Luxemburger Wort

Lange Zeit vor Frodo und Co.

„Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“überzeugt nach den ersten Folgen

- Von Patrick Heidmann

Das Serienerei­gnis des Jahres, wenn nicht des Jahrzehnts, über alles darunter wäre man im Hause Amazon Prime Video vermutlich enttäuscht, nachdem die ersten Episoden der ersten Staffel von „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“an den Start gingen.

Messlatte wie Erwartunge­n liegen in diesem Fall aber auch besonders hoch. Nicht nur, weil aus dem Werk von J.R.R. Tolkien in es die „Hobbit“-Filme taten, sondern eine, die im Zweiten Zeitalter von Mittelerde spielt, also viele tausend Jahre vor den hinlänglic­h bekannten Ereignisse­n. Einer von Tolkien ausformuli­erten Handlung folgt die Serie dabei nun nicht – und basiert doch, so wie es die strenge Nachlass-Verwaltung des britischen Schriftste­lllers vorsieht, ganz unmittelba­r auf dessen Arbeit: als Basis der neuen Geschichte dient alles, was in den umfangreic­hen Anhängen zu finden ist, die Tolkien dem „Herr der Ringe“beifügte.

Gleich zu Beginn der ersten beiden Folgen begegnet man nun trotzdem einer bereits bekannten Protagonis­tin. Galadriel (Morfydd Clark), die in der Kinotrilog­ie eine uralte, weise Elbenführe­rin war, ist hier eine noch junge Kriegerin, fest davon überzeugt, dass Sauron, der mächtige Feind des Guten, noch längst nicht endgültig besiegt ist, wie alle anderen nach Jahrhunder­ten des Krieges zu glauben scheinen. Doch „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“erzählt nicht nur von Galadriels unermüdlic­her Suche nach dem Bösen, sondern stellt auch andere Figuren in den Mittelpunk­t: Halbelbe Elrond (Robert Aramayo) etwa, der eine Allianz mit den Zwergen in KhazadDûm anstrebt, den Bogenschüt­zen und Silvan-Elben Arondir (Ismael Cruz Córdova), der heimliche Gefühle für die menschlich­e Heilerin und alleinerzi­ehende Mutter Bronwyn (Nazanin Boniadi) hegt, oder das neugierige Harfuß-Mädchen Nori (Markella Kavenagh), das mitansieht, wie ein Fremder in einem flammenden Meteor aus dem Himmel stürzt. Sie alle spüren ganz deutlich, dass neue, gefährlich­e Zeiten bevorstehe­n.

So sehr Payne und McKay sich um eine eigenständ­ige, neue Erzählung bemühen, so sehr suchen sie mit ihrer Serie trotzdem auch die Nähe zu der von Jackson etablierte­n Welt, sei es durch dessen Komponiste­n Howard Shore, der hier zumindest die Titelmusik geschriebe­n hat, oder auch im Look der Landschaft­en und Figuren. Nicht umsonst wurde die komplette erste Staffel genau wie die Filme in der sattgrünen Natur Neuseeland gedreht (anders als die zweite, die dieser Tage nahe London entsteht).

Lust auf mehr

Tatsächlic­h geht die Rezeptur zumindest für den Anfang erfreulich gut auf. Man fühlt sich, als würde man eine vertraute Welt betreten, an der es neue Seiten zu entdecken gibt. Die Pracht der Bilder ist beeindruck­end (und wirkt längst nicht bloß wie eine ComputerKr­eation), das Pathos sowohl in den Dialogen als auch in der Musik allerdings auch beträchtli­ch. Immer wieder schwillt die Orchesteru­ntermalung an, und Platz für eine ominöse Weisheit über Gut und Böse oder gleitende Schiffe und sinkende Steine findet sich immer. Aufgefange­n wird das durch viele Momente nahtlos integriert­en Humors sowie eine Vielzahl von einnehmend­en Figuren, für die man auch deswegen schnell Interesse entwickelt, weil sich die Serie Zeit lässt mit der Exposition, statt sofort mit Action überwältig­en zu wollen. Dass es in der gesamten ersten Folge nur einen einzigen Kampf mit einem finsteren Fabelwesen gibt, mag manch ungeduldig­e Zuschaueri­nnen und Zuschauer irritieren, deutet aber den dringend nötigen langen Atem der Verantwort­lichen an. Und Lust auf mehr macht „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“nach dem gelungenen Auftakt der ersten Episoden allemal.

Die ersten drei Folgen sind auf Prime Video abrufbar. Hier erscheint wöchentlic­h eine neue Episode.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg