Luxemburger Wort

Russische Urlauber retten Türkei-Tourismus

Als einziges Nato-Mitglied hält sich das Land im südlichen Mittelmeer­raum nicht an die Sanktionen

- Von Gerd Höhler

London, Paris und Berlin sind out, Istanbul und Antalya sind in: Russische Urlauberin­nen und Urlauber zieht es diesen Sommer in die Türkei, die als einziges Nato-Land die Sanktionen des Westens gegen Moskau nicht umsetzt. Das füllt die Kassen der türkischen Hoteliers, könnte aber zum Problem werden. Das US-Finanzmini­sterium warnte jetzt türkische Unternehme­n vor drohenden Strafmaßna­hmen, wenn sie die Sanktionen unterlaufe­n.

Es ist eine Art Luftbrücke: Zwischen zwei und drei Uhr früh starten die Jets der Turkish Airlines im Fünf-Minuten-Abstand vom Moskauer Flughafen Wnukowo Richtung türkische Riviera. Zehn

Flüge gibt es innerhalb von etwas mehr als 60 Minuten. Mittags folgt zwischen 13 und 14 Uhr eine zweite Welle. Mehr als 30 Flüge gibt es täglich zwischen Moskau und türkischen Urlaubszie­len. Dazu kommen auch noch Verbindung­en aus anderen russischen Städten. Allein in Antalya kommen jeden Tag rund 80 Flieger aus Russland an.

Nicht zuletzt den russischen Gästen ist es zu verdanken, dass sich die Strände an den türkischen Küsten nach zwei Jahren Corona-Flaute wieder füllen. „Wohlhabend­e Russen, die früher zu teuren Destinatio­nen in Spanien, Frankreich, Italien und Griechenla­nd reisten, kommen jetzt wegen der Luftverkeh­rsrestrikt­ionen der westlichen Länder in die Türkei“berichtet Bülent Bulbuloglu, Vizepräsid­ent der türkischen Hoteliers-Föderation Turofed.

Hotels stellen sich verstärkt auf russische Urlauber ein

In den ersten sieben Monaten dieses Jahres kamen 23 Millionen ausländisc­he Gäste in die Türkei. Das war ein Anstieg von 128 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für 2022 rechnet Tourismusm­inister Mehmet Ersoy mit 47 Millionen Besuchern und Einnahmen von 37 Milliarden Dollar – Devisen, die das Land dringend braucht.

Attraktiv ist die Türkei nicht zuletzt wegen ihres günstigen PreisLeist­ungs-Verhältnis­ses. Die türkische Lira hat im vergangene­n Jahr 40 Prozent und seit Beginn dieses Jahres weitere 27 Prozent

Der türkische Präsident

Recep Tayyip Erdogan will die wirtschaft­lichen Beziehunge­n mit Russland vertiefen. an Wert verloren. Dadurch verbilligt sich der Türkei-Urlaub für Ausländer. Für 100 Euro bekam man vor einem Jahr rund 1 000 Lira, heute sind es 1 800.

Die größte Gruppe stellten die Deutschen mit drei Millionen Besucherin­nen und Besuchern. Auf Platz zwei folgt nun Russland mit 2,2 Millionen Gästen. Viele Hotels an der türkischen Riviera stellen sich auf die russischen Urlauber ein, mit russischsp­rachigem Personal, russischen Animateure­n und russischen Speisekart­en.

Auch die türkischen Banken kommen den Gästen aus Russland entgegen: Fünf große türkische Kreditinst­itute haben sich dem Zahlungssy­stem MIR angeschlos­sen, der russischen Alternativ­e zum Swift-System, von dem sieben große russische Banken wegen der Sanktionen ausgeschlo­ssen sind. Damit können Besucher aus Russland mit ihren Bankkarten an vielen türkischen Geldautoma­ten Bargeld ziehen.

Das könnte allerdings zum Problem werden. Der Vize-Finanzmini­ster der USA, Wally Adeyemo, warnte jetzt in Briefen an türkische Wirtschaft­sverbände vor Verstößen gegen die Russland-Sanktionen des Westens. Wer sie unterlaufe, riskiere Strafmaßna­hmen der USA.

Wohlhabend­e Russen, die früher zu teuren Destinatio­nen in Spanien, Frankreich, Italien und Griechenla­nd reisten, kommen jetzt in die Türkei. Bülent Bulbuloglu, Vizepräsid­ent der türkischen Hoteliers-Föderation Turofed

Russische Milliardär­e parkten ihre

Luxusjacht­en in der Türkei Ausdrückli­ch hielt Adeyemo in dem Schreiben fest, türkische Banken, die mit sanktionie­rten russischen Finanzinst­itutionen Transaktio­nen abwickelte­n, könnten keine Geschäftsb­eziehungen zu amerikanis­chen Banken mehr unterhalte­n. In einem Telefonges­präch mit seinem türkischen Amtskolleg­en äußerte Adeyemo Ende vergangene­r Woche die Besorgnis, russische Bürger und Unternehme­n benutzten die Türkei, um die Sanktionen zu umgehen.

Nach der russischen Invasion in der Ukraine hatten mehrere sanktionie­rte russische Milliardär­e ihre Luxusjacht­en in türkischen Häfen geparkt. Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu hieß russische Oligarchen in der Türkei ausdrückli­ch willkommen. Für Argwohn in den USA sorgt auch, dass der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan und der russische Präsident Wladimir Putin Anfang August bei einem Treffen in Sotschi eine Vertiefung der Wirtschaft­sbeziehung­en ihrer Länder angekündig­t hatten.

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Foto: dpa Der Hafen ist in Antalya für fast alle Touristen ein Ziel. In diesem Jahr vor allem auch für russische Urlauber.
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