Charles III. ist am Zug
Es sind für sich genommen recht banale Dinge, die dieser Tage rund um Charles III. diskutiert werden. Etwa die Kugelschreiber-Episode: Mit den Worten „O Gott, ich hasse das!“echauffierte sich der neue britische König recht unbeholfen über einen undichten Stift. Bei seiner Proklamation wenige Tage zuvor hatte er sich mit bizarren Grimassen über ein Tintenfässchen geärgert, das am Rande seines Tisches stand. Da beide Szenen gefilmt wurden, gingen sie in Windeseile viral. Hinzu kam der Wirbel um das taktlose Kündigen zahlreicher royaler Angestellter mitten in der Trauerphase um die Queen.
Angesichts dieses Starts strahlt der ohnehin schon leuchtende Stern von Queen Elizabeth II. umso stärker. Mit ihrer Disziplin und Hingabe für ihr Amt überstand sie sieben lange Jahrzehnte, ohne je selbst in einen Skandal verwickelt gewesen zu sein. Charles hingegen lieferte sich in den 80er und 90er Jahren einen publikumswirksamen Ehekrieg mit Prinzessin Diana. Doch der Wandel gesellschaftlicher Wertvorstellungen kam dem Prinzen zugute: Sich scheiden zu lassen, ist gesellschaftlich akzeptiert; auch in der Vita eines Königs darf es Brüche geben. Dass Charles schließlich seine Seelenverwandte Camilla in zweiter Ehe heiratete, damit haben sich die Briten längst arrangiert.
Im für Charles günstigsten Fall sind die Episödchen aus der Frühphase schnell vergessen. Doch wahrscheinlicher ist, dass sie länger an ihm heften bleiben – so wie es beim CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet war, der sich beim Besuch im Hochwassergebiet einen unbedarften Lacher erlaubte, der ihn für den Rest des Wahlkampfs verfolgte. Im schlechtesten Fall verfestigt sich das Bild, das viele Britinnen und Briten von dem „ewigen“Thronfolger Charles haben: Dass er nicht das Format seiner verehrten Mutter hat.
Dabei wurde auch die damals noch sehr junge Queen zu Beginn ihrer Amtszeit – als auch noch nicht jede unvorteilhafte Szene gefilmt wurde – mit Skepsis beäugt. Dass sie unendlich lange auf dem Thron saß, hat stark zu ihrem Standing beigetragen. Angesichts der ökonomischen Krise des Landes, angesichts des Abdriftens von Schotten und Nordiren bleibt zu hoffen, dass die Briten ihrem neuen Staatsoberhaupt eine Chance lassen, sich zu beweisen.
Hier ist freilich auch Charles selbst gefragt: Er muss glaubwürdig auftreten und sein Amt souveräner als bisher ausüben. Dass er viel stärker als seine Mutter Position zu politischen Themen bezieht, birgt Gefahren, doch es ist auch eine Chance. Immerhin ist ihm das drängende Thema unserer Zeit, der Klimaschutz, ein Herzensanliegen – auch, wenn er dies mit Privatflügen selbst desavouiert.
Charles könnte jetzt in der Debatte über den Umgang mit Kritikern des Königshauses punkten. Denn dass die Polizei friedliche Demonstranten verhaftet hat, nur weil sie Botschaften wie „Wer hat ihn gewählt?“oder „Nicht mein König“verbreitet haben, ist ein Skandal. Würde der neue König erklären, dass derlei Akte der freien Meinungsäußerung völlig legitim sind, wäre dies ein versöhnlicher Schritt in Richtung der Antimonarchisten. Und eine Gelegenheit für den König, erste Bedenken gegen ihn zu zerstreuen.
Jetzt sollte der neue König auf die Gegner der Monarchie zugehen.
Kontakt: michael.merten@wort.lu