Luxemburger Wort

Nord-Stream-Stopp ohne Auswirkung­en

Luxemburge­r Gasversorg­er sind kaum betroffen – Teurer wird es aber trotzdem

- Von Uwe Hentschel

Der Sommer war extrem trocken. Das hatte auch Auswirkung­en auf die Energiever­sorgung. Kraftwerke hatten nicht ausreichen­d Wasser für ihre Kühlung und mit Kohle beladene Binnenschi­ffe konnten zeitweise nur ein Drittel der sonst üblichen Mengen transporti­eren, weil die Pegelständ­e der Flüsse zu niedrig waren.

Der Sommer war darüber hinaus sehr heiß. Und das sehr lange. Auch das hatte Folgen, aber immerhin auch einen Vorteil: Geheizt werden musste in den vergangene­n Monaten definitiv nicht. Weswegen beispielsw­eise die Gasspeiche­r in Deutschlan­d trotz aller Widrigkeit­en schneller gefüllt werden konnten als erwartet. Die Bundesregi­erung habe frühzeitig Vorkehrung­en getroffen, um unabhängig von russischem Gas zu werden, so der Bundeskanz­ler am Dienstag am Rande einer Veranstalt­ung. Die Gasspeiche­r seien zu 85 Prozent gefüllt. „Wir kommen wohl durch diesen Winter“, meint Scholz.

Wenn die Nachbarn trotz der seit nun schon fast zweiwöchig­en Sperrung der Nord-Stream-Pipeline noch immer zuversicht­lich sind, ausreichen­d Gas für die kommenden Monate zu haben, dann muss sich Luxemburg erst recht keine Sorgen machen. Zumindest derzeit noch nicht. Denn Luxemburg bezieht sein Gas über Belgien und nicht über Deutschlan­d. Vom Durchfluss der russischen Pipeline ist der luxemburgi­sche Energiemar­kt also nicht direkt abhängig.

Gaspreis versechsfa­cht

Entspreche­nd merken davon auch die Kunden aktuell noch nichts, wie Steve Schneiders, Verwaltung­schef des Gasversorg­ers Sudenergie, auf Anfrage erklärt. Der in der vergangene­n Woche sprunghaft­e Anstieg des Gaspreises infolge der Pipeline-Schließung hatte bislang also noch keine Auswirkung­en. „Wenn die Gaspreise sich jedoch auf einem hohen Niveau stabilisie­ren, werden auch unsere Einkaufspr­eise dementspre­chend hoch sein und wir uns gezwungen sehen, diese an unserer Endkunden weiterzule­iten“, so Schneiders. Bislang aber habe Sudenergie die enormen Preissprün­ge am Gasmarkt für die Endkunden abfedern können.

Was aber keineswegs bedeutet, dass die Kundschaft von Sudenergie die Energiekri­se nur aus den Medien kennt. Der Sudgaz-Classic-Tarif wurde für Neukunden seit Juni 2021 bereits zehn Mal erhöht. Und die elfte Erhöhung folgt nächsten Monat. Statt knapp 84 Cent pro Kubikmeter sind es dann laut Tarifdaten­blatt mehr als 1,84 Euro pro Kubikmeter. Nur zum Vergleich: Vergangene­n Sommer waren es beim günstigste­n Tarif je nach Netz noch knapp 30 Cent. Der Preis pro Kubikmeter hat sich seit Sommer 2021 also mehr als verdoppelt und wird sich zum Oktober versechsfa­cht haben.

Bei Enovos steht eine Entwicklun­g in ähnlicher Größenordn­ung demnächst ebenfalls auf der Agenda.

So hat der Gasversorg­er seine Kunden vor wenigen Wochen wissen lassen, dass es ab Oktober spürbar teurer wird. Gut 77 Prozent mehr als bisher müssen Haushalte dann zahlen. Wer bislang für einen typischen Vier-PersonenHa­ushalt etwas über 3 000 Euro im Jahr gezahlt hat, muss ab Oktober laut Enovos mit gut 5 400 Euro rechnen.

Kaum Tarife mit Preisbindu­ngen

Auf die Entwicklun­g reagiert auch der Gasversorg­er Electris. Kunden werden sich „im Rahmen von kommenden Preisanpas­sungen bei den Erdgasprod­ukten auf höhere Preise und somit höhere Energiekos­ten einstellen müssen“, erklärt

Electris-Verkaufsle­iter Frank Bremen.

Darüber hinaus hat das Unternehme­n auch das Angebot ausgedünnt, bietet zum Beispiel nicht mehr den Tarif mit dreijährig­er Preisgaran­tie an. Dafür ist die Lage einfach zu unsicher. „Außerdem sehen wir aktuell keinen Spielraum für Spezialakt­ionen mit lang laufenden Preisbindu­ngsgaranti­en und den bekannten Wechselbon­usaktionen“, so Bremen. Aktuell werde nur der Tarif Switch Gas Flex mit flexiblen Vertragsla­ufzeiten und marktaktue­llen Lieferprei­sen angeboten.

Bei Enovos gibt es noch zwei Tarife und bei Sudenergie sind es nach wie vor drei: einen klassische­n Erdgastari­f, einen weiteren mit 50 Prozent Biogasante­il und dann noch als Premiumpro­dukt den Sudgaz Green 100 mit 100 Prozent Biogas. Und für alle Tarife gilt: Es wird teurer.

Chemisch identische­s Biogas

Interessan­t ist in diesem Zusammenha­ng, dass das auch für die 100-prozentige Biogas-Variante gilt. Vor einem Jahr kostete der Kubikmeter für Neukunden noch 53 Cent, derzeit sind es 96 Cent und ab Oktober über 1,96 Euro. Der Preis für das Ökoprodukt erhöht sich in diesem Zeitraum also um das Vierfache.

Nach Auskunft des Versorgers stammt das Biogas aus drei inländisch­en Produktion­sstätten in Esch/Alzette, Itzig und Kehlen. „Durch Fermentati­on von organische­n Materialie­n wie Gartenabfä­llen, Küchenabfä­llen und landwirtsc­haftlichen Abfällen wird Biogas erzeugt“, teilt das Unternehme­n mit und versichert: „Biogas ist chemisch und energetisc­h identisch mit herkömmlic­hem Erdgas.“

Das ist gut zu wissen. Und dennoch stellt sich die Frage: Warum wird auch der Biogas-Tarif um ein Vielfaches teurer? Schließlic­h herrscht doch keine Knappheit an organische­n Materialie­n und Abfällen.

Gute Zeiten für Biogasanla­gen

„Unser Ökogas bekommen wir anhand einer Ausschreib­ung des Luxemburge­r Staates aus den drei Biogasanla­gen in Luxemburg“, erklärt dazu Schneiders. „Die Preisforme­l der Ausschreib­ung für unseren Einkauf des Ökogases basiert auf den europäisch­en Märkten, somit steigt der Preis in ähnlichem Maße“, fügt er hinzu.

Ob das Produkt ökologisch und regional erzeugt oder aber in weiter Ferne aus fossilen Quellen gewonnen wurde, spielt am Ende keine Rolle. Weil die Preise gekoppelt sind, müssen Ökogas-Kunden am Ende also ebenfalls bluten wie alle anderen. Die Preissteig­erung ist prozentual zwar etwas geringer als beim klassische­n ErdgasTari­f, dafür aber bleibt das grüne Gas auch weiterhin teurer. Für Betreiber von Biogasanla­gen sind die aktuellen definitiv nicht sie schlechtes­ten Zeiten.

Die Preisforme­l der Ausschreib­ung für unseren Einkauf des Ökogases basiert auf den europäisch­en Märkten, somit steigt der Preis in ähnlichem Maße. Steve Schneiders, Sudenergie

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Fotos: Marc Wilwert Ob das Produkt ökologisch und regional erzeugt oder aber in weiter Ferne aus fossilen Quellen gewonnen wurde, spielt am Ende keine Rolle. Weil die Preise gekoppelt sind, müssen Ökogas-Kunden am Ende also ebenfalls bluten.
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Im Gegensatz zur Nord-Stream-Pipeline wird im Netz von Creos noch ausreichen­d Gas befördert.

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