Größter anzunehmender Datenunfall
Das FBI hat bei der Razzia auf Mar-a-Lago Dokumente mit Atomgeheimnissen der USA sichergestellt
Die Agenten des FBI standen bei der Durchsuchung des Lagerraums, Büros und der Residenz Donald Trumps vor einem praktischen Problem. Wie mit dem Material umgehen, das mit dem Vermerk „S/FRD“versehen war? Die in Spionageabwehr geschulten Beamten wussten, dass es sich dabei um höchste Staatsgeheimnisse der USA handelte, die sich mit Atomwaffen befassen. Solche Dokumente werden gewöhnlich innerhalb eines Hochsicherheitsbereichs (SCIF) in einem Tresor aufbewahrt, dessen Entnahmen von einer eigens dafür abgestellten Person protokolliert werden.
Die Ermittler in der „Dokumenten-Affäre“hatten nach ihrem Ortstermin in Mar-a-Lago vom Juni Hinweise darauf erhalten, dass entgegen der schriftlichen Zusicherungen seiner Anwälte Trump Atomgeheimnisse der USA in seinem Privatclub von Palm Beach aufbewahrte. Die „Washington Post“hatte seinerzeit berichtet, dies sei einer der Gründe für den richterlichen Durchsuchungsbefehl gewesen.
Wie das Blatt nun enthüllt, stellten sich die Befürchtungen als berechtigt heraus. Unter Berufung auf „Leute, die mit der Angelegenheit vertraut sind“, beschlagnahmten die FBI-Agenten Dokumente, die die Verteidigungskapazitäten eines anderen Staates beschreiben, „inklusive ihrer nuklearen Fähigkeiten“.
Keine Einsicht ohne Anlass
Es bleibt offen, ob es sich um einen befreundeten Staat wie beispielsweise Israel oder Saudi-Arabien handelt. Oder um die Kapazitäten von gegnerischen Staaten wie Russland, Iran oder Nordkorea. In jedem Fall seien die Informationen so geheim gewesen, dass nicht einmal hohe Mitarbeiter des nationalen Sicherheitsteams Joe Bidens sie handhaben durften.
Experten wie der ehemalige CIA-Direktor John Brennan weisen darauf hin, dass für Unterlagen, die mit „S/FRD“gekennzeichnet sind, besondere Regeln gelten, die noch über die von „Top Secret“-Dokumenten hinausgehen. Demnach müsse es einen konkreten Anlass geben, warum jemand um den konkreten Inhalt eines solchen Dokuments wissen müsste.
Brennan sagte auf MSNBC, es müsse jetzt mit höchstem Nachdruck abgeklärt werden, wer Zugang zu diesen Dokumenten auf
Mar-a-Lago hatte. Trump hatte die Atomgeheimnisse trotz wiederholter Aufforderung zur Rückgabe aller klassifizierten Dokumente dort 18 Monate lang gelagert. Der Privatclub des ehemaligen Präsidenten hat Publikumsverkehr und ist Zielscheibe geheimdienstlicher Aktivitäten aus aller Welt.
Das Büro der Direktorin der Nationalen Geheimdienste nimmt bereits eine Schadens-Abschätzung der mehr als 300 klassifizierten Dokumente vor, die Trump nach Ende seiner Amtszeit nicht zurückgegeben hatte. Ein Dokument besteht oft aus mehreren Seiten. Vor der Razzia im August waren Unterlagen sichergestellt worden, die streng-geheime Hinweise auf „menschliche Quellen“enthalten.
Diskussion um Amtsprivilegien
Trump hatte die Aufbewahrung von Atomgeheimnissen in seinem Privatclub im Internet vehement bestritten. „Das NuklearwaffenThema ist ein Betrug“, behauptete der abgewählte Präsident. Frei erfunden, wie die Russland-Affäre und die beiden Amtsenthebungsverfahren. „Dieselben schleimigen Personen haben damit zu tun.“
Verkompliziert werden die Ermittlungen des Justizministeriums durch das Urteil einer von Trump benannten Richterin in Südflorida. Diese hatte die Einsetzung eines „Special Masters“angeordnet, der die 13 000 Seiten an sichergestellten Akten durchsehen soll. Dessen Aufgabe bestünde darin, Material auszusortieren, dessen Gebrauch der anwaltlichen Vertraulichkeit unterliegt, oder durch eine Art Restbestand durch Privilegien des ehemaligen Präsidenten geschützt sind.
Vor allem letzterer Punkt ist im höchsten Maße umstritten, da Präsidenten nach gängiger Rechtssprechung mit dem Ausscheiden aus dem Amt alle Privilegien verlieren und diese auf den Nachfolger übergehen. Das Justizministerium erwägt, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Unabhängig davon stellten sich dieselben praktischen Probleme für den „Special Master“wie für die FBI-Agenten. Es müsste eine der ganz wenigen Personen sein, die mit höchsten Staatsgeheimnissen umgehen dürfen. Nach Ansicht von Analysten dürfte es schwer sein, jemanden zu finden, der dies darf und von Trump und dem Justizministerium akzeptiert würde.
Nicht einmal hohe Mitarbeiter des nationalen Sicherheitsteams Joe Bidens durften solch geheime Akten handhaben.