„Man kann den Mond zur Tankstelle machen“
Astronaut Matthias Maurer über die Artemis-Mission und die Rolle des Großherzogtums für die Weltraumforschung
Aus der Rockhal in Esch/Alzette wurde am Freitag eine Mondlandschaft. Astronaut Matthias Maurer war zu Gast, um sich die Projekte der Finalisten der „ESA-ESRIC Space Resources Challenge“anzuschauen. Im Vorfeld nahm er sich Zeit, dem „Luxemburger Wort“einige Fragen zu beantworten.
Matthias Maurer, mit der Mondmission soll das sogenannte Lunar Gateway aufgebaut werden. Was bedeutet die Mission für Sie persönlich?
Das Lunar Gateway wird eine Station sein, die um den Mond fliegen wird. Von dort aus wollen wir dann die Missionen Richtung Mond schicken. Der Mond ist für alle von uns ein riesiges Ziel und auch eine supergroße Inspiration, weil jeder weiß, was der Mond ist. Bei der ISS wissen viele immer noch nicht genau, was das ist und wo sie hinfliegt. Beim Mond wird das einfacher zu erklären sein. Wir wollen dort aus wissenschaftlichen, aber auch aus technologischen Gründen hin.
Was genau sollte uns am Mond interessieren?
Wenn man abends in den Sternenhimmel schaut, welche Fragen gehen einem durch den Kopf? Mir geht durch den Kopf, dass ich das Universum gerne verstehen will – was passiert da, wie ist es entstanden. Wie kam das Leben auf die Erde? Gibt es irgendwo eine zweite Erde da draußen? Das sind Fragen, die mich bewegen. Andere Leute sagen, wir fliegen in den Weltraum, weil es ein Wirtschaftsraum ist.
Welchen Fortschritt würde die Erkundung des Mondes mit sich bringen?
Wenn wir auf den Mond fliegen, wissen wir heute, dass es dort Ressourcen gibt. Das ist in allererster Linie Wasser. Wasser finden wir in tiefen Polarbereichen des Mondes, so tief, dass dort nie die Sonne hineinscheint. Dort ist es extrem kalt. Das ist der Grund, warum das Wassereis dort erhalten geblieben und nicht verdampft ist. Und dieses Wassereis ist eine Ressource zum Trinken, wenn ich dort eine Station aufbauen will. Dann besteht Wasser aus dem Energieträger Wasserstoff und aus Sauerstoff – den kann ich atmen. Wasserstoff und Sauerstoff ist auch Raketentreibstoff. Technologisch kann man den Mond zur Tankstelle machen. Auch für die Telekommunikationssatelliten, und da ist Luxemburg europaweit führend, wäre es wegen der niedrigen Schwerkraft ökonomisch günstiger, sie vom Mond aus aufzutanken und dadurch effizient die Lebenszeit zu verlängern. Aber man muss die Technologie dafür haben.
Was könnte uns die Erforschung des Mondes über die Entstehung der Menschheit verraten?
Wenn wir einen Schritt zurückgehen und schauen, wie dieses Eiswasser auf den Mond kam, dann entstand das in der Frühgeschichte unseres Sonnensystems, in der Phase des sogenannten großen Bombardements, in der viele Asteroiden und Kometen nicht nur auf der Erde, sondern eben auch auf dem Mond eingeschlagen sind. Mit diesen Einschlägen, so die Theorie, kam auch das Wasser auf die Erde. Weiter besagt die Theorie, dass in dem Wasser vermutlich organische Elemente und Bausteine enthalten waren und dann irgendwie das Leben entstanden ist. Wenn wir nach dieser Ursuppe forschen wollen – die wir auf der Erde nicht mehr finden –, wo sollten wir da suchen? Auf dem Mond ist es parallel eingeschlagen, da ist hoffentlich chemisch noch etwas drin in dem Wasser, was uns der großen Frage, wie das Leben auf der Erde entstanden ist, einen riesigen Schritt näherbringt. Daher finde ich es total wichtig, dass wir dorthin gehen und uns das wissenschaftlich anschauen.
Hilft der Mond auch bei der Erforschung anderer Planeten?
Der Mars ist mittlerweile ein Wüstenplanet, hatte aber mal Wasser an der Oberfläche. Das bedeutet, dass da vielleicht mal Leben war. Das gibt es heute an der Oberfläche nicht mehr, aber im Untergrund könnten noch Spuren existieren. Deswegen wollen wir auch zum Mars fliegen. Aber wenn wir das mit der heutigen Technologie tun, dann stopfen wir eine große Rakete voll mit Essen für die Astronauten und mit Treibstoff für den Hin- und Rückflug, und dann ist kein Platz mehr für die Wissenschaft. Ich denke, Exploration muss nachhaltig sein. Ich muss Zeit haben, Wissenschaftler und Experimente mitbringen. Das kann ich nur, wenn ich lerne, wie ich die Ressourcen vor Ort nutzen kann. Auf dem Mars könnte man eine Station bauen und mit den Ressourcen vor Ort Treibstoff, Sauerstoff und Nahrung produzieren. Das auszuprobieren ist aber ein totales Risiko,
denn wenn man einmal dort ist und es klappt nicht, hat man sozusagen Pech gehabt. Wenn es auf dem Mond schiefgeht, ist man in einer Woche wieder zu Hause, kein Problem. Daher ist der Mond technologisch auch ein Sprungbrett Richtung Mars.
Wie beurteilen Sie die Bestrebungen Luxemburgs beim Space Mining eine Vorreiterrolle einzunehmen?
Find ich total klasse. Es ist ja eigentlich ein sehr kleines Land, aber in der Raumfahrt-Community ist Luxemburg ein Big Player, weil es supervisionär ist. Viele andere Länder und ihre Politiker denken nur in Legislaturperioden. Nach dem Motto: Wenn ich jetzt in etwas investiere, muss es am Ende der Amtszeit etwas ergeben, sodass ich gut aussehe. Aber das geht in der Raumfahrt nicht. Man braucht Regierungen, die den Weitblick haben, die eine Strategie verfolgen. Und Luxemburg ist in diesem Bereich der absolute Musterschüler in der Esa.
Wie lange muss man in der Raumfahrt investieren, um Erfolge zu erzielen?
Das kann zehn Jahre dauern oder auch 20. Aber wir sehen jetzt schon, dass in Amerika der Markt für kommerzielle Raumfahrt wahnsinnig wächst. Ich bin mit einer Privatfirma zur ISS geflogen – SpaceX. Diese Firma fliegt mittlerweile Touristen ins All. Sie verwenden ihre Raketen und ihre Kapseln wieder. Demnächst wird die SpaceX-Rakete Starship abheben. Und wenn das passiert, wird Elon Musk sagen: Wir tanken auf und fliegen sofort wieder. Dann kostet ein Start eine Million Dollar. Bei der SLS-Rakete (Space Launch System von der Nasa,
Anm. der Red.), die beim ArtemisProgramm zum Einsatz kommt und in klassischer Art und Weise entwickelt wurde, kostet ein Start vier Milliarden Euro. Wenn also das Starship fliegt und jede Menge nutzbares Material hochbringen kann, dann haben wir ganz andere Möglichkeiten, um dort oben Experimente oder Space Mining durchzuführen. Mit den Dienstleistungen im erdnahen Orbit lässt sich hervorragend Geld verdienen. Und das weiß Luxemburg besser als alle anderen Länder – alleine schon wegen SES.
Enorm schnell, auf jeden Fall viel schneller als die Weltwirtschaft insgesamt. Wir sollten den USA dieses Geld nicht alleine überlassen. In Luxemburg sitzen Leute, die das wirklich verstanden haben. Alle anderen in Europa muss man noch ein bisschen wachrütteln.
Ja, klar! Wir sind gegenwärtig sieben aktive Astronauten im europäischen Astronautencorps, die alle schon ein wenig Mondtraining durchgeführt haben. Aktuell ist mein Kollege Alexander Gerst im Training. Wir alle hoffen auf einen Flug Richtung Mond. Das wird sehr spannend. Ich bin erst kürzlich gelandet und ein oder zwei Jahre danach ist man als Astronaut nicht im Training für eine neue Mission. Weil die Mondmissionen für uns Europäer aber erst 2024 oder 2025 starten, liege ich voll im Zeitplan. Vorher muss ich nicht anfangen zu trainieren. (lacht)
Welche Entwicklungen haben Sie besonders überrascht, als sie aus dem All zurückgekehrt sind?
Als ich losgeflogen bin, war die Welt eigentlich noch heil. Klar, der Ukraine-Krieg hat viel verändert und auch die Esa und ihre Projekte getroffen. Das ExoMarsRover-Projekt ist beispielsweise eingestellt worden. Das ist schon bitter und belastet natürlich auch die Beziehungen zwischen den Ländern. Das ISS-Programm ist das einzige Raumfahrtprogramm, das wir noch haben, in dem wir international noch zusammenarbeiten. Und das muss auch so erhalten bleiben, weil wir nach diesem Krieg eine Brücke brauchen. Wir müssen die Tür einen Spalt offenlassen, um wieder friedlich miteinander arbeiten zu können.
Der Mond ist technologisch auch ein Sprungbrett Richtung Mars.