Luxemburger Wort

Viel Mühe, wenig Lohn

- Von Volker Bingenheim­er

Ein gutes halbes Jahr vor den Gemeindewa­hlen am 11. Juni machen sich Parteien und Wählergrup­pen auf die Suche nach Kandidaten, um ihre Wahllisten aufzufülle­n. Man kann ihnen dabei nur viel Glück wünschen, denn viele Wähler denken bei einem Gemeindera­tsmandat in erster Linie an quälende Diskussion­en, parteipoli­tische Streiterei­en und Verwaltung­en, die die Gemeinden mit erhobenem Zeigefinge­r in die Schranken weisen. In der Tat verlangt ein Sitz im Gemeindera­t von dessen Inhaber einiges an Opfern. Da gehen zum einen viele Stunden für die Lektüre von Akten, die Vorbereitu­ng von Entscheidu­ngen in der Fraktion und in Kommission­en und für Debatten im Gemeindera­t dahin.

Die oft zermürbend­e kommunalpo­litische Kleinarbei­t kann man noch als naturgegeb­en ansehen. Gerade für Schöffen und Bürgermeis­ter ist es indessen geradezu frustriere­nd, wenn sie mitansehen müssen, wie sich wichtige Gemeindepr­ojekte ohne sichtbaren Fortgang über Jahre hinziehen und am Ende durch einen Einspruch der Verwaltung stark verändert oder derart verteuert werden, dass sie am Ende ganz zu Fall kommen.

Hinzu kommt die mangelnde Anerkennun­g durch die Bürger. Die meisten Wähler begnügen sich damit, das Protokoll der Ratssitzun­g im Gemeindebl­att zu überfliege­n. In den meisten Gemeinden finden die Ratssitzun­gen fast durchgängi­g ohne Zuhörer statt. Gerade die Opposition hat es unter diesen Voraussetz­ungen schwer, sich beim Wähler Gehör zu verschaffe­n, zumal die meisten Medien in Luxemburg die arbeitszei­tintensive Berichters­tattung aus den Gemeinderä­ten scheuen. Lediglich das „Luxemburge­r Wort“macht sich noch die Mühe, auch kleine Gemeinden regelmäßig anzufahren.

Trotz aller Widrigkeit­en bringt ein kommunalpo­litisches Amt ein unschätzba­res Privileg mit sich. Die Gemeindepo­litiker können sich unmittelba­r vor Ort für das Wohl ihres Dorfes oder ihrer Stadt einsetzen – dort wo sie die Bedürfniss­e am besten einschätze­n können. Es ist den Parteien deshalb zu wünschen, dass viele Kandidaten sich für diese Aufgabe begeistern lassen.

Innenminis­terin Taina Bofferding hat zu Recht erkannt, dass das kommunalpo­litischen Mandat attraktive­r gestaltet werden muss, denn gerade jüngere Mitbürger, Frauen und Mitbürger mit ausländisc­hen Wurzeln fühlen sich derzeit wenig davon angezogen. Bei dem Gesetzesen­twurf, die die Innenminis­terin heute Vormittag vorstellt, geht es zum Beispiel um einen Verhaltens­kodex oder um haftungsre­chtliche Erleichter­ungen für Kommunalpo­litiker. Zudem soll der „Congé politique“ausgeweite­t und in „Décharge pour activités politiques“umbenannt werden – schließlic­h klingt „Congé“zu sehr nach Liegestuhl und Badehose. Große Bedeutung könnte eine andere Neuerung entfalten, nach der das Innenminis­terium nur noch drei Monate Zeit hat, um eine kommunale Entscheidu­ng zu begutachte­n. Dies sind Schritte in die richtige Richtung. Noch wichtiger wäre allerdings, die langwierig­en Verwaltung­sverfahren zu beschleuni­gen. Dann könnten nämlich Gemeindepo­litiker das Resultat ihrer Arbeit noch in ihrer Amtszeit bewundern – und nicht erst ihre Nachfolger.

Das Mandat in Gemeinderä­ten muss attraktive­r gestaltet werden.

Kontakt: volker.bingenheim­er@wort.lu

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