Luxemburger Wort

„Die Queen hatte großes Geschick im Umgang mit Menschen“

Großherzog Henri blickt im Interview auf seine Begegnunge­n mit Königin Elizabeth II. zurück

- Interview: Michael Merten

Großbritan­nien trauert um seine Königin Elizabeth II. – und auch das luxemburgi­sche Staatsober­haupt ist tief bewegt und betrübt über das Ableben der Rekord-Herrscheri­n. „Die Anteilnahm­e der Bevölkerun­g ist extrem groß – nicht nur in Großbritan­nien, sondern auch anderswo“, sagte der 67-Jährige, der die Königin über Jahrzehnte gut gekannt hat, am Freitag im Interview mit dem „Luxemburge­r Wort“.

Monseigneu­r, zahlreiche Luxemburge­rinnen und Luxemburge­r trauern in diesen Tagen um Königin Elizabeth II. „Wir sind dankbar für die enge Verbundenh­eit unserer Familien“haben Sie in Ihrer Kondolenzb­otschaft an König Charles III. geschriebe­n. Welche persönlich­en Erinnerung­en verbinden Sie mit der Verstorben­en?

Ich habe die Königin schon als kleiner Junge kennengele­rnt, weil ich mit meinen Eltern in den 70erJahren mehrfach in England war. Sie hatte eine formidable Ausstrahlu­ng. Sie war sehr angenehm und hatte ein großes Geschick im Umgang mit anderen Menschen. Zusammen mit der Großherzog­in habe ich sie zu vielen Gelegenhei­ten, etwa zu Festen in England besucht; es war einfach schön, ihr zu begegnen.

Die Königin hat sich über die Jahrzehnte einen Ruf als fleißige und disziplini­erte Regentin erworben, die immer 100 Prozent gegeben und sich niemals über irgendetwa­s beschwert hat. Das ist das öffentlich­e Bild – wie haben Sie sie erlebt?

Sie hat sich in der Tat nie über etwas beschwert – zumindest nicht in der Öffentlich­keit. Ich denke, privat hatte sie auch ihren Charakter. Sie und Prinz Philip liebten sich sehr; das war etwas ganz Besonderes. Wir haben nie über Politik gesprochen. Wir haben hier und da einmal über die Ökonomie gesprochen.

Als Ihr Vater, Großherzog Jean, und seine Gemahlin Joséphine Charlotte 1972 Großbritan­nien besuchten, erinnerte die Queen daran, dass ihr Land „in den dunklen Tagen von 1940“in der Lage gewesen sei, „Ihrer Mutter, der allseits beliebten Großherzog­in Charlotte Zuflucht zu bieten“. Wie sehr haben diese Jahre des Krieges die Beziehunge­n der beiden Familien zueinander geprägt?

Ich glaube schon, dass das der Anfang einer ganz engen Freundscha­ft zwischen beiden Familien war. Man darf nicht vergessen, dass Großherzog­in Charlotte aus Portugal direkt nach Großbritan­nien

gegangen ist, mit der Regierung. Sie haben sich dort regelmäßig getroffen. Mein Vater ist dann in die englische Armee eingetrete­n; er musste damals einen Antrag stellen und bekam eine offizielle Erlaubnis vom englischen König, um der Armee beitreten zu können. Er wurde Oberst der Irish Guards und hat noch bei den Trooping the Colour teilgenomm­en. Für ihn war das etwas ganz Besonderes. Und ich glaube, auch für die Beziehunge­n zwischen Großbritan­nien und Luxemburg war das sehr gut.

Ist das etwas, das die Generation­en überdauert?

Ja. Wir hatten in Großbritan­nien relativ oft die Gelegenhei­t, auch mit König Charles zusammenzu­treffen, wir haben Verschiede­nes zusammen unternomme­n. Covid hat das ein wenig gebremst.

In Ihrer Kondolenzb­otschaft schreiben Sie: „Die Königin hat als dienstälte­ste Monarchin die Geschichte des Vereinigte­n Königreich­s maßgeblich mitgestalt­et.“Machen Sie das an konkreten Ereignisse­n fest?

Ich denke, wenn jemand 70 Jahre den Thron innehatte, dann ist er Teil der Geschichte. Die Queen hat einen großen Teil des 20. Jahrhunder­ts und einen erhebliche­n Abschnitt des 21. Jahrhunder­ts miterlebt. Das verschafft­e ihr eine moralische Autorität. Sie stand über den Parteien, über der Politik, doch ihr Einfluss war trotzdem groß. Ihr wurde zugehört – speziell, wenn sie vom Premiermin­ister

besucht wurde, aber auch von verschiede­nen anderen Personen aus der Politik. Niemand weiß natürlich, was bei diesen Audienzen gesagt wurde, aber man kann dabei wichtige Denkanstöß­e mit auf den Weg geben, die vielleicht Durchschla­gskraft haben.

Das sind Botschafte­n, die vielleicht irgendwann einmal an die Öffentlich­keit geraten werden ... oder auch nie?

Vielleicht auch nie... (lacht) Sie sind normalerwe­ise zu zweit. Ich sehe das ja auch hier in Luxemburg: Wenn ich mit dem Premiermin­ister allein bin, ist niemand da, der Notizen aufzeichne­t. Ich glaube nicht, dass im Fall der Audienzen der Queen mit dem Premier Aufzeichnu­ngen gemacht wurden.

Das knüpft daran an, was der frühere US-Präsident Obama in seinem Nachruf betont hat: dass die Queen „für beachtlich­e diplomatis­che Erfolge verantwort­lich“gewesen sei. Das Amt der Königin ist ja ein überwiegen­d repräsenta­tives Amt; politische Entscheidu­ngen werden von der Regierung getroffen. Steckt in einem solchen Amt vielleicht doch mehr Macht, als man es gemeinhin annimmt?

Wenn jemand 70 Jahre in diesem Amt war, nötigt das großen Respekt ab. Ich denke, wenn die Königin etwas sagt – auch in einer kleinen Gruppe von Menschen – dann kann das einen großen Einfluss haben. Auch diplomatis­ch. Im Commonweal­th etwa hat sie aktiv in den Gremien mitgearbei­tet. Die Gespräche wurden natürlich vom Premiermin­ister geleitet,

„Wenn jemand 70 Jahre in diesem Amt war, ist der Respekt sehr groß“, sagt Großherzog Henri über Königin Elizabeth II. Schon als kleiner Junge habe er bei Besuchen mit seinen Eltern Queen Elizabeth II. kennengele­rnt, verrät Großherzog Henri im Interview mit dem „Luxemburge­r Wort“.

Ich denke, dass es wahrschein­lich jetzt für ihn schwierige­r wird, sich so zu engagieren, wie er es vorher als Kronprinz tun konnte.

Sie und Prinz Philip liebten sich sehr; das war etwas ganz Besonderes.

 ?? Foto: Lé Sibenaler/Photothèqu­e de la Ville de Luxembourg ?? Der damalige Erbgroßher­zog Henri (1. Reihe, links) war beim Staatsbesu­ch der Queen in Luxemburg 1976 dabei. Neben ihm (von links nach rechts) Königin Elisabeth II., Prinz Philip und Prinzessin Marie-Astrid.
Foto: Lé Sibenaler/Photothèqu­e de la Ville de Luxembourg Der damalige Erbgroßher­zog Henri (1. Reihe, links) war beim Staatsbesu­ch der Queen in Luxemburg 1976 dabei. Neben ihm (von links nach rechts) Königin Elisabeth II., Prinz Philip und Prinzessin Marie-Astrid.
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