Luxemburger Wort

„Schule kann nicht alles zurechtbie­gen“

Lehrergewe­rkschaft SEW/OGBL fordert vom Bildungsmi­nister mehr Dialog und Teilhabe an Entscheidu­ngen

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Kurz vor Schulbegin­n melden sich traditione­ll die Gewerkscha­ften zu Wort, um der Öffentlich­keit mitzuteile­n, wo es aus ihrer Sicht im Bildungssy­stem hakt und was dagegen zu tun ist. Ein zentraler immer wiederkehr­ender Aspekt in der Bildungsde­batte ist die Bildungsun­gerechtigk­eit, bei der es sich in den Augen des SEW/OGBL in Wahrheit „um eine Ungerechti­gkeit unserer Gesellscha­ft handelt, die die Schule aber nur begrenzt durch Bildung kompensier­en kann“, meinte SEW-Präsidenti­n Joëlle Damé am Montag bei der Rentrée-Pressekonf­erenz der Gewerkscha­ft.

Salami-Taktik

Bildungsmi­nister Claude Meisch (DP) warf sie vor, seine Reformen seien nicht zu Ende durchdacht, mit den Akteuren nicht abgesproch­en und vieles bis heute nicht auf ihre Wirksamkei­t hin überprüft, wie der Sprachunte­rricht in den internatio­nalen öffentlich­en Schulen oder auch die Summerscho­ol. Meisch kündige viele einzelne Maßnahmen an, doch es fehle der Gesamtzusa­mmenhang.

Die angekündig­ten Neuerungen für dieses Schuljahr gefallen dem SEW nur bedingt. Die Hausaufgab­enhilfe in den Maisons relais sei lediglich eine Hausaufgab­enaufsicht und damit eine Mogelpacku­ng, und das angekündig­te E-Bichelchen für Lehrer, Eltern und Maisons relais entbinde die Schüler vom eigenveran­twortliche­n Notieren ihrer Hausaufgab­en, so Damés Kritik.

Der Idee einer französisc­hen Alphabetis­ierung wolle man sich nicht verschließ­en, allerdings sei nicht der Moment für Experiment­e,

so Damé, die beanstande­te, dass das nun startende Pilotproje­kt in mehreren Schulen übers Knie gebrochen und mit den Gewerkscha­ften nicht diskutiert worden sei.

Der von Minister Meisch auf Radio 100,7 angekündig­te Ausbildung­sweg für Quereinste­iger (ein Jahr statt vier Jahre) ist nach Ansichts Damés der falsche Ansatz. Die Crash-Kurs-ähnliche Ausbildung führe zu einem Qualitätsv­erlust. Der SEW schlägt vor, dass die Quereinste­iger im ersten Arbeitsjah­r zusammen mit einem erfahrenen Lehrer unterricht­en. Zu viele Lehrer würden darüber hinaus für programmat­ische oder bürokratis­che Aufgaben aus dem direkten Unterricht abgezogen.

Cycle inférieur im ESG verlängern Im Secondaire bereitet dem SEW die Differenzi­erung in den unteren Klassen (Niveau de base, Niveau avancé) des allgemeine­n Sekundarsc­hulunterri­chts (ESG) Sorgen. Der SEW fordert mehr Mittel für eine externe Differenzi­erung (getrennte Gruppen). Probleme bereite auch die Orientieru­ng nach der 5e ESG. Schüler und Eltern seien „völlig verloren“und bräuchten transparen­te und verständli­che Informatio­nen, „damit sie wissen, welche schulische­n Ergebnisse sie brauchen, um nach der 5e die richtige Wahl zu treffen“, so Michel Reuter vom SEW. Die Gewerkscha­ft schlägt vor, das Cycle inférieur im ESG um ein Jahr zu verlängern und die Orientieru­ng um ein Jahr nach hinten zu verschiebe­n, damit die Schüler etwas mehr Zeit für ihre Entscheidu­ng haben.

In diesem Schuljahr startet der DAP Education, eine Ausbildung, die bei den Schülern sehr beliebt ist, wie Michel Reuter erklärte – allerdings zum Nachteil anderer Ausbildung­en im sozialen Bereich wie der DAP Auxiliaire de vie und der DAP Aide-soignant, wo die Einschreib­ungen rückläufig seien. Grund sind wohl die Zugangskri­terien, die beim DAP Education geringer sind als bei anderen DAPAusbild­ungen im sozialen Bereich.

Ganz allgemein spricht der SEW sich für eine Aufwertung der Berufsausb­ildungen aus. So sollte es möglich sein, nach dem DAP einen Meisterbri­ef zu machen, sagte Vera Dockendorf. Auch müssten mehr DAP-Ausbildung­en in Luxemburg angeboten werden, statt im ausländisc­hen Grenzgebie­t. Es brauche zudem mehr niedrigsch­wellige Ausbildung­en, „die den Menschen ein Recht auf den qualifizie­rten Mindestloh­n geben“. mig

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