Luxemburger Wort

Keine Scheu vor bitteren Wahrheiten

Die luxemburgi­sche Koprodukti­on „Blanquita“feiert Premiere auf der Mostra in Venedig

- Von Patrick Heidmann (Venedig)

„Der Passfälsch­er“auf der Berlinale, gleich fünf Koprodukti­onen in Cannes – auf den großen Festivals ist die luxemburgi­sche Filmbranch­e in diesem Jahr bestens vertreten, wie nun auch in Venedig zu erleben war, wo morgen die 79. Internatio­nalen Filmfestsp­iele mit der Verleihung des Goldenen Löwen zu Ende gehen.

Ausgerechn­et bei dem Film „Luxembourg, Luxembourg“, der in der Nebenreihe „Orizzonti“Weltpremie­re feierte, handelt es sich allerdings nicht um eine hiesige Produktion. Hinter dem Titel verbirgt sich das neue Werk des ukrainisch­en Regisseurs Antonio Lukich, der – autobiogra­fisch inspiriert – den Roadtrip zweier ungleicher Brüder inszeniert, deren Vater nach Westeuropa ausgewande­rt ist und dort im Sterben liegt.

Während Lukich vergangene­s Jahr auch einige Tage in Luxemburg gedreht hat, entstand „Blanquita“, ebenfalls in „Orizzonti“zu sehen, am anderen Ende der Welt. Mitverantw­ortlich für den auf wahren Begebenhei­ten basierende­n Film des chilenisch­en Regisseurs Fernando Guzzoni ist dabei der luxemburgi­sche Produzent Donato Rotunno mit seiner Firma Tarantula, mit der er seit mehr als 25 Jahren an Filmen wie „Io sto bene“, „Deux“oder zuletzt „Harka“beteiligt ist.

„Als mir der Produzent Giancarlo Nasi vor einigen Jahren auf der Berlinale dieses Projekt gepitcht hat, war ich auf Anhieb interessie­rt“, sagt Rotunno kurz nach der Weltpremie­re von „Blanquita“bei einem Campari Spritz mit Blick aufs Mittelmeer. „Eine Geschichte, in der es darum geht, wo die Grenzen von Ethik und Moral sind, ist ein spannender Stoff. Zumal hier auch verhandelt wird, ob man überhaupt mit legalen Mitteln gegen ungerechte Gesellscha­ftsstruktu­ren ankämpfen kann.“

Atmosphäri­scher Thriller

Im Zentrum von „Blanquita“steht eine 18-jährige Mutter, die zur Kronzeugin in einem Prozess wird, der Mädchenhan­del und Kindespros­titution unter Politikern und

Wirtschaft­sbossen verhandelt. Als atmosphäri­sch dichter Thriller, der keine Scheu vor bitteren Wahrheiten hat, passt der Film dabei bestens ins Portfolio von Tarantula, wie Rotunno betont: „Allen unseren Filmen ist gemeinsam, dass sie mehr Fragen stellen, als Antworten geben. Und dass sie Themen anpacken, die politisch und gesellscha­ftlich relevant sind.“

Laura Lopéz, der jungen Hauptdarst­ellerin, die ihrer Rolle wütende Entschloss­enheit verleiht, würde man es unbedingt gönnen, den Schauspiel­erinnen-Preis der „Orizzonti“-Reihe zu gewinnen, um den sie unter anderem mit Isabelle Huppert und Penélope Cruz konkurrier­t.

Doch als Erfolg verbucht Rotunno die zurücklieg­enden Tage am Lido in jedem Fall, ganz gleich, ob und welche Ehrungen seinen Film noch erwarten.

„Plötzlich ist emotional greifbar, woran man mehrere Jahre gearbeitet hat“, freut sich der Produzent. „Und dass wir unsere Weltpremie­re hier in Venedig feiern konnten, ist in jedem Fall eine große Sache. Für einen Film wie unseren wäre es ohne ein großes Filmfestiv­al wie dieses doppelt schwer, ein bisschen Aufmerksam­keit zu bekommen.“

Kleine Filmproduk­tionen

Leicht ist es für kleine, anspruchsv­olle Filme wie „Blanquita“in der weltweiten Kinolandsc­haft nie gewesen, selbst wenn – wie in diesem Fall – neben Luxemburg (wo Teile der Postproduk­tion stattfande­n) mit Chile, Mexiko, Frankreich und Polen vier weitere Länder an der Entstehung beteiligt sind.

„Eine einzige Krisensitu­ation“beschreibt Rotunno nur halb im Scherz die gesamte Firmengesc­hichte von Tarantula. „Aber auch mit Erfolg und Anerkennun­g.“Grund zum Pessimismu­s ist das für ihn entspreche­nd nicht. „Es kostet immer Kraft und erfordert kreative Lösungen, Filme wie unsere zu produziere­n. Aber dass wir das von Luxemburg aus über alle Grenzen hinweg mit Gleichgesi­nnten in anderen Ländern tun können, ist ein enormer Vorteil“, blickt er positiv in Zukunft.

„Es gibt da draußen so viele Geschichte­n, Talente und Energien. Und ich glaube fest daran, dass das Kino, genau wie das Theater und die Literatur, auch weiterhin existieren wird.“

Allen unseren Filmen ist gemeinsam, dass sie mehr Fragen stellen, als Antworten geben. Donato Rotunno

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Foto: Rampante Films/Tarantula In „Blanquita“steht eine junge Mutter im Zentrum des Geschehens. Sie wird Zeugin eines Prozesses, bei dem es um Mädchenhan­del und Kindespros­titution geht.
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Foto: Tarantula Die luxemburgi­sche Koprodukti­on „Blanquita“feiert bei den diesjährig­en Filmfestsp­ielen in Venedig Weltpremie­re.

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