Keine Scheu vor bitteren Wahrheiten
Die luxemburgische Koproduktion „Blanquita“feiert Premiere auf der Mostra in Venedig
„Der Passfälscher“auf der Berlinale, gleich fünf Koproduktionen in Cannes – auf den großen Festivals ist die luxemburgische Filmbranche in diesem Jahr bestens vertreten, wie nun auch in Venedig zu erleben war, wo morgen die 79. Internationalen Filmfestspiele mit der Verleihung des Goldenen Löwen zu Ende gehen.
Ausgerechnet bei dem Film „Luxembourg, Luxembourg“, der in der Nebenreihe „Orizzonti“Weltpremiere feierte, handelt es sich allerdings nicht um eine hiesige Produktion. Hinter dem Titel verbirgt sich das neue Werk des ukrainischen Regisseurs Antonio Lukich, der – autobiografisch inspiriert – den Roadtrip zweier ungleicher Brüder inszeniert, deren Vater nach Westeuropa ausgewandert ist und dort im Sterben liegt.
Während Lukich vergangenes Jahr auch einige Tage in Luxemburg gedreht hat, entstand „Blanquita“, ebenfalls in „Orizzonti“zu sehen, am anderen Ende der Welt. Mitverantwortlich für den auf wahren Begebenheiten basierenden Film des chilenischen Regisseurs Fernando Guzzoni ist dabei der luxemburgische Produzent Donato Rotunno mit seiner Firma Tarantula, mit der er seit mehr als 25 Jahren an Filmen wie „Io sto bene“, „Deux“oder zuletzt „Harka“beteiligt ist.
„Als mir der Produzent Giancarlo Nasi vor einigen Jahren auf der Berlinale dieses Projekt gepitcht hat, war ich auf Anhieb interessiert“, sagt Rotunno kurz nach der Weltpremiere von „Blanquita“bei einem Campari Spritz mit Blick aufs Mittelmeer. „Eine Geschichte, in der es darum geht, wo die Grenzen von Ethik und Moral sind, ist ein spannender Stoff. Zumal hier auch verhandelt wird, ob man überhaupt mit legalen Mitteln gegen ungerechte Gesellschaftsstrukturen ankämpfen kann.“
Atmosphärischer Thriller
Im Zentrum von „Blanquita“steht eine 18-jährige Mutter, die zur Kronzeugin in einem Prozess wird, der Mädchenhandel und Kindesprostitution unter Politikern und
Wirtschaftsbossen verhandelt. Als atmosphärisch dichter Thriller, der keine Scheu vor bitteren Wahrheiten hat, passt der Film dabei bestens ins Portfolio von Tarantula, wie Rotunno betont: „Allen unseren Filmen ist gemeinsam, dass sie mehr Fragen stellen, als Antworten geben. Und dass sie Themen anpacken, die politisch und gesellschaftlich relevant sind.“
Laura Lopéz, der jungen Hauptdarstellerin, die ihrer Rolle wütende Entschlossenheit verleiht, würde man es unbedingt gönnen, den Schauspielerinnen-Preis der „Orizzonti“-Reihe zu gewinnen, um den sie unter anderem mit Isabelle Huppert und Penélope Cruz konkurriert.
Doch als Erfolg verbucht Rotunno die zurückliegenden Tage am Lido in jedem Fall, ganz gleich, ob und welche Ehrungen seinen Film noch erwarten.
„Plötzlich ist emotional greifbar, woran man mehrere Jahre gearbeitet hat“, freut sich der Produzent. „Und dass wir unsere Weltpremiere hier in Venedig feiern konnten, ist in jedem Fall eine große Sache. Für einen Film wie unseren wäre es ohne ein großes Filmfestival wie dieses doppelt schwer, ein bisschen Aufmerksamkeit zu bekommen.“
Kleine Filmproduktionen
Leicht ist es für kleine, anspruchsvolle Filme wie „Blanquita“in der weltweiten Kinolandschaft nie gewesen, selbst wenn – wie in diesem Fall – neben Luxemburg (wo Teile der Postproduktion stattfanden) mit Chile, Mexiko, Frankreich und Polen vier weitere Länder an der Entstehung beteiligt sind.
„Eine einzige Krisensituation“beschreibt Rotunno nur halb im Scherz die gesamte Firmengeschichte von Tarantula. „Aber auch mit Erfolg und Anerkennung.“Grund zum Pessimismus ist das für ihn entsprechend nicht. „Es kostet immer Kraft und erfordert kreative Lösungen, Filme wie unsere zu produzieren. Aber dass wir das von Luxemburg aus über alle Grenzen hinweg mit Gleichgesinnten in anderen Ländern tun können, ist ein enormer Vorteil“, blickt er positiv in Zukunft.
„Es gibt da draußen so viele Geschichten, Talente und Energien. Und ich glaube fest daran, dass das Kino, genau wie das Theater und die Literatur, auch weiterhin existieren wird.“
Allen unseren Filmen ist gemeinsam, dass sie mehr Fragen stellen, als Antworten geben. Donato Rotunno