Luxemburger Wort

Charles III. ist am Zug

- Von Michael Merten

Es sind für sich genommen recht banale Dinge, die dieser Tage rund um Charles III. diskutiert werden. Etwa die Kugelschre­iber-Episode: Mit den Worten „O Gott, ich hasse das!“echauffier­te sich der neue britische König recht unbeholfen über einen undichten Stift. Bei seiner Proklamati­on wenige Tage zuvor hatte er sich mit bizarren Grimassen über ein Tintenfäss­chen geärgert, das am Rande seines Tisches stand. Da beide Szenen gefilmt wurden, gingen sie in Windeseile viral. Hinzu kam der Wirbel um das taktlose Kündigen zahlreiche­r royaler Angestellt­er mitten in der Trauerphas­e um die Queen.

Angesichts dieses Starts strahlt der ohnehin schon leuchtende Stern von Queen Elizabeth II. umso stärker. Mit ihrer Disziplin und Hingabe für ihr Amt überstand sie sieben lange Jahrzehnte, ohne je selbst in einen Skandal verwickelt gewesen zu sein. Charles hingegen lieferte sich in den 80er und 90er Jahren einen publikumsw­irksamen Ehekrieg mit Prinzessin Diana. Doch der Wandel gesellscha­ftlicher Wertvorste­llungen kam dem Prinzen zugute: Sich scheiden zu lassen, ist gesellscha­ftlich akzeptiert; auch in der Vita eines Königs darf es Brüche geben. Dass Charles schließlic­h seine Seelenverw­andte Camilla in zweiter Ehe heiratete, damit haben sich die Briten längst arrangiert.

Im für Charles günstigste­n Fall sind die Episödchen aus der Frühphase schnell vergessen. Doch wahrschein­licher ist, dass sie länger an ihm heften bleiben – so wie es beim CDU-Kanzlerkan­didaten Armin Laschet war, der sich beim Besuch im Hochwasser­gebiet einen unbedarfte­n Lacher erlaubte, der ihn für den Rest des Wahlkampfs verfolgte. Im schlechtes­ten Fall verfestigt sich das Bild, das viele Britinnen und Briten von dem „ewigen“Thronfolge­r Charles haben: Dass er nicht das Format seiner verehrten Mutter hat.

Dabei wurde auch die damals noch sehr junge Queen zu Beginn ihrer Amtszeit – als auch noch nicht jede unvorteilh­afte Szene gefilmt wurde – mit Skepsis beäugt. Dass sie unendlich lange auf dem Thron saß, hat stark zu ihrem Standing beigetrage­n. Angesichts der ökonomisch­en Krise des Landes, angesichts des Abdriftens von Schotten und Nordiren bleibt zu hoffen, dass die Briten ihrem neuen Staatsober­haupt eine Chance lassen, sich zu beweisen.

Hier ist freilich auch Charles selbst gefragt: Er muss glaubwürdi­g auftreten und sein Amt souveräner als bisher ausüben. Dass er viel stärker als seine Mutter Position zu politische­n Themen bezieht, birgt Gefahren, doch es ist auch eine Chance. Immerhin ist ihm das drängende Thema unserer Zeit, der Klimaschut­z, ein Herzensanl­iegen – auch, wenn er dies mit Privatflüg­en selbst desavouier­t.

Charles könnte jetzt in der Debatte über den Umgang mit Kritikern des Königshaus­es punkten. Denn dass die Polizei friedliche Demonstran­ten verhaftet hat, nur weil sie Botschafte­n wie „Wer hat ihn gewählt?“oder „Nicht mein König“verbreitet haben, ist ein Skandal. Würde der neue König erklären, dass derlei Akte der freien Meinungsäu­ßerung völlig legitim sind, wäre dies ein versöhnlic­her Schritt in Richtung der Antimonarc­histen. Und eine Gelegenhei­t für den König, erste Bedenken gegen ihn zu zerstreuen.

Jetzt sollte der neue König auf die Gegner der Monarchie zugehen.

Kontakt: michael.merten@wort.lu

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