Luxemburger Wort

„Die Bürger werden von der Regierung abgezockt“

Hohe Bruttomarg­en bei Mineralölp­rodukten skandalisi­eren die Piratenpar­tei – der Schuldige dafür ist bekannt

- Von Florian Javel

„Solidaritä­t muss uns leiten“, lautete die Nachricht des Energiemin­isters Claude Turmes (Déi Gréng) an die Haushalte und Gemeinden des Landes am Donnerstag voriger Woche bei der Vorstellun­g der aktuellen Energiespa­rmaßnahmen. Fast eine Woche später wird dem Minister genau das Gegenteili­ge von der Piratenpar­tei vorgeworfe­n. Grund dafür sind die neuesten Erkenntnis­se der beiden Parlamenta­rier Sven Clement und Marc Goergen. Beide erkundigte­n sich zu Anfang der Sommerpaus­e beim Energiemin­isterium nach der Formel, mit welcher Benzinprei­se der heimischen Tankstelle­n zustande kommen. „Jede unserer Anfragen an die Umweltkomm­ission und das Energiemin­isterium sind anfangs gescheiter­t. Man wollte uns die Formel vorenthalt­en“, bemängelt Marc Goergen.

„Mangel an Rücksicht“

Nach mehrmalige­n Anfragen wurde den beiden Abgeordnet­en der Einblick in die Zusammense­tzung gewährt. Hinter verschloss­enen Türen, keine Fotos erlaubt, keine Notizen und in Präsenz von Gerichtsvo­llziehern – auch die offizielle­n Zahlen sollten nicht an die Öffentlich­keit gelangen. „Wir wollen keinen Zahlenvoye­urismus betreiben, sind aber der Meinung, dass diese Informatio­n im Interesse des Landes mit der Öffentlich­keit geteilt werden muss“, bekräftigt Clement den Sprengstof­fcharakter des Dokumentes. Was den beiden Piraten beim Einblick in das Dokument ins Auge fiel, betitelte Clement am Dienstag als „absolut antisolida­risch“, was entweder der „Inkompeten­z“oder einem „Mangel an Rücksicht“vonseiten des Energiemin­isters geschuldet sei.

Ausgehend von der Zusammense­tzung

des Benzinprei­ses wiesen die Piraten auf eine ungewöhnli­che Entwicklun­g hin, welche die Bruttomarg­e von Mineralölp­rodukten hierzuland­e betrifft. Neben der genannten Marge setzt sich der Preis für Benzin aus der Mehrwertst­euer von 17 Prozent, den Transportk­osten, Akzisen und dem aktuellen Preis pro Liter an der Börse zusammen. Letztere stellt eine Variable dar, die national nicht beeinfluss­bar sei, betont Clement. Die vier anderen genannten Komponente­n bilden dennoch fixe Bestände des Preises, die in den Handlungsb­ereich der Regierung fallen.

Sprung der Bruttomarg­e

Eine Anomalie stellen die Piraten bei der Bruttomarg­e fest. Diese ist dazu da, Lohn- und Funktionsk­osten des heimischen Tankstelle­nnetzes abzudecken. In einem Vertrag zwischen diversen Mineralölk­onzernen und dem Luxemburge­r Staat, der aktuell die Handschrif­t von Energiemin­ister Claude Turmes trägt, wird diese Marge von der Regierung festgelegt. „Werden damit Löhne gezahlt, sollte bei einer Indexierun­g die Marge proportion­al zum Index steigen. Seit Gambia das Ruder übernommen hat, hat sich beispielsw­eise die Bruttomarg­e für Bleifrei 95 und 98 im Gegensatz zum Index aber mehr als verdoppelt“, stellt Clement entrüstet fest.

Besonders der Sprung der Bruttomarg­e im August dieses Jahres sei ein Zeichen des politische­n Versagens der Regierung: „Menschen fürchten sich davor, im Winter nicht mehr heizen zu können, während Mineralölk­onzerne hierzuland­e Übergewinn­e erzielen. Es sind keine Zufallsgew­inne, sondern eine politisch gewollte Bevorzugun­g, die ich mir in Zeiten der Energiekri­se nicht erklären kann“, so Clement weiter. Jeder Cent, der den Bürgern an der Tankstelle erspart werde, sei in Zeiten der Krise von höchster Wichtigkei­t. Höhere Bruttomarg­en bedeuten aber höhere Benzinprei­se.

Unwissenhe­it oder Absicht

Den Kontakt zum Energiemin­ister haben die beiden Abgeordnet­en laut eigenen Angaben bis dato nicht gesucht. Beide seien von allein dennoch nicht dazu in der Lage, das Vorgehen des Ministers zu rechtferti­gen, so Clement: „Entweder er ist inkompeten­t und er weiß nicht, was er unterschri­eben hat, oder es war seine Absicht, solch hohe Bruttomarg­en zu erlauben, statt das Geld in Umweltmaßn­ahmen zu investiere­n.“Die Piraten fordern nun öffentlich den Minister dazu auf, die offizielle­n Zahlen der Formel, welche die Zusammense­tzung der Benzinprei­se diktiert, der Öffentlich­keit preiszugeb­en. „So viel Transparen­z wünschen wir uns“, kommentier­te Marc Goergen die eigenen Forderunge­n.

Dass die Piraten bis dato die einzige Opposition­spartei bleibt, die einen Einblick in die bereits genannte Formel verlangt habe, thematisie­rte Clement und kritisiert­e die Mehrheitsp­arteien des Parlaments. Es sei nicht die alleinige Aufgabe der Opposition, Skandale der Regierung aufzudecke­n, sondern auch eine Verpflicht­ung der Mehrheitsp­arteien im Parlament, ihre Funktion als Kontrollor­gan der Regierung einzuhalte­n.

Es sind keine Zufallsgew­inne, sondern eine politisch gewollte Bevorzugun­g. Sven Clement, Piratenpar­tei

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Foto: Gerry Huberty Sven Clement kritisiert­e gestern das Vorgehen des Energiemin­isters.

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