Volle Kraft voraus
Neun Luxemburger Radfahrer nehmen die Skoda Tour in Angriff
Die Organisatoren der Luxemburg-Rundfahrt um den Präsidenten Andy Schleck hatten es in diesem Jahr schwerer als in der Vergangenheit. Nicht etwa, um die Streckenführung auszuwählen, auch wenn dies stets – vor allem wegen des noch jungen Formats mit einem Einzelzeitfahren – mit etwas Kopfzerbrechen einhergeht. Auch die steigenden Anforderungen in den Bereichen Sicherheit und TV-Übertragung wurden gemeistert.
Sorgen bereitete eher eine Tatsache, die man nur bedingt beeinflussen kann: die Zusammensetzung des Pelotons. Der internationale Kalender spielt der Skoda Tour Luxembourg in diesem Jahr nicht in die Karten. Die Fahrer, die noch bis Sonntag die dreiwöchige Spanien-Rundfahrt bestritten haben, werden heute nicht auch noch in Luxemburg starten.
Ohne Jungels und Kirsch
Die beiden kanadischen WorldTour-Rennen in Québec und Montréal fanden erstmals seit drei Jahren wieder statt. Letzteres endete am Sonntagabend Luxemburger Zeit – fast unmöglich, da die Skoda Tour weniger als zwei Tage später ausgeschlafen, ohne Jetlag und mit Ambitionen zu absolvieren.
Die belgischen Eintagesrennen GP de Wallonie (heute) und Primus Classic (Samstag) ziehen zudem so manch interessanten Teilnehmer an. Namen wie Mathieu van der Poel (NL), Jasper Philipsen (B), Greg van Avermaet (B), Arnaud Démare (F), Bryan Coquard (F) oder Fabio Jakobsen (NL) hätten der Luxemburg-Rundfahrt gut zu Gesicht gestanden, denn die Teams dieser Stars sind alle ebenfalls im Großherzogtum dabei.
Und dann ist da noch die WM, die vom 18. bis 25. September im australischen Wollongong über die Bühne geht. Das Einzelzeitfahren der Männer findet am Tag nach der letzten Skoda-Tour-Etappe statt.
Für das Straßenrennen der Männer am 25. September reisen viele Fahrer bereits mehr als eine Woche vorher an.
Statt Joao Almeida (P), Marc Hirschi (CH), Matteo Cattaneo (I), Vincenzo Nibali (I), Nairo Quintana (COL), David Gaudu (F) und Thibaut Pinot (F) heißen die Stars im Skoda-Tour-Peloton deswegen in diesem Jahr Davide Ballerini (I), Florian Sénéchal (F), Giulio Ciccone (I), Valentin Madouas (F), Rafal Majka (PL) und Matteo Trentin (I). Das liest sich immer noch gut, auch wenn das Feld in diesem Jahr in der Breite weniger stark besetzt ist. 113 Fahrer gehen heute um 12.30 Uhr ins Rennen, immerhin sechs Teams aus der Königsklasse WorldTour geben sich die Ehre: Quick-Step Alpha Vinyl, UAEEmirates, Ag2r-Citroën, Cofidis, Groupama-FDJ und Trek-Segafredo sind am Start.
Besonders interessant ist der Blick auf die Luxemburger Fahrer. Zwei große Namen fehlen: Alex Kirsch (Trek) und Bob Jungels (Ag2r), die beide bis Sonntag bei der Spanien-Rundfahrt im Einsatz waren. Kirsch tankt den Akku im Kreise der Familie und seiner vor wenigen Tagen geborenen Tochter auf. Jungels gönnt sich ein paar verdiente Tage Erholung, bevor es am Sonntag weiter zu den Welttitelkämpfen nach Australien geht.
Geniets steht im Fokus
Im WM-Straßenrennen der Männer startet Luxemburg mit einem Quartett. Drei dieser vier Fahrer sind bei der Skoda Tour Luxembourg dabei. Kevin Geniets (Groupama), Luc Wirtgen (Bingoal) und Colin Heiderscheid (Leopard) lassen sich diese Chance nicht entgehen. Auf Geniets darf man gespannt sein. Nach einer bärenstarken Tour de France ließ er es zwei Wochen ruhiger angehen und brachte sich zuletzt wieder bei Rennen in Frankreich in Schuss. Ein Sturz bei der Tour du Limousin sorgte nur kurz für Aufregung, bei der Tour du Doubs bewies er zuletzt als Zehnter, dass die Reserven
wieder gut gefüllt sind. Seine Groupama-Mannschaft ist mit Madouas oder auch Tobias Ludvigsson (S) gut aufgestellt.
Das neongelbe Bingoal-Trikot von Luc Wirtgen wird man an den kommenden Tagen ganz sicher mehrmals an der Spitze des Rennens sehen. Der 24-Jährige träumt vom Etappensieg und das schwierige Terrain, das den Punchern im Peloton entgegenkommt, passt ihm perfekt. Sein älterer Bruder und Teamkollege Tom ist ebenfalls am Start. Für den 26-Jährigen sind die Voraussetzungen ähnlich.
Heiderscheid wird alles daran setzen, dem Landesmeistertrikot vor heimischem Publikum alle Ehre zu machen. Beim Team Leopard fehlen Mats Wenzel und Cédric Pries, die ebenfalls bei der WM im Einsatz sein werden, dies bei den Espoirs. Der vierte Luxemburger „Leoparde“im Bunde ist bei der Skoda Tour dabei, trägt jedoch ein anderes Trikot. Kluckers bekommt nach der Tour de l'Ain seine zweite Chance als Stagiaire beim Team UAE-Emirates.
Ries komplett genesen
Beim belgischen Kontinentalteam mit dem sperrigen Namen Geofco Doltcini Materiel-Velo.com stehen mit Ivan Centrone, Jacques Gloesener und Alexandre Kess gleich drei Luxemburger in der Startliste. Vor allem Centrone ist zu beachten. Der Gewinner einer Etappe der Tour de la Guadeloupe hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er die Rundfahrt in der Heimat animieren kann.
Mit Michel Ries (Arkéa) ist außerdem ein Luxemburger bei der fünftägigen Landes-Rundfahrt dabei, der zuletzt unterhalb des Radars unterwegs war. Das lag vor allem an einer hartnäckigen VirusErkrankung, die ihn ausbremste und eine eigentlich geplante Teilnahme an der Spanien-Rundfahrt zunichte machte. Ries pausierte kurzzeitig. Seitdem läuft es wieder rund. Bei der Tour du Doubs sammelte er das nötige Selbstvertrauen, um in den letzten Wochen der Saison, die ihn zu den schwierigen italienischen Halbklassikern und Klassikern führen werden, noch einmal für Furore zu sorgen.
Egal ob Stars der Szene oder Luxemburger Hoffnungsträger, eines ist sicher: Andy Schleck und Co. haben ein interessantes Me
nü zusammengestellt, das die Fahrer an fünf Tagen vor einige Hürden stellen wird. Nach 720 Kilometern steht am Samstagnachmittag fest, wer der Nachfolger von Almeida als Gesamtsieger sein wird.
Einen Luxemburger Fahrer würden die Fans besonders gerne oben auf dem Treppchen sehen. Dass das allerdings keine Selbstverständlichkeit ist, beweist der Blick in den Palmarès. Fränk Schleck ist der letzte einheimische Gesamtsieger. Seitdem sind 13 Jahre vergangen. Aber jede Serie geht bekanntlich irgendwann zu Ende.