„Optimismus ist die angenehmere Variante“
Schauspielerin Johanna Wokalek über die Haltung der Gesellschaft, ihre Seetauglichkeit und den Reiz von Komödien
Sie war „Die Päpstin“und verkörperte die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin in „Der Baader Meinhof Komplex“: Schauspielerin Johanna Wokalek (47) ist schwerpunktmäßig, aber nicht ausschließlich, in ernsten Rollen gefragt. In ihrer Mini-Serie „Liberame – Nach dem Sturm“(ab heute 20.15 Uhr im ZDF) brechen einige Freunde zu einem Segeltörn im Mittelmeer auf. Der sorglose Trip findet ein jähes Ende, als man einem völlig überfüllten, manövrierunfähigen Flüchtlingsboot begegnet.
Johanna Wokalek, eine Serie wie diese ist in erster Linie gute Unterhaltung, sie basiert aber auf bitteren Wahrheiten unserer Gesellschaft. Kann ein solcher Mehrwert den Ausschlag geben, dass Sie für eine Rolle zusagen?
Ja. Ich fand es im Drehbuch gut erzählt. Ich habe natürlich mit dem Regisseur Adolfo Kolmerer gesprochen und fand es auch aus seiner eigenen Geschichte heraus sehr schlüssig, dass er diese Serie mit uns erzählen und drehen möchte. Wir leben in einer Zeit, in welcher der Syrien- und der Ukrainekrieg wüten und damit das Schicksal der Geflüchteten zu unserem Thema geworden ist. Diese Serie versucht, davon zu erzählen und uns in diesem Fall die anonyme Zahl von Geflüchteten näherzubringen, indem man über Einzelschicksale so spricht, dass diese Menschen ein Gesicht bekommen. Das war ausschlaggebend dafür, dass ich gesagt habe: „Ich bin dabei!“
Die Hauptfiguren werden von jetzt auf gleich in eine sehr einschüchternde Extremsituation geworfen. Konnten Sie nachvollziehen, dass sie zwischen Vernunft, Ängsten und Gewissen hin- und hergerissen sind?
Das konnte ich absolut nachvollziehen. Wir haben uns beim Drehen auch selbst Fragen gestellt: Wie würde ich handeln? Wie würde ich mich in dieser Situation verhalten? Letztlich ist das das Plus der Serie. Sie konfrontiert auch den Zuschauer immer wieder mit ebendiesen Fragen.
Die fünf Freunde stehen mit ihren unterschiedlichen Haltungen sinnbildlich für die Positionen, die unsere Gesellschaft und Europa zu dem Thema vertritt – wenn man das überhaupt in nur fünf Figuren erfassen kann. Sie zeigen die verschiedenen Facetten persönlicher Haltungen in diesem Flüchtlingsdilemma. Das Interessante daran, wie Adolfo Kolmerer das zu erzählen versucht, ist, dass er diesen Figuren nicht moralisch wertend begegnet, sondern jeder einzelnen Figur folgt und zeigt, wie sie sich in ihrem persönlichen Konflikt gegenüber diesen Geschehnissen verhält. Das gefällt mir. Er wertet das nicht, er zeigt es uns nur. Er macht es für uns als Zuschauer lebendig. Und wir sind gefragt, sich demgegenüber zu verhalten.
Im Nachhinein spricht ein Beteiligter davon, man habe „Urlaub auf einem Massengrab“gemacht. Assoziieren
Sie mit dem Mittelmeer heute auch den Tod zehntausender Flüchtender?
Ich glaube, dass wir als Menschen das immer wieder verdrängen. Diese Serie trägt einen Teil dazu bei, uns das wieder bewusst zu machen. Für mich war das Schöne, dass ich mit Kenda Hmeidan, die die junge syrische Mutter spielt, die ihr Kind verloren hat, sehr schöne Begegnungen hatte. Ich habe abseits der Dreharbeiten sehr viel mit ihr gesprochen, auch über ihre persönliche Geschichte. Wie sie und ihre Familie aus Syrien gekommen sind, wie sie jetzt versucht, als syrische Schauspielerin in Deutschland Fuß zu fassen, wie sie Deutsch lernt, wie sie am Gorki Theater spielt, was uns ähnlich ist und was unsere Unterschiede sind. Sie ist eine wunderbare Schauspielerin, die in Damaskus
ihre Ausbildung gemacht hat. Sich diese Zeit zu nehmen, sich tatsächlich zu begegnen und neugierig aufeinander zu sein, öffnet viele Türen. Wir sind alle nur Menschen und wir wollen alle nur das eine, nämlich hoffentlich zufrieden leben. Diese ganzen Barrieren und Vorurteile entstehen überwiegend aus Ängsten, die wir abbauen müssen. Und die bauen sich wunderbar ab, wenn man sich begegnet und miteinander spricht. Das ist die Grundvoraussetzung für unser aller Miteinander: Wir müssen miteinander reden.
Man kann kein glückliches Leben führen, wenn man sich jeden Tag das ganze Leid und die Ungerechtigkeiten dieser Welt auf die Schultern legt. Wie gehen Sie mit den Gedanken daran um?
Wir leben momentan in sehr bewegten, aufregenden, aufwühlenden und auch beklemmenden Zeiten. Daher ist es wichtig und notwendig, dass wir uns zum Beispiel in die junge syrische Ärztin, die so viel verloren hat, hineinversetzen und versuchen, ihr Schicksal
ansatzweise nachzuvollziehen. Das kann dieser Film hoffentlich leisten. Was dieser Verlust des Zuhauses, die Zerstörung einer Stadt, die man liebt, in der man groß geworden ist und die Verunmöglichung der Rückkehr an einen Ort, an den man gerne wieder zurück möchte, bedeuten.
Und die Schwierigkeit, in einer neuen Sprache und einer ganz anderen Welt anzukommen. Man muss sich ganz neu installieren.
Die internationalen Flüchtlingsströme werden auch im Zuge der Klimaerwärmung deutlich zunehmen. Könnten Sie sich vorstellen, Flüchtlinge aufzunehmen?
Das kann ich so auf die Schnelle nicht sagen. Für einen verabredeten Zeitraum könnte ich es mir vorstellen. Das Entscheidende ist eigentlich: Wenn man sich dazu entschließt, muss man sich wirklich darauf einlassen, dass man sich längerfristig bindet und sich mitverantwortet. Man kann nicht sagen: „Ich kann jetzt aber nicht mehr. Jetzt ist mir alles viel zu viel. Jetzt weg!“Es ist nicht einfach. Schon ein „normales“harmonisches Familienleben ist eine tägliche Herausforderung. Man muss sich im Klaren sein, ob das alles belastbar genug ist, um diesen Schritt einzugehen.
Es ist die junge Generation, die in der Serie am ehesten zusammenfindet. Haben Sie große Hoffnungen, dass es die Jugend von heute einmal besser macht als wir?
Ja, natürlich! Ich habe sogar die Hoffnung, dass wieder eine Besinnung und ein Bewusstsein einkehren. Sie werden hoffentlich merken, dass direkte Kommunikation gefeiert werden muss und etwas ganz Einzigartiges ist. Außerdem merken sie dadurch, dass die Absorbierung der eigenen Zeit in die
Es ist schwierig und harte Arbeit, eine Komödie zu drehen.
Sich diese Zeit zu nehmen, sich tatsächlich zu begegnen und neugierig aufeinander zu sein, öffnet viele Türen.
andere Realität nicht wirklich befriedigend ist. Ich verfolge das alles mit großem Interesse und rede viel mit jüngeren Kolleginnen darüber, die bei Social Media mitmachen. Ich selbst mache das ja gar nicht. Es interessiert mich aber, denn es ist eine große Veränderung in unserer Gesellschaft.
Sind Sie ein optimistischer Mensch?
Ja. Ich bin einfach optimistisch, weil das die angenehmere Variante ist. (lacht)
Ihre Figur in „Liberame“gehört zu zahlreichen Ihrer Charaktere, die nicht viel zu lachen haben. Ihr Ausflug in die Komödie mit „Beckenrand Sheriff“wurde mit dem Bayrischen Filmpreis bedacht. Macht das Lust auf mehr?
Ja. Wenn es gut geschrieben ist, auf jeden Fall. Es ist schwierig und wirklich harte Arbeit, eine Komödie zu drehen. Es war eine schöne Erfahrung. Es kommt immer darauf an – ob Komödie oder ernsthaft – dass ich Lust auf die Figuren habe. Ich bin aber viel zu neugierig, um mich da festzulegen. Ich bin neugierig auf diese verschiedenen Erfahrungen und bin auf jeden Fall auch wieder bei Komödien dabei, wenn ich auf die Figur Lust habe. Mir gefällt die Wasserballtrainerin, die wir erfunden haben, weil sie so eigen und ein bisschen ungewohnt komisch ist.
Sind Sie eigentlich seetauglich?
Ich bin absolut seetauglich und war dankbar dafür. Beim Dreh auf Malta haben aber einige, die regelmäßig auf Schiffen sind, gesagt, die Seekrankheit könne einen trotzdem jederzeit überfallen. Ich war schon mal vor vielen Jahren segeln und hatte da bisher noch nie Probleme. Ich bin seetauglich! (lacht)