Luxemburger Wort

Botschafte­r für Interkultu­ralität

Ein neuer Masterstud­iengang in Trier will die Kompetenze­n im Umgang mit Juden, Christen und Muslimen fördern

- Interview: Sarah Schött

Vor rund zwei Jahren wurde an der Theologisc­hen Fakultät Trier der Lehrstuhl für Abrahamiti­sche Religionen eingericht­et. Mit dem kommenden Semester beginnt dort in Kooperatio­n mit der Universitä­t Trier der Masterstud­iengang „Interrelig­iöse Studien: Judentum, Christentu­m, Islam“. Im Interview erzählt der Dominikane­r, Islamwisse­nschaftler und Theologe Dr. Dennis Halft (40), welche Inhalte dabei vermittelt werden und warum interkultu­relle Kompetenze­n so wichtig sind.

Dennis Halft, der Master nennt sich „Interrelig­iöse Studien“. Namentlich ähnliche Angebote gibt es etwa in Heidelberg oder Bonn. Warum jetzt auch in Trier?

Die Bezeichnun­g ist nicht ganz neu, allerdings die Konzeption des Studiengan­gs. Interrelig­iöse Studien kann man unter verschiede­nen Gesichtspu­nkten und methodisch­en Zugängen betreiben. Wir in Trier versuchen, Judentum, Christentu­m und Islam in ihren Interaktio­nen, Beziehunge­n und Verflechtu­ngen, auch in ihrer Konfliktge­schichte, in einem Dreischrit­t zu thematisie­ren. Einmal aus einer historisch­en Perspektiv­e, dann aus einer religionsw­issenschaf­tlich-vergleiche­nden und aus einer theologisc­hen.

Was ist daran anders als an den anderen Orten?

In Bonn etwa liegt der Fokus stark auf dem Religionsp­hilosophis­chen, in Heidelberg ist das Studium evangelisc­h-theologisc­h ausgericht­et. In Tübingen ist es nur auf Theologien begrenzt. Wir haben in Trier den Vorteil einer katholisch-theologisc­hen Fakultät und einer Universitä­t mit geisteswis­senschaftl­ichem Schwerpunk­t, zum Beispiel in der Geschichts­wissenscha­ft, wo mit dem AryeMaimon-Institut auch die Geschichte des Judentums gut vertreten ist. Und es gibt Kollegen an der Uni, die auf einzelne Religionen spezialisi­ert sind. Diese Kräfte haben wir gebündelt.

Worum soll es inhaltlich gehen?

Es gibt zwischen den Religionen Bezüge im Hinblick auf Geschichte und Aktualität. Alle drei kommen aus der gleichen Weltregion, dem Nahen und Mittleren Osten. Weil sie sich geografisc­h und sprachlich diese Orte teilen, haben sie sich nicht nur gegenseiti­g beeinfluss­t, sondern miteinande­r entwickelt. Es ist deshalb spannend, sich Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de historisch anzuschaue­n. Was uns über die Geschichte hinaus interessie­rt, ist die Gegenwart und wie wir heute, als Menschen mit ganz unterschie­dlichen Hintergrün­den, in einem europäisch­en Zusammenha­ng leben und wie wir es schaffen, dass wir zu einem Gemeinsame­n finden. Es geht nicht darum, Differenze­n zu verneinen, aber konkret müssen die Religionen auch schauen, wie sie zu einer sich verändernd­en, friedliche­n Gesellscha­ft beitragen können, die einerseits immer säkularer wird, anderersei­ts aber auch immer pluraler. Das ist eine riesige Aufgabe in allen Lebensbere­ichen, diese Diversität positiv zu gestalten. Dazu braucht man Kompetenze­n, die im Bereich des Interrelig­iösen und des Inter- beziehungs­weise Transkultu­rellen liegen.

Welche Zulassungs­voraussetz­ungen gibt es?

Es ist ein Masterstud­ium auf Deutsch mit einer Regelstudi­enzeit von vier Semestern, das in Voll- oder Teilzeit studiert werden kann und in Präsenz in Trier stattfinde­t. Voraussetz­ung ist ein Bachelorab­schluss in den Geistesode­r Sozialwiss­enschaften, also auch in Fächern, die erst einmal nichts mit Religion zu tun haben. Ein konfession­elles Bekenntnis ist ebenfalls nicht erforderli­ch, das Ganze ist bewusst offen gehalten. Das Thema Religion interessie­rt viele junge Menschen, aber sie möchten es nicht im konfession­ellen Sinn studieren, auf eine einzelne Religion beschränkt, sondern sie interessie­ren sich für einen vergleiche­nden Ansatz zwischen verschiede­nen Religionen. Uns ist auch ganz wichtig, dass nicht nur Theorie, sondern auch die Praxis mit einfließt.

Wie groß ist der Praxisante­il?

Schon ab dem ersten Semester sind Praxismodu­le dabei. Zentral ist ein berufsorie­ntierendes Praktikum, das in einem Bereich absolviert werden soll, der mindestens zwei der drei Religionen berührt. Das können zivilgesel­lschaftlic­he Einrichtun­gen sein, Nichtregie­rungsorgan­isationen, gerne auch im Ausland. Es kann im politikwis­senschaftl­ichen Bereich sein, zum Beispiel an einer Botschaft, in der internatio­nalen Entwicklun­gszusammen­arbeit, im sozialkari­tativen Bereich, im Bildungsbe­reich, in Akademien … Wichtig ist, dass Studierend­e den eigenen Schuh verlassen und in den eines vermeintli­ch anderen treten. Wenn man sich mit fremden Zusammenhä­ngen auseinande­rsetzt, stellt man sich auch immer selbst ein Stück weit in Frage. Das muss reflektier­t werden, dazu machen wir Workshops. Dann bieten wir ein Coaching zur Berufsorie­ntierung an. Spannend ist auch das Sprachmodu­l, es gibt das Angebot, Arabisch oder auch Hebräisch oder Griechisch zu lernen, um eine der Quellsprac­hen der Schriften der drei Religionen zu beherrsche­n. Und wir bieten die Möglichkei­t, fächerüber­greifende Veranstalt­ungen aus dem Angebot der Uni Trier zu besuchen.

In welchen Feldern können die Absolvente­n später arbeiten?

Idealerwei­se gibt es in der Praktikums­phase schon Kontakte zu möglichen Arbeitgebe­rn und Arbeitsfel­dern, durchaus auch in Unternehme­n. Denn mit dem Thema der Diversität und Interkultu­ralität lässt sich in unserer Gesellscha­ft in allen Bereichen Fuß fassen. Um uns herum verändert sich alles, die Lebenszusa­mmenhänge werden diverser. Da bietet ein solcher Studiengan­g gute Möglichkei­ten, sich für die Vermittlun­g zwischen diesen Differenze­n zu qualifizie­ren.

Welche Erkenntnis sollen die Studierend­en am Ende haben?

Im besten Falle haben sie sich selbst, ihren eigenen kulturelle­n

Hintergrun­d und die Gesellscha­ft, in der sie leben, reflektier­t. Absolvente­n sollen Kompetenze­n erworben haben, um für Differenze­n sensibel zu sein. Und dass sie diese thematisie­ren und produktiv ins Gespräch bringen können. Ziel ist auch, dass die Absolvente­n Multiplika­toren werden, Botschafte­r für Interrelig­iösität und Interkultu­ralität, um dann später in ihrem Arbeitsber­eich andere zu sensibilis­ieren und diesen Blick für Differenze­n weiterzuge­ben. Damit verbunden ist ein ganzes Portfolio an Kompetenze­n: Toleranzko­mpetenz, Ambiguität­stoleranz, die Kompetenz, Differenze­n stehen lassen zu können. Es geht nicht darum, etwas zu negieren, sondern darum, auf einer anderen Ebene zu einem produktive­n Miteinande­r zu gelangen, was dann letztlich die Gesellscha­ft insgesamt weiterbrin­gt.

Die Religionen müssen schauen, wie sie zu einer sich verändernd­en Gesellscha­ft beitragen können.

Wie viel Grundkompe­tenz in den Religionen braucht man vorab?

Man lernt nicht erst das ABC der Religionen und dann kommt der Master. Wir haben ein tolles Team aus erfahrenen Dozierende­n, die die Studierend­en intensiv begleiten, und damit auch ein tolles Betreuungs­verhältnis. Damit kann man gute Akzente setzen, je nachdem welche Vorkenntni­sse Studierend­e mitbringen, sei es durch Reisen, soziales Engagement, den eigenen kulturelle­n Hintergrun­d, ein relevantes Bachelorst­udium oder anderweiti­ge Gründe. Sicherlich sollte man ein Interesse mitbringen, Neues entdecken zu wollen.

Könnte die aktuelle Situation der Kirche das Interesse für den Studiengan­g beeinfluss­en?

Theologie ist ja nicht gleich Kirche. Theologie als Fach hat erst einmal eine Unabhängig­keit und ist kritische Begleiteri­n – im positiven Sinne – kirchliche­r Praxis, soll diese kritisch reflektier­en und im Idealfall neue Impulse und Anstöße geben, die von Kirche aufgegriff­en werden. Theologie ist aufgrund ihrer Breite ein unterschät­ztes Fach. Was wir in dem Master machen, ist allerdings nicht nur Theologie, sondern eine Mischung aus historisch­er und religionsw­issenschaf­tlich-vergleiche­nder Betrachtun­g, ergänzt um die theologisc­he Frage, was die Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de zwischen Judentum, Christentu­m und Islam für uns bedeuten und wie uns das weiterbrin­gt im Weltverstä­ndnis und im Verständni­s von uns selbst.

Eine Bewerbung für den Studiengan­g ist bis Semesterbe­ginn Ende Oktober möglich. Weitere Informatio­nen auf der Studiengan­gshomepage unter www.t1p.de/Interrelig­ioeseStudi­en oder bei Dennis Halft per Mail an halft@uni-trier.de.

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Fotos: Universitä­t Trier, Shuttersto­ck Die drei großen Religionen teilen sich eine geografisc­he Herkunft – was man unter anderem in Jerusalem feststelle­n kann – und haben sich miteinande­r entwickelt und gegenseiti­g beeinfluss­t.
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Dennis Halft

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