EU-Parlament stimmt für abholzungsfreien Konsum
Lieferketten sollen künftig strenger kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass sie nicht zur Entwaldung beitragen
Die Zahlen sind alarmierend: Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass zwischen 1990 und 2020, 420 Millionen Hektar Wald verloren gegangen sind – eine Fläche, die fast der Gesamtfläche der EU entspricht.
80 Prozent dieser globalen Abholzung wird durch den Ausbau landwirtschaftlicher Tätigkeiten verursacht. Vor allem der Konsum von Soja, Fleisch und Palmöl tragen dazu bei – und nach Berechnungen des EU-Parlaments werden bis zu zehn Prozent davon in der EU verkauft. Dabei sind die Folgen der Entwaldung so bekannt wie sie besorgniserregend sind: Zerstörung von Biodiversität und langfristige Schäden für Klima und Umwelt. „Die weltweite Entwaldung trägt zu elf Prozent der weltweiten Klimaemissionen bei“, sagt Christophe Hansen, Handelspolitiker der CSV im Europaparlament.
Breite Mehrheit dafür
Auf EU-Ebene gilt es deswegen, schnell einzugreifen. Ende 2021 schlug die EU-Kommission neue Regeln vor, um Konsumgütern, die zur weltweiten Entwaldung beitragen, den Zugang zum EU-Markt zu verweigern. Konkret soll das passieren, indem Lieferketten abholzungsfrei gemacht werden. Händler und Produzenten sollen demnach künftig unter Aufsicht der EU-Länder überprüfen müssen, ob ihre Ware aus Gebieten stammt, die abgeholzt wurden.
Am Dienstag stimmte das EUParlament über seine Position zu diesem Vorschlag ab. Christophe Hansen, Hauptberichterstatter des EU-Parlaments in dieser Angelegenheit,
hat es geschafft, den Ursprungstext der Kommission nach oben zu korrigieren. So fordert das Parlament etwa, dass mehr Produkte als ursprünglich geplant, von der neuen Regelung betroffen sein sollen. „Es ist uns wichtig, jetzt schon Produkte wie Hühner- und Schweinefleisch, Mais und auch Palmöl-Erzeugnisse, wie etwa Kosmetika, sofort mit in den Anwendungsbereich
der Regelung zu integrieren“, so Hansen.
Auch fordert die EU-Volksvertretung, die Regelung auf andere Ökosysteme, wie etwa Sumpfgebiete und Savannen auszuweiten.
Der Finanzsektor wird auch geprüft Tilly Metz, EU-Abgeordnete für Déi Gréng, unterstreicht dabei die Wichtigkeit, den Finanzsektor im neuen Regelwerk einzubeziehen – was das EU-Parlament nun auch getan hat. „Nicht nur der europäische Konsum trägt aktuell zur Entwaldung wichtiger Ökosysteme im Amazonas und anderswo bei – auch hiesige Finanzakteure profitieren zum Teil von dieser Zerstörung. Die Mehrheit der EU-Abgeordneten hat erkannt, dass es nicht reicht, bei der Einfuhr gewisser Produkte zu überprüfen, ob diese zur Entwaldung in Drittländern beigetragen haben. Wir müssen zudem vom europäischen Finanzund Bankwesen fordern, dass es solche Aktivitäten nicht mehr finanziert“, sagt sie.
Die Umweltschutz-NGO Greenpeace begrüßt deswegen, dass das EU-Parlament sich viel ehrgeiziger zeigt als die Regierungen der EU-Staaten, mit denen noch über eine gemeinsame Position verhandelt werden muss. „Das einzige, was der Beseitigung der Waldzerstörung und Menschenrechtsverletzungen auf dem EU-Markt im Wege steht, sind Regierungen, die die Unternehmen decken“, sagte die Greenpeace Wald-Expertin Sini Eräjää. Der Rat der EU-Staaten hat sich nämlich bemüht, den Anwendungsbereich der Regelung deutlich einzuschränken. Es stehen demnach noch harte Verhandlungen an. dv
Das einzige, was der Beseitigung der Waldzerstörung auf dem EU-Markt im Wege steht, sind die Regierungen. Greenpeace