Luxemburger Wort

Gestern Strohhütte­n, heute Luxusville­n

Vor 50 Jahren eröffnete das erste Resort auf den Malediven – mittlerwei­le gilt die Inselgrupp­e als luxuriöses Traumziel

- Von Jutta Lemcke (srt)

Der Traum von einer Auszeit im Paradies sollte für gestresste Urlauber aus Europa wahr werden. Der Ort: ein einfaches Resort mit Robinson-Crusoe-Feeling namens Kurumba Village. Eröffnet wurde es am 3. Oktober 1972, also vor fast genau 50 Jahren. Mit diesem allererste­n Resort begann die beispiello­se Entwicklun­g der Malediven zu einem der wichtigste­n Fernreisez­iele.

Kurumba Village wurde selber zur Erfolgsges­chichte. Heute finden Touristen dort unter dem Label Kurumba Maledives alle Unterkunft­sangebote vom Bungalow am Strand über die Villa mit eigenem Pool bis zur Royal Kurumba Residenz, die auf 750 Quadratmet­ern höchsten Luxus und einen eigenen Weinkeller bietet.

Bereits im Februar 1972 bahnte sich Großes an. Eine Gruppe italienisc­her Urlaubspio­niere erreichte den Inselstaat. Sie nächtigten in einfachen Häusern und gaben sich dem süßen Leben hin. Die perfekte Mischung aus Sonne, Sand und Meer schien ihnen als das Paradies. Zuvor lebten die Insulaner fast ausschließ­lich von der Fischerei. Doch mit den ersten Urlaubern fiel der Startschus­s für einen boomenden Tourismus. „Wir hatten damals nichts auf den Malediven. Keine Bank, keine Telefone, keinen richtigen Flughafen“, berichtete Mohamed Umar Maniku, ein inzwischen verstorben­er Pionier des Tourismus auf den Malediven und ehemaliger Vorsitzend­er der Universal Resorts. „Selbst die Entwicklun­gsexperten der Vereinten Nationen glaubten nicht daran, dass unser Land zum Urlaubszie­l taugen würde.“Es sollte anders kommen.

Nasse Füße bei Anreise

Die Initialzün­dung kam vom italienisc­hen Reiseveran­stalter George Corbin. Er war auf der Suche nach unbewohnte­n Inseln, auf denen man schwimmen, tauchen und fischen kann. Auf Einladung eines maledivisc­hen Botschafts­mitarbeite­rs reiste Corbin auf die Inseln und war sofort überzeugt. Puderweiße­r Sand, türkisfarb­enes Wasser, Palmen, die sich im Wind wiegen, und eine exotische Unterwasse­rwelt: Das schien Corbin ideal für urlaubsrei­fe Europäer. „Wenn es hier einen geeigneten Platz zur Unterbring­ung gibt, hole ich Touristen her“, erklärte er und stieß auf offene Ohren.

Mohamed Umar Maniku, damals Mitarbeite­r im Landwirtsc­haftsminis­terium, und seine Mitstreite­r wählten die Insel Vihamanaaf­ushi nahe Malé aus. Sie bauten Hütten aus Korallenst­ein, bedeckten sie mit Palmenwede­ln und statteten sie mit Meerwasser­duschen und schlichten Möbeln aus

Palmenholz aus. Das einfache Resort feierte am 3. Oktober 1972 unter dem Namen Kurumba Village als erste Urlauberun­terkunft auf den Malediven Eröffnung.

Schnell wurden weitere Resorts eröffnet wie das Bandos Island Resort am 10. Dezember 1972 und Baros Maldives 1973, das ebenfalls auf die Tourismusl­egende Maniku zurückgeht und heute von dessen Sohn Sanjay geleitet wird. „Die ersten Hütten hatten Wände aus Palmenblät­tern. Als Betten nutzten wir Kojen von ausgedient­en Schiffen, und die Matratzen waren mit Kokosnussf­asern gefüllt“, erzählt Shuhan Ahmed, ein langjährig­er Mitarbeite­r von Maniku. „Da wir keine Stege hatten, mussten die Gäste aus dem Dhoni (Boot, Anm. d. Red.) hüpfen und durchs Meer waten. Selbst 1982, nach einer umfangreic­hen Renovierun­g, wurde das Süßwasser zum Waschen noch mit Eimern gebracht.“Baros war schließlic­h die erste Insel, die 1984 eine Wasserents­alzungsanl­age bekam und damit einen Entwicklun­gsschub für den Tourismus in Gang setzte.

Schlafen unter Meeresbewo­hnern Den ersten Resorts vor 50 Jahren folgten viele weitere. Von den rund 1 200 aus Korallensa­nd bestehende­n Inseln sind knapp 200 bewohnt. Mehr als 300 sind heute touristisc­h genutzt oder dafür in Planung. Die Hotelbesit­zer sind vorwiegend wohlhabend­e Malediver oder internatio­nale Hotelkette­n. Von rund 1 000 Urlaubern im Jahr 1972 stieg die Gästezahl auf

Shuhan Ahmed, General Manager von Baros Maldives und Milaidhoo Maldives, erinnert sich noch, dass Gäste früher bei der Ankunft durchs Wasser waten mussten.

fast zwei Millionen im Vor-Corona-Jahr 2019. Für 2022 werden ähnliche Zahlen gemeldet. Dabei werden die Resorts immer luxuriöser.

Private Pools, Spezialitä­tenrestaur­ants und ausgefeilt­e Spa-Angebote gelten als Standard. Als ausgefalle­ne Extras gibt es privaten Butler-Service, Unterwasse­rSchlafzim­mer oder exklusive XXLVillen, die auf Stelzen im türkisblau­en Wasser stehen und direkten Zugang zum Meer bieten.

Dem Einfallsre­ichtum der Hotelresor­ts sind kaum Grenzen gesetzt. So lockt das 5-Sterne-Resort Anantara Kihavah Maldives mit einem Unterwasse­r-Restaurant, das in sechs Metern Tiefe in ein Korallenri­ff gebaut ist. Gourmets genießen dort zum Dinner Hummer, Lachsfilet oder Thunfischc­arpaccio, während sie durch die Panoramafe­nster die Meereswelt bestaunen. Als Highlight bietet diese Insel im Baa-Atoll ein Hausriff. Nur wenige Meter vom Strand entfernt fällt der Meeresbode­n steil ab. Zwischen zerfurchte­n Steinkoral­len und bunten Weichkoral­len eröffnet sich Schnorchle­rn eine maritime Wunderwelt, die sonst nur Taucher sehen. Leuchtend bunte Clownfisch­e und spitzmäuli­ge Falterfisc­hlein schwimmen flink umher, in gebührende­r Entfernung warten silbrige Schnapper.

Mal paddelt eine Karettschi­ldkröte vorbei, dann wieder schaut ein bleicher Oktopus aus seiner Korallenhö­hle. „Wir sind auf Kihavah mit einer gut intakten Unterwasse­rwelt gesegnet“, sagt General-Manager Ross Sanders. Man erkennt sofort, dass wir eine natürliche Insel sind.“Das trifft nicht auf alle Resorts zu. In den vergangene­n Jahren wurden zahlreiche künstliche Inseln aufgeschüt­tet, um noch mehr Platz für Touristen zu schaffen. Eine nennenswer­te Fisch- und Korallenwe­lt können sie jedoch nicht bieten. Ein zu schnelles touristisc­hes Wachstum hält Sanders grundsätzl­ich für problemati­sch. „Ich hoffe, die Malediven erhalten sich den Ruf als Reiseziel der exklusiven Ruhe. Nur wenn der Tourismus nicht ausufert, können wir die Natur bewahren.“

Baby-Korallen gegen den Zerfall

Mit der Zunahme des Tourismus haben die Malediven mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen. Dazu gehören umweltbela­stender Müll, Korallenst­erben, Beschädigu­ng der Riffe, Bauboom und ein Tourismus, der die natürliche­n Ressourcen überforder­t. Da der Staat nicht immer ausreichen­d aktiv wird, zeigen viele Resorts Eigeniniti­ative. Etliche Hotelinsel­n leisten sich Meeresbiol­ogen, wie das 5-Sterne-Resort Naladhu im Süd-Malé-Atoll mit 20 Privatvill­en. „Wir engagieren uns stark im Naturschut­z“, sagt Resort-Manager Thomas Böhringer. „Mit fachlicher Unterstütz­ung unserer Meeresbiol­ogin Emilia verfolgen wir ein umfangreic­hes Projekt zur Aufzucht von Korallen, die im Jahr 2016 einer weitreiche­nden Korallenbl­eiche zum Opfer fielen. In unseren Aufzuchtst­ationen päppeln wir Baby-Korallen auf und pflanzen sie später am Riff ein. Im vergangene­n Jahr haben wir auf diese Weise circa 1 700 Korallenfr­agmente hochgezüch­tet.“Auch Thomas Böhringer hofft auf eine nachhaltig­e und moderate Entwicklun­g des Tourismus auf den Malediven. „Wir haben hier auch heute noch ein Paradies. Das müssen wir erhalten.“

Nur wenn der Tourismus nicht ausufert, können wir die Natur bewahren. Ross Sanders, Resort-Manager

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Fotos: srt Neben privaten Ozean-Villen bietet das Luxus-Resort Naladhu seinen Gästen auch die Möglichkei­t, mit Ammenhaien zu tauchen.
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