Die 56 Anliegen der Klimabotschafter
Klima-Bürgerrat setzt darauf, dass seine Ideen rasch umgesetzt werden
Nun liegt der Ball bei der Politik. Das stellt der Klima-Bürgerrat auf den Anfangsseiten seines Abschlussdokuments auch unmissverständlich klar: „Le KBR espère que les idées formulées dans ses nombreuses propositions aboutissent rapidement à des poliques conctrètes à la hauteur des défis…“
Eine erste politische Rückmeldung erhält das Gremium gestern, als es dem Premierminister, der Umweltministerin und dem Energieminister seine 56 Empfehlungen, wie Luxemburg mit dem Klimawandel und seinen Konsequenzen umgehen soll, überreicht. Xavier Bettel (DP), Joëlle Welfring und Claude Turmes (Déi Gréng) hätten aufmerksam zugehört und sich Notizen gemacht, heißt es bei der anschließenden Pressekonferenz.
Von der Wirklichkeit eingeholt
Insbesondere die Vorschläge 14, 15 und 16 dürfte Energieminister Turmes mit beiden Händen unterschreiben, handeln sie doch vom Energiesparen bei der Beleuchtung in öffentlichen Gebäuden, auf öffentlichen Plätzen und Straßen sowie im Privaten – und passen geradezu perfekt in die vorige Woche lancierte Sparkampagne der Regierung. Der Klima-Bürgerrat spart dabei nicht mit Kritik: Von der rauen Wirklichkeit eingeholt, werde nun das angestrebt, was mit etwas gutem Willen schon längst hätte erfolgen können.
Vorgabe des Klima-Bürgerrates, der vor einem Jahr bei seinem Etat de la nation vom Premierminister erfunden wurde, war es, Wege aufzuzeichnen, wo Luxemburg im Klimaschutz weiter gehen könne und solle, als es der nationale Energieund Klimaplan (PNEC) bis 2030 vorsieht. Bei der Energie spricht sich der Klima-Bürgerrat dafür aus, dass bis 2030 Strom zu 80 Prozent und bis 2040 zu 100 Prozent aus Erneuerbaren gewonnen wird. Laut PNEC soll der Anteil der Erneuerbaren insgesamt auf 25 Prozent gesteigert werden.
CO2-Steuer substanziell erhöhen
Und die CO2-Emissionen sollen um 55 Prozent reduziert werden. Ein Mittel ist für den Klima-Bürgerrat die CO2-Steuer, die 2021 eingeführt wurde und auf 25 Euro je Tonne festgelegt ist, samt sozialem Ausgleich.
An die Regierung ergeht der Appell, die Steuer substanziell zu erhöhen und diejenigen heftiger zu besteuern, die das Klima übermäßig belasten. Wer wenig(er) CO2 ausstößt, soll gemäß dem Umlage-Prinzip belohnt werden. Diese Maßnahme erachtet der Bürgerrat als effizienter als jedes Verbot und jede Regulierung. Neben dem Kapitel Energie betreffen die Empfehlungen
des Klima-Bürgerrates, der gesellschaftlich repräsentativ zusammengesetzt ist, die Bereiche Landwirtschaft, Mobilität, nachhaltiges Wohnen und Abfallwirtschaft, wo die Chamber Mitte des Jahres gleich fünf Gesetzentwürfe verabschiedet hat, mit dem großen Ziel der Müllvermeidung. Der Bürgerrat bestätigt diese Zielsetzung, plädiert dafür, dass Reparieren attraktiver sein müsse als Kaufen – beispielsweise durch finanzielle Anreize – und spricht sich für die „4-R-Philosophie“aus: „réduire, réutiliser, réparer, recycler“.
Weg vom Auto
In der Mobilität ist die Botschaft eindeutig: Der Gebrauch des Autos soll auf ein Minimum reduziert werden. Ansätze auf dem Weg dahin sind für den Bürgerrat die Steuerpolitik – CO2-intensive Autos sollen stärker besteuert werden, ebenso Haushalte mit mehreren Fahrzeugen – und die Ausweitung des kostenlosen öffentlichen Transports auf die Großregion. Zudem soll die Heimarbeit die Regel werden und nicht die Ausnahme bleiben: Dort wo es möglich ist, sollen wöchentlich mindestens zwei Tage Telearbeit eingeführt werden.
Eng verknüpft mit der Mobilität ist die Gestaltung des öffentlichen Raumes; so sollen autofreie Wohnviertel konzipiert werden und Wohnviertel so ausgelegt werden, dass sie dem Prinzip der „ville du quart d’heure“entsprechen, um Beruf, Familie, Freizeit und Schule zeitsparend miteinander zu verbinden.
Während die Regierung noch dabei ist, die Grundsteuer zu überarbeiten und über eine Spekulationssteuer samt Leerstandregister nachzudenken, greift auch der Klima-Bürgerrat letztere Idee auf. An die Politik ergeht zudem der Aufruf, die Schließung der Baulücken
aktiv in die Hand zu nehmen. Verdichtung lautet das Leitmotiv, eine unbegrenzte Ausdehnung der Bauperimeter soll verhindert werden. Außerdem soll auch im Wohnungsbau das R-Prinzip gelten: Renovieren statt Abreißen.
Handlungsbedarf sieht das Gremium über die fünf Schwerpunkte hinaus bei der Aufklärung und Sensibilisierung der Bürger für die Klimathematik mit all ihren Facetten. Ein besonderes Augenmerk soll den Schulen gelten, beispielsweise mit der Einführung von zwei Veggie-Tagen in den Kantinen und der Förderung des Handwerks. Nur mit kompetenten Fachkräften sei Luxemburg gut aufgestellt, um seine PNEC-Ziele zu erreichen.
Die Vorschläge sind aktuell, fundiert und ernst zu nehmen. Raphaël Kies, Uni Luxemburg