass sie ein Beispiel ist, wie man gut damit umgeht, aber was der Film zeigt, ist, wie man daran festhält, nicht aufgibt und trotz alldem weitermacht. Auch wenn man in eine Position gebracht wird, die man nicht für richtig empfindet oder einem Unrecht angetan wird. Oder man zum Beispiel abgelehnt oder in irgendeiner Form festgehalten wird – sei es von einem Mann, von der Gesellschaft, von der Familie. Der Film zeigt allerdings auch, wie man in sich im Inneren eine kleine Festung bauen kann, einen Ort findet, an dem man festhält. Ein Ort, an dem man stark wird und weitergeht.
Nach der Rolle der Kaiserin Elisabeth spielen Sie nun im Film „Bachmann & Frisch“die berühmte Schriftstellerin Ingeborg Bachmann. Hat es für Sie einen bestimmten Reiz, solch große Frauen zu verkörpern?
Nein. Also das ist vielmehr eine Abschreckung, das ist eher etwas, was ich nicht suche. Solche Rollen machen natürlich Angst und dabei stellt sich mir auch die Frage, wie ich das machen soll, damit ich diesen Menschen gerecht werde. Es ist eher so, dass die Rollen mich finden, wo sie dann Sinn machen, aber eher aus dem Drehbuch heraus. „Bachmann &
Frisch“ist auch ein Film, der über die Situation der Frau spricht. In dem Fall eine denkende, schreibende Frau. Sie war an der Macht ihres Intellekts, sie konnte und durfte sich ausdrücken. Und dennoch steckte sie in einem ganz anderen Korsett. In einem ähnlichen Korsett, wie vielleicht Kaiserin Elisabeth, aber in einer ganz anderen Zeit. Heute sind wir in einer ganz neuen Zeit, in der wir dieses Korsett selbst anlegen.
Inwiefern informieren Sie sich zuvor über derartige historische Persönlichkeiten?
Sehr viel. Also das muss man schon machen. Ich glaube, das macht eigentlich jeder Schauspieler und jede Schauspielerin. Immerhin wollen wir immer alles möglichst richtig machen. Also ich erlerne erst alles, was ich kann, über diese Person – und schmeiße es dann aber meistens weg. Und dann ist das Erlernte wie so eine Art Werkzeug, das ich benutzen kann oder eben nicht. Aber es ermöglicht mir sozusagen, die Person lebendig werden zu lassen. Aber das ist schon sehr viel Arbeit. Gerade bei Sissi („Corsage“) habe ich sehr viel vorarbeiten und mich vorbereiten müssen, weil der Film in einer
Zeit spielt, die einfach enorm weit
Heute sind wir in einer ganz neuen Zeit, in der wir dieses Korsett selbst anlegen.
weg zurück liegt. Ich musste mich unter anderem über die ganzen Körperlichkeiten und die höfischen Regeln informieren. Ich habe sehr viel über die Frauen zu der Zeit gelesen.
Wie gestaltete sich dieser Prozess denn bei „Bachmann & Frisch“?
Bei „Bachmann & Frisch“war es eher umgedreht. Da habe ich von mir aus schon sehr viel über die damalige Zeit und Ingeborg Bachmann gewusst. Also zumindest ihre Literatur, ihre Gedichte waren mir bekannt. Und dann habe ich mich erneut damit befasst, also auch mit dem Leben der Schriftstellerin. Daneben habe ich versucht, in ihre Gedichte einzutauchen. Und plötzlich ist mir einfach ein eiskalter Schauer über den Rücken gelaufen, weswegen ich den Stoff dann einfach liegen gelassen habe. Dann habe ich das der Regisseurin geschrieben – das war zwei Wochen vor Drehbeginn, was eigentlich die „heiße“Phase ist. Aber das kommt dann schon. Im Nachhinein war dann alles da. Es ist ein wenig wie, mit Tieren zu arbeiten. Ich habe das Gefühl, eine Rolle, ein Drehbuch, muss wie ein Tier gezähmt werden: Wie weit hole ich es ran,