Düstere Aussichten
Das Théâtre National du Luxembourg präsentiert seine neue Spielzeit und setzt den Fokus auf „Nacht und Träume“
Klaviertöne erklingen, ein leicht bedrückende und melancholische Stimmung macht sich im Saal des Théâtre National du Luxembourg (TNL) breit. Es ist Franz Schuberts Stück „Nacht und Träume“, das die Pressekonferenz des TNL am Montagmorgen einleitet. Unter diesem, eher düsteren Motto („Nacht und Träume“), steht auch die Spielzeit der kommenden Saison, die ebendort von Frank Hoffmann – Intendant des TNL – und dem Dramaturgen Florian Hirsch vorgestellt wurde.
„Die Pandemie ist noch nicht überwunden, jetzt wütet ein zerstörerischer Krieg, das Klima steht kopf“heißt es nicht nur in der Broschüre des Theaterhauses, sondern das betont Frank Hoffmann auch gleich zu Beginn der Konferenz. Für die Saison 2022/23 stehen dabei sowohl die dunklen Seiten der heutigen Zeit als auch die (utopischen) Träume und Albträume der Menschen im Fokus.
Ganz im thematischen Rahmen macht dann auch Frank Hoffmanns und Florian Hirschs szenische Lesung „Nacht und Träume/Weltuntergang“am 23. September den Auftakt der neuen Spielzeit. Zwei gegensätzliche Texte zweier unterschiedlicher Autoren – Samuel Beckett und Jura Soyfer – werden hier miteinander vereint und laden zu einem „symbolischen Abend“ein.
Luxemburgisches Theater
Als potenzielles Highlight der Saison kristallisiert sich das luxemburgische „Café Terminus“heraus. Die Koproduktion des Ettelbrücker CAPE spielt während einer krisenhaften Zeit in Luxemburg. Eine Gruppe an Menschen hat sich, aus Angst vor den Geschehnissen und der Zukunft, in einer alten Kneipe zurückgezogen und lebt dort in ihrer eigenen Realität. Unter der Regie von Frank Hoffmann stehen hier mehr als zehn, in Luxemburg bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Bühne. Darunter auch Marc Baum, Nora Koenig, Philippe Thelen und Serge Tonnar.
Die „Lëtzebuerger Literaturnuecht“wurde erstmals im Mai 2022 organisiert und findet nächstes Jahr, am 10. Februar, nun ein zweites Mal im TNL statt. Wie bereits bei der ersten Literaturnacht werden hier hiesige Autorinnen und Autoren bis spät in den Abend hinein ihre Texte vortragen – diesmal zum Thema „Nacht und Träume“.
Mit „Every Minute Motherland“kommt im November eine polnisch-ukrainische Tanzproduktion nach Luxemburg. „Wir freuen uns sehr, diese Performance bei uns im TNL empfangen zu können, auch als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine und den Geflüchteten“, so Florian Hirsch.
Das internationale Tanzprojekt, „We Thought We Knew What We’re Doing“, ist in den kommenden Monaten ebenfalls im TNL zu sehen. Hier ist der Titel, wie die künstlerische Leiterin Emanuela Iacopini erläutert, als „Metapher für das Leben“zu verstehen.
Krisen und Dystopien
Neu auf dem Programm des TNL: ein Theaterstück in spanischer Sprache. „Est noche todo será diferente“von Roland Schimmelpfennig wurde 2015 auf dem Internationalen
Theaterfestival in Havanna uraufgeführt und später zensiert. Jetzt kommt es im Dezember nach Luxemburg.
Als heitere, amüsante Produktion mit Tiefgang präsentiert sich Gintare Parulytes „Lovefool“– eine einstündige „One-woman Show“, die im November und Dezember im TNL aufgeführt wird. Dagegen wirkt „Schwarze Spiegel“, in dem sich die Regisseurin Kathrin Herm Arno Schmidts gleichnamiger, komplexer Erzählung annähert, deutlich düsterer. Florian Hirsch beschreibt den Text als ein Gedankenexperiment, das die Konsequenzen des menschlichen Handelns und Nichthandelns aufzeigt.
Ein weiterer Höhepunkt der Spielzeit 2022/23 dürfte Margarita Mladenovas und Ivan Dobchevs „Dekalog der Angst“sein. Das Projekt, an dem Florian Hirsch als Dramaturg beteiligt ist, inspiriert sich an Ray Bradburys dystopischen Roman „Fahrenheit 451“und handelt, wie Frank Hoffmann erklärt, von „der Rettung der Literatur“.
„Weinender Mond“heißt das Musiktheaterstück von Claude Lenners, Jacques Schiltz und Claire Wagener, das sich ebenfalls mit der krisenlastigen Zeit und den Problemen der heutigen Gesellschaft auseinandersetzt. Damit steht eine weitere, eher düstere Produktion auf dem Programm.
Erheiternde Akzente
Die kommende Spielzeit im TNL scheint also alles andere zu werden als leichte Kost – oder etwa nicht?
Ganz so bedrückend wird es dann trotzdem nicht, denn immerhin werden auch Stücke wie Stefan Maurers „Stella“– basierend auf Goethes gleichnamigen Schauspiel – und „Opus Lunae“, ein musikalisches Stück für die ganze Familie, aufgeführt.
Neben der „Lëtzebuerger Literaturnuecht“organisiert das TNL in den kommenden Monaten noch weitere Lesungen und Diskussionsrunden wie etwa am ersten Oktoberwochenende mit „Schnéiwäiss Männer“, wo Guy Rewenig und Claude D. Conter sich auf der Bühne begegnen.
Wiederaufnahmen sind eine Form von Nachhaltigkeit. Frank Hoffmann, Intendant des TNL
Im Rahmen der Autorenresidenz, die nun über zwei Spielzeiten hinweg andauernd wird, stellt der Schriftsteller und Literaturkritiker Samuel Hamen im März Texte von Anna Kavan vor. Für die darauffolgende Saison ist ein weiteres Projekt geplant.
In der neuen Spielzeit werden allerdings nicht nur neue Produktionen auf die Bühne gebracht, sondern es sind ebenfalls einige Stücke aus der vorherigen Saison zu sehen, so etwa „La Peste“, „Zauberberg“(beides von Frank Hoffmann inszeniert) und Véronique Fauconnets „Chanson Douce“. „Wiederaufnahmen sind eine Form von Nachhaltigkeit“, betont Frank Hoffmann und will damit auch einer der Forderungen des Kulturministeriums nachkommen.
Mehr Informationen zu den einzelnen Produktionen sowie zu den Vorstellungsterminen finden Sie unter:
www.tnl.lu