Vom Deckeln und Entkoppeln
Die EU sucht nach Möglichkeiten zur Reduzierung der Energiepreise – welche Probleme und Optionen gibt es?
Wenn morgen die Energieminister der EU zu ihrer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen, stehen einige Themen auf der Tagesordnung. Und jeden Tag schlagen neue Vorschläge auf. Was ein Stück weit auch damit zusammenhängt, dass die Lage jeden Tag eine andere ist. Letztendlich geht es aber immer um Öl, Gas und Strom und verbunden damit jeweils um die Frage, wie sich die extreme Preisentwicklung stoppen lässt.
1. Der Gaspreis
Die Nord-Stream-Pipeline dient inzwischen mehr als Druckmittel, denn zur Gasversorgung. Seit gut einer Woche steht die Anlage still. Seitdem fließt nur noch sehr wenig russisches Gas über die Ukraine und die Türkei nach Europa. Die Ankündigung Russlands, die Pipeline aufgrund technischer Probleme vorerst nicht mehr in Betrieb zu nehmen, hat für Unruhen auf dem Gasmarkt gesorgt und die Preise weiter in die Höhe getrieben. Angesichts der sich zuspitzenden Lage prüft die Europäische Kommission deshalb Maßnahmen, um den Gaspreis zu deckeln. Es geht dabei unter anderem um die Möglichkeit, sich auf einen Höchstbezugspreis für russisches Gas zu verständigen oder aber diesen zu deckeln.
Eine Preisobergrenze für russisches Gas könnte per Gesetz umgesetzt werden. Alternativ könnte die EU als einzelner Käufer mit Russland über Preise und Mengen verhandeln. Der Haken ist allerdings: Russland hat erwartungsgemäß angekündigt, sich darauf nicht einzulassen.
Sein Land werde kein Öl oder Gas mehr an Länder liefern, die die Preise deckeln wollen, warnte Präsident Wladimir Putin am Mittwoch auf einem Wirtschaftsforum in Wladiwostok. „Wir werden überhaupt nichts liefern, wenn es unseren Interessen, in diesem Fall unseren wirtschaftlichen Interessen, zuwiderläuft“, so Putin. Wenn die EU eine solche Maßnahme beschließen wird, muss sie also auch bereit sein, mit der Konsequenz zu leben. Und die wäre: kein Gas mehr aus Russland.
Wenig Erfolg versprechend scheint vor diesem Hintergrund auch ein weiterer Vorschlag, über den auf EU-Ebene ebenfalls diskutiert wird. Dieser sieht vor, den Gaspreis im Großhandel nur in den EU-Regionen zu deckeln, die besonders von russischen Lieferunterbrechungen und hohen Preisen betroffen sind. Laut EU-Kommission wäre es aber schwer, die regionalen Preisdeckel zu verwalten und sicherzustellen, dass Gas dahin fließt, wo es gebraucht wird.
2. Der Ölpreis
Vergangene Woche gab es ein Treffen der G7-Staaten, also der führenden Wirtschaftsnationen. Dabei haben sich die Teilnehmer auf eine Preisobergrenze für russisches Öl verständigt. Genau genommen handelte es sich dabei eher um die Verkündung einer gemeinsamen politischen Absicht. Denn wenn die G7-Nationen (USA,
Kanada, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan) eine solche Deckelung durchziehen wollen, sind sie dabei auch auf die Unterstützung anderer Länder wie Indien und nicht zuletzt China angewiesen.
Genau wie die Ankündigung eines Gaspreisdeckels stößt auch dieser Vorschlag in Russland auf wenig Verständnis. Stattdessen wird man im Kreml nicht müde zu betonen, dass man sich wirtschaftlich ohnehin stärker in Richtung China orientieren wolle.
Insgesamt ist die Lage auf dem Ölmarkt derzeit aber entspannter als auf dem Gasmarkt. Obwohl die großen Ölnationen des Verbundes Opec+ am Montag als Reaktion auf sinkende Ölpreise angekündigt haben, die gemeinsame Tagesproduktion zu reduzieren, reagieren die Märkte noch nicht in Panik.
So sanken die Preise am Mittwoch weiter ab. Gründe dafür sind die weltweit schlechte Konjunkturlage, die steigenden Zinsen, der seit Längerem starke US-Dollar und nicht zuletzt auch die strikte Corona-Politik Chinas, die die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt lähmt.
3. Der Strompreis
In der EU ist der Strompreis an den Gaspreis gekoppelt. Grundlage dieser Regelung ist die sogenannte Merit-Order. Mit ihr wird die Reihenfolge bestimmt, in der Kraftwerke ihre Energie an der Strombörse anbieten können. Als Erstes kommen die Kraftwerke an die Reihe, die den günstigsten Strom liefern. Dazu gehören insbesondere Windkraftanlagen. Danach werden so lange Kraftwerke mit jeweils immer höheren Produktionskosten hinzugenommen.
Der Preis für alle wird dabei durch den teuersten Anbieter bestimmt. In diesem Fall durch die Gasanbieter. Damit soll zum einen gewährleistet sein, dass immer ausreichend Strom angeboten wird, um den Bedarf zu decken. Zum anderen sollen die teuren, mit fossilen Brennstoffen produzierenden Stromanbieter durch diese Regelung dazu bewegt werden, in Energien zu investieren, die in der Produktion günstig und damit in der Regel auch nachhaltig sind.
In der Vergangenheit hat sich diese Merit-Order durchaus bewährt. Das Problem ist aber, dass derzeit mehrere ungünstige Faktoren zusammenkommen. So sind in Frankreich aktuell ungefähr die Hälfte der Atommeiler aufgrund baulicher und technischer Mängel nicht im Einsatz. Hinzu kommt, dass auch europäische Kohlekraftwerke ihre Produktion drosseln mussten, weil aufgrund der niedrigen Pegelstände in den Flüssen deutlich wenige Kohle transportiert werden konnte.
Auf die Gaskraftwerke, die das Gas zu Höchstpreisen einkaufen müssen, dementsprechend teuer Strom produzieren und damit die Preise an den Strombörsen nach oben treiben, kann also gerade in der jetzigen Situation nicht verzichtet werden.
In der Diskussion auf EU-Ebene sind deshalb mehrere Optionen, um dem daraus resultierenden Anstieg der Stromkosten entgegenzuwirken. Von einer europaweiten Reform des Strommarktes ist dabei die Rede und in diesem Zusammenhang auch von einer Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis – was aus Sicht von Experten aber als langwierig und politisch unrealistisch gilt.
Ein anderer Ansatz, für den sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel erneut starkgemacht hat, ist das „Abschöpfen von Zufallsgewinnen“. Gemeint ist damit eine Abgabe, die von Energiefirmen gezahlt werden sollen, die billiger Strom produzieren und damit aufgrund der Merit-Order derzeit besonders große Gewinne machen. Ein Teil dieser „Zufallsgewinne“soll nach den Vorstellungen der Kommissionspräsidentin abgeschöpft und für die Entlastung der Verbraucher genutzt werden.
Laut von der Leyen möchte die Kommission den 27 Mitgliedsstaaten eine Deckelung des Strompreises vorschlagen. Einem Verordnungsentwurf zufolge, der Bloomberg News vorliegt, könnte diese Strompreisobergrenze bei 200 Euro pro Megawattstunde liegen und würde dann für Einnahmen aus der Erzeugung von Strom aus Wind, Sonne und Erdwärme, Wasserkraft, Biomasse, Deponiegas, Klärgas, Biogas, Kernkraft, Braunkohle und Rohöl gelten. Damit wäre dann zumindest ein Großteil des Strombedarfs vom Gaspreis abgekoppelt.
Wir werden überhaupt nichts liefern, wenn es unseren wirtschaftlichen Interessen zuwiderläuft. Wladimir Putin, Russlands Präsident