„Muss mich wichtigeren Dingen widmen“
Der Traum vom Titel in New York ist zerplatzt, doch Rafael Nadal plant schon die Zukunft
Rafael Nadal wollte nur noch nach Hause. „Ich muss mich wichtigeren Dingen widmen als dem Tennis“, sagte der Grand-Slam-Rekordchampion, als seine Titelmission bei den US Open gescheitert war. Jetzt zähle nur noch die Geburt seines ersten Kindes, das Ende Oktober zur Welt kommen soll. Nadal verabschiedete sich auf unbestimmte Zeit von den Center Courts.
„Ich habe derzeit keine Ahnung, wie mein Zeitplan aussieht“, sagte der 36 Jahre alte Mallorquiner: „Das Privatleben ist immer viel wichtiger als mein Job. Es ist Zeit für einen Neustart. Es waren ein paar harte Monate.“Die für ihn sportlich enttäuschend endeten.
Die 4:6, 6:4, 4:6, 3:6-Niederlage gegen den US-Amerikaner Frances Tiafoe bedeutete nicht allein, dass Nadal zumindest vorerst den 23. Majortitel abhaken muss. Es steht auch ein großes Fragezeichen hinter dem möglichen Sprung das Spaniers an die Spitze der Weltrangliste. Der Norweger Casper Ruud und Nadals Landsmann Carlos Alcaraz könnten den Routinier
mit einem Finaleinzug in New York überflügeln.
Chancenlos wie selten
„Es zeigt, dass die Jahre vorbei gehen. Das ist der Kreis und die Realität des Lebens“, sagte Nadal angesichts der Aussicht auf ein neues Gesicht an der Spitze.
Er selbst war gegen den groß aufspielenden Tiafoe, der unter anderem von Basketball-Star LeBron James Glückwünsche erhielt, chancenlos. Nadal wirkte in diesem Spiel nie wirklich überzeugend, unbeweglicher und weniger bereit, um jeden Ball zu kämpfen, wie er es sonst eigentlich immer tut. Auch sein neunminütiger Aufenthalt in der Kabine nach dem Verlust des ersten Satzes warf Fragen auf.
Im zweiten Durchgang konnte er sein Spiel etwas stabiler gestalten, als ihm ein Doppelfehler von Tiafoe zum Satzgewinn verhalf.
Doch der US-Amerikaner ging im Anschluss wieder aggressiver zu Werke und spielte phasenweise sensationelles Tennis, wobei ihm auch die schwierigsten Schläge mit scheinbar traumwandlerischer Sicherheit gelangen.
Als Tiafoe nach dreieinhalb Stunden seinen zweiten Matchball verwandelte, kippte er vor Freude fasst um und konnte das Ausmaß seiner Leistung, sicherlich die beste seiner Karriere, noch gar nicht fassen. Dem 24-Jährigen fiel es nach dem Triumph über die Tennislegende sichtlich schwer, seine Tränen zu unterdrücken. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, ich kann es einfach nicht glauben! Ich habe unglaubliches Tennis gespielt, ich weiß nicht, was passiert ist“, sagte er.
Für Nadal hingegen war der Unterschied zwischen beiden Tennisspielern einfach zu erklären: „Ich habe ein schlechtes Match gespielt und er ein sehr gutes. Ich war nicht in der Lage, ihn zurückzudrängen. Die Qualität meiner Schläge und mein Spielverständnis
waren schlecht.“Die Folge war das Ende seiner beeindruckenden Serie von 22 Match-Erfolgen bei Grands Slams in diesem Jahr. In Melbourne und Paris gewann der Linkshänder den Titel, in Wimbledon konnte er aufgrund einer Bauchmuskelverletzung nicht zu seinem Halbfinalspiel antreten.
Generationswechsel eingeläutet
Mit dem Ende des Grand-SlamJahres rangiert er weiter mit 22 Majortiteln vor dem Serben Novak Djokovic (21) und dem Schweizer Roger Federer (20). Immer mehr zeichnet sich dabei ein Generationenwechsel ab, was eine erstaunliche Statistik belegt. Bei den US Open ist es das erste Mal seit 2003 der Fall, dass weder Nadal noch Djokovic, Federer oder Serena Williams im Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers stehen. Zum dritten Mal in Serie wird zudem bei den US Open keiner der „großen Drei“den Titel gewinnen. 2020 und 2021 hatten Dominic Thiem und Daniil Medvedev triumphiert.
Tiafoe würde nur allzu gerne ihr Nachfolger werden. Er ist mit 24 Jahren der jüngste US-Amerikaner seit Andy Roddick 2006, der das Viertelfinale der US Open erreichte. „Jetzt kann ich meinen Kindern und Enkeln erzählen: Ja, ich habe Rafa geschlagen“, sagte Tiafoe, der nun im Viertelfinale auf den Russen Andrey Rublev treffen wird. dpa/AFP/ak
Das Privatleben ist immer viel wichtiger als mein Job. Es ist Zeit für einen Neustart. Rafael Nadal
Ich habe unglaubliches Tennis gespielt, ich weiß nicht, was passiert ist. Frances Tiafoe