Gnadenlos ausgesetzt
Drei Wochen nicht kooperiert, Ultimatum gesetzt und weitere drei Wochen danach vor die Haustür der Großeltern gefahren. Obwohl sie mit allen Mitteln klar gemacht hatten, dass sie sich mit 79 und 84 Jahren und selber krank nicht im Stande fühlen, ihren schwer pflegebedürftigen Enkel von 28 Jahren zu versorgen. Geschweige denn, dass das Haus dafür ausgestattet wurde und die Pflege, über das morgendliche und abendliche Waschen durch einen Pflegedienst und den Besuch eines Physiotherapeuten hinaus, organisiert war. Und auch die Frage, wer diese Leistungen verschreibt und sich weiter um die Versorgung kümmert, nicht geklärt war.
Es mag nicht oft so zugehen, wenn ein Patient aus dem nationalen Rehazenter nach Hause geschickt wird, aber jeder Fall ist einer zu viel – so etwas darf nicht passieren und sollte Konsequenzen nach sich ziehen. Zumal die Finanzierung des Rehazenters als nationaler Service – genauso wenig wie die all der anderen Krankenhausstrukturen Luxemburgs – nicht von ihrer Wirtschaftlichkeit abhängt. Oder verlangt die CNS tatsächlich, dass Patienten, die aus welchen Gründen auch immer bei einer Therapie nicht ausreichend Fortschritte machen, einfach ausgesetzt werden?
Auf die Gefahr hin, dass sie in einem Centre hospitalier landen und über Monate ein Akutbett belegen? Oder dass freischaffende Ärzte entgegen der Gesetzeslage einen Teil ihrer Vergütung an die Krankenhäuser abgeben müssen, wie es im CHL Usus ist und im Rehazenter bei einem Psychiater eingeführt werden sollte?
Mit der Aufnahme von besagtem Patienten nach einer sorgfältigen Evaluation hat das Rehazenter Verantwortung für diesen übernommen und auch dafür, dass seine Pflegekette aufgebaut ist, wenn er die Einrichtung verlässt. Gerade in dieser Hinsicht liegt vieles in Luxemburg noch im Argen. Der ganze Fragenkomplex des sogenannten virage ambulatoire, zu dem auch der geregelte Übergang des Patienten von der stationären Versorgung in einem Spital zur ambulanten Versorgung zuhause oder in einer Wohnstruktur gehört, wird seit Jahren vernachlässigt. Er stellte sich schon, seit 2006 mit der Dezentralisierung der Psychiatrie Patienten entlassen werden, die nur noch kurzfristig in den psychiatrischen Abteilungen der Krankenhäuser verbleiben dürfen. Und er wird immer akuter, je mehr die ambulante Chirurgie ausgebaut wird.
Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) hat sich vor kurzem schon einmal schützend vor das Rehazenter gestellt, dessen Verwaltungsrat von einem Vertreter ihres Ministeriums präsidiert wird. Sie hat es entschuldigt und gerechtfertigt, dass einem Psychiater ein gesetzeswidriger Vertrag vorgelegt wurde. Sie hat auch in Aussicht gestellt, dass im Rehazenter im September ein medizinischer Direktor genannt wird – auch dieser Posten ist vakant, seit im März 2021 ein neuer Generaldirektor übernahm. Sie ist damit konfrontiert, dass die medizinische Versorgung zunehmend in Frage gestellt ist und die freien Stellen bislang nicht besetzt werden konnten. Was sagt sie dazu, dass ein nationaler Service sich das Recht herausnimmt, seine Versorgung auf willige und unkomplizierte Patienten zu beschränken und andere vor die Tür zu setzen?
Das Rehazenter muss für eine Pflegekette sorgen, bevor es Patienten entlässt.
Kontakt: annette.welsch@wort.lu