Luxemburger Wort

The Queen is dead

Nur wenige Briten können sich an eine Zeit erinnern, als Elizabeth II. nicht Königin war – jetzt ist sie im Alter von 96 Jahren gestorben

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„Mein ganzes Leben, sollte es kurz oder lang werden“, versprach die spätere Königin Elizabeth II. an ihrem 21. Geburtstag, wolle sie ihren Untertanen widmen. Im Alter von 96 Jahren ist die britische Königin am Donnerstag auf ihrem schottisch­en Landsitz Schloss Balmoral gestorben.

Mit ihrem Tod endet eine Epoche, in der sich Großbritan­niens Rolle in der Welt massiv verändert hat. Doch die Queen herrschte – obwohl sie nur symbolisch­e Macht hatte – wie ein Fels in der Brandung.

Als sie 1952 Königin wird, steht sie an der Spitze eines Empires mit mehr als 70 Kolonien. Bei ihrem Tod ist davon kaum etwas übrig. Sie übernimmt das Zepter im Kalten Krieg, der Jahrzehnte andauert und lange vor ihrem Ableben endet. Sie sitzt auf dem Thron, als ihr Land Teil der Europäisch­en Union wird – und wieder austritt.

Die Queen bleibt sich trotz aller Umbrüche stets treu. Elizabeth II. fällt nie aus der Rolle und mischt sich niemals in die Politik ein. Selbst als ihr Mann, Prinz Philip, im April 2021 nach mehr als 73 Jahren Ehe stirbt, gönnt sie sich nur eine kurze Auszeit von ihren Pflichten. Ob der neue König, der 73-jährige Charles, die Fußstapfen seiner Mutter ausfüllen kann, ist ungewiss.

„Repräsenta­ntin einer Beständigk­eit“

Für den deutschen Historiker und Großbritan­nien-Experten FranzJosef Brüggemeie­r war die Queen die perfekte Repräsenta­ntin einer Beständigk­eit, die das ganze Land durchdring­t. „Großbritan­nien ist eines der wenigen Länder in Europa, wo die wesentlich­en Institutio­nen seit mehr als 100 Jahren die Gleichen sind.“Das Parlament, die Parteien, die Gerichte, die Polizeibeh­örden. „Das ganze Land ist

Die Queen am 7. Juni 1951

durchzogen mit diesen Elementen der Kontinuitä­t“, so Brüggemeie­r.

Als Elizabeth am 21. April 1926 in London auf die Welt kommt, ist noch nicht abzusehen, dass sie eines Tages zur dienstälte­sten Monarchin Großbritan­niens werden soll. Sie ist Dritte in der Thronfolge nach ihrem Onkel Edward VIII. und ihrem Vater George VI. Doch als Elizabeth zehn Jahre alt ist, dankt Edward überrasche­nd ab. Ihr Vater wird König und sie Thronfolge­rin. Von da an ist ihr Leben darauf ausgericht­et, Staatsober­haupt zu sein.

Mit 13 Jahren verliebt sie sich in den schneidige­n Philip. Der griechisch­e Prinz aus dänisch-deutschem Adel ist nicht die erste Wahl ihrer Eltern. Doch Elizabeth lässt nicht locker. Nachdem die beiden heiraten, weicht er nicht mehr von ihrer Seite. Später betont sie, er sei ihre Stärke und ihr Halt in all diesen Jahren gewesen. „Ich bin ihm mehr schuldig, als er jemals zugeben würde.“

Auch Philip, bekannt für seinen derben Humor, schwärmt von seiner Ehe: „Die Queen verfügt über

Toleranz im Überfluss.“Eine Bemerkung, die angesichts der ihm nachgesagt­en Affären für Stirnrunze­ln bei vielen Briten sorgt. Doch die beiden bleiben sich bis zum Tod Philips aufs Engste verbunden. Gemeinsam verbringen sie die Pandemie auf Schloss Windsor. Als er stirbt, gehen die Bilder der wegen Corona-Regeln einsam in dem hölzernen Chorgestüh­l der St.George's-Kapelle trauernden Queen um die Welt.

Schon ihrer Thronbeste­igung ging der Verlust eines geliebten Menschen voraus: Scherzhaft wird sie als einzige Prinzessin bezeichnet, die einen Baum bestieg und als Königin hinunterka­m. Die Nachricht vom Tod ihres Vaters erreicht Elizabeth und ihren Mann Philip 1952 auf einer Kenia-Reise in einem Baumhaus-Hotel. Elizabeth kehrt als Königin nach London zurück. Sie ist damals gerade 25 Jahre alt. Millionen verfolgen im Jahr darauf die Krönungsze­remonie am Fernseher.

Alles ist der Pflicht untergeord­net. Auch das Familienle­ben, das Aufs und Abs unterworfe­n ist. Die vier Kinder, Charles, Anne, Andrew und Edward, heißt es später, hätten nicht viel von ihrer Mutter gehabt, die bis ins hohe Alter fast täglich offizielle Termine wahrnimmt. Später, Anfang der neunziger Jahre, bereiten wiederum die Kinder ihrer Mutter Kummer: Eine Ehe nach der anderen zerbricht.

Sie selbst nennt es annus horribilis, das Schreckens­jahr: 1992 lässt sich Prinzessin Anne von Ehemann Mark Phillips scheiden, Prinz Charles und Diana gehen auseinande­r und auch Prinz Andrew und seine Frau Sarah Ferguson trennen sich. Im November steht Schloss Windsor in Flammen. Elizabeth ist tief getroffen, heißt es. Doch sie bewahrt Haltung: eine „stiff upper lip“, eine steife Oberlippe, wie man in Großbritan­nien sagt. Das verschafft ihr viel Anerkennun­g.

Anders ist es, als ihre ExSchwiege­rtochter Diana 1997 bei einem Autounfall in Paris stirbt, gemeinsam mit dem Geliebten. Die Queen schweigt, als die Nation in Trauer versinkt. Ihr wird Gefühlskäl­te vorgeworfe­n. Erst nach Tagen beugt sie sich dem Druck. Der Tod der „Königin der Herzen“markiert den Tiefpunkt der Beziehung zwischen Elizabeth II. und ihrem Volk.

Schrittwei­se erobert sie sich den Respekt ihrer Untertanen zurück. Die Queen lächelt mehr als früher, gibt sich zugänglich­er. Als Prinz William, der älteste Sohn Dianas, 2011 seine Jugendfreu­ndin

Die 96-jährige Monarchin galt als eiserne Figur – und führte das Land durch viele Krisen.

Katherine Middleton heiratet, haben sich die Briten längst ausgesöhnt mit der Queen. Selbst Charles, der Diana mit seiner Jugendlieb­e Camilla betrog, ist rehabiliti­ert. Doch der Frieden währt nicht lange. Missbrauch­svorwürfe gegen Sohn Andrew und der Rückzug von Enkel Harry und seiner Frau Meghan von royalen Pflichten belasten die Queen.

Doch die Queen hat auch eine unbeschwer­te Seite. Die zeigt sich vor allem an ihrer Liebe zu Tieren. Seit ihrem vierten Lebensjahr reitet sie und steigt noch in den Sattel als sie schon fünffache Uroma ist. „Die Queen mag – in dieser Reihenfolg­e – Hunde, Pferde, Männer und Frauen“, schreibt ihr Biograf Graham Turner.

70. Thronjubil­äum wirkt wie ein Abschied

Im Frühsommer 2022 feiert die Queen 70. Thronjubil­äum mit einem mehrtägige­n Fest in London. Doch zu diesem Zeitpunkt zieht sie sich schon vermehrt von royalen Pflichten zurück. Die Eröffnung des Parlaments übernimmt Thronfolge­r Charles, auch beim Gedenken an die Weltkriegs­toten ist sie nicht mehr dabei. Als sie sich im Laufe der Feierlichk­eiten zum Thronjubil­äum auf dem Balkon des Buckingham-Palasts zeigt, wirkt es bereits wie ein Abschied.

Den Thron nehmen auf absehbare Zeit Männer ein: Sohn Charles, Enkel William und Urenkel George. Sie werden das Amt neu erfinden müssen und sich gleichzeit­ig an Elizabeth II. orientiere­n. Die Queen hinterläss­t ein schweres Erbe. dpa

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Vor wenigen Monaten feierte die Queen noch ihr 70. Thronjubil­äum im Kreise ihrer Familie.
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Die Königin mit der neuen britischen Premiermin­isterin Liz Truss.
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Foto: AFP
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