Über Stock und Stein
Der Müllerthal-Ultratrail bekommt eine neue Strecke und legt Wert auf ökologische Aspekte
Es gibt kaum ein Fleckchen in Luxemburg, wo die Natur so schön ist wie im Müllerthal. Das dachte sich auch eine Gruppe von 20 Sportlern rund um Dr. Marc Kayser, die ihre Grenzen immer weiter austesten wollten und in den 1990er- und 2000er-Jahren bei ihren Trail-Abenteuern die halbe Welt bereisten. Der „Le Grand Raid de La Réunion“im französischen Übersee-Département La Réunion (160 km bei 10 000 Höhenmetern) ab 1998, der Marathon des Sables, ein Etappenrennen über 200 km durch die Wüste Marokkos ab 2000, und der Ultratrail Mont Blanc (171 km 10 000 Höhenmeter) ab 2005 sind dabei in besonderer Erinnerung geblieben.
Doch was hat das jetzt mit dem Müllerthal zu tun? Ganz einfach – auf all diese außergewöhnlichen Sportveranstaltungen hat sich die Gruppe auf den steilen, felsigen und wunderschönen Naturpfaden des Luxemburger Unesco-Weltkulturerbes vorbereitet. Zwei Dinge sind den Trainierenden dabei aufgefallen. Zuerst die unbeschreibliche Schönheit der Natur, aber auch, dass unter den vielen Sprachen, die man dort hörte, nur wenig luxemburgisch geredet wurde.
Es war der Moment, in dem eine Idee geboren wurde. „Wir wollten einem größeren Luxemburger Publikum den Trail-Sport näherbringen und so veranstalteten wir den ersten Müllerthal-Ultratrail im Jahr 2016“, erklärt der 67-jährige Arzt. Die Veranstaltung entpuppte sich als voller Erfolg, obgleich bei den Umweltbehörden im Vorlauf viel Überzeugungsarbeit geleistet werden musste. Am Ende gab es aber ein Konzept, das alle zufriedenstellte.
So einigte man sich beispielsweise auf eine Obergrenze von maximal 700 Teilnehmern, bei den insgesamt vier verschiedenen Kategorien – dem Ultratrail, dem Longtrail, dem Trail und dem Shorty – die angeboten wurden. Und so wird es heute und morgen auch wieder sein, wenn die ExtremWanderer sich auf den Weg durch das Müllerthal machen und dabei so manche mystisch verwunschene Stelle passieren werden.
Rücksicht auf Natur und Tierwelt Die längste Strecke, der Ultratrail über 111 km und 3 400 Höhenmeter, erhält dabei ein völlig neues Gesicht. Erstmals ist nämlich nicht Echternach, das unter dem Jahrhunderthochwasser 2021 sehr zu leiden hatte, Start- und Zielort, sondern die Heringer Millen. Dies sei auch ein Verdienst der Gemeinde Waldbillig und dem Team der Heringer Millen, die den Organisatoren der Veranstaltung tatkräftig zur Seite standen.
An der Königsdisziplin dürfen aus Rücksicht auf Natur und Tierwelt nur maximal 120 Personen teilnehmen, wobei die „normalen“Läufer heute um 22 Uhr starten und die Elite gut zwei Stunden später um fünf Minuten nach Mitternacht. Auf der neuen Streckenführung geht es dann über Befort, Bigelbach, Fels zur Heringer Millen und von dort in einer
Schlaufe über Berdorf, Wanterbaach, das Echternacher Trooskneppchen sowie die Consdorfer Mühle zurück zum neuen Startund Zielort.
Jeder Teilnehmer wird dann auch einen eigenen Trinkbecher dabeihaben, um der Verschwendung von Einwegbehältern an den Verpflegungsstationen vorzubeugen, während die Stirnlampen der Läufer eine Stärke von 800 Lumen nicht überschreiten sollen. Sobald der letzte Ultratrailer eine Passage abgeschlossen hat, wird ein eigenes Aufräumteam sämtliche Schilder und Hinweisbänder unverzüglich entfernen. Ein biologisch abbaubares Spray zum Zeichnen von Wegpfeilen an Felsen soll so wenig wie möglich eingesetzt werden. Das Gebiet um die Felsformation der Noumerlëeen hätte man zwar auch gerne in den Kurs aufgenommen, aber man verzichtet nach Rücksprache mit Förstern und den Naturbehörden darauf, da der touristische Andrang dort ohnehin sehr hoch sei.
Luxemburger lieben den Trail
Der Longtrail über 75 km und 1 900 Höhenmeter bleibt in seiner ursprünglichen Form erhalten, ist ebenfalls auf 120 Sportler begrenzt und orientiert sich an den offiziellen Trailrouten R2 und R3 des Müllerthals. Mit 350 Teilnehmern ist der auf 35 km und 1 100 Höhenmeter (nur R2) ausgelegte Trail vor allem bei den Luxemburgern die bevorzugte Strecke, während zum Longtrail und Ultratrail viele Läufer aus den Grenzregionen und von weiter weg anreisen. Für Neulinge gibt es noch den 21 km langen Shorty, der am Trooskneppchen in Echternach startet und wie alle anderen an der Heringer Millen endet.
„Aus meiner Sicht ist der Trail die schönste aller Routen“, freut sich Kayser über das große Interesse der Luxemburger an der mittleren Strecke. „Alle Trails sind nicht nur Werbung für unseren Sport, sondern auch für den Tourismus im Land“, lädt Kayser auch jeden außerhalb der Grenzen des Großherzogtums ein, die kleine Luxemburger Schweiz zu erkunden.
Wer jetzt selbst Lust hat, an den Müllerthal-Trails 2023 teilzunehmen, sollte sich frühzeitig anmelden, da die begrenzten Startplätze oft schnell vergeben sind. Wer will, kann aber auch auf eigene Faust – am besten mit Wanderkarte – über Stock und Stein die verschlungenen Pfade dieser besonderen Region erkunden.