Luxemburger Wort

„Nicht mein König“

Bereits jetzt ist leise Kritik am neuen britischen König Charles III. zu spüren

- Von Peter Stäuber (London)

Der neue König hat dieser Tage keinen leichten Job. Unmittelba­r nach dem Tod seiner Mutter muss Charles III. endlose öffentlich­e Auftritte bestreiten, Zeremonien absolviere­n und Ansprachen halten – und alles wird live im Fernsehen übertragen. Da kann man nicht immer Haltung wahren, wenn es nicht nach Plan geht. Etwa, wenn der Füllfederh­alter mal ausläuft. „Ich kann dieses verdammte Ding nicht ausstehen“, murmelte der frustriert­e König, als er sich am Dienstag ins Gästebuch im nordirisch­en Schloss Hillsborou­gh eintragen wollte und sein Griffel kleckerte. Genervt stand er auf und fluchte: „Jedes verflixte Mal!“Seine Frau Camilla stand daneben und wies auf die Schmierere­i: „Oh schau, es geht überall hin“.

Es war nicht das erste Mal, dass der neue König in den ersten Tagen seiner Regentscha­ft eine etwas unglücklic­he Figur machte. Während seiner Proklamati­on am Samstag in würdevolle­m Rahmen regte er sich über ein Tintenfass auf, das ihm auf dem Tisch im Weg stand. Unwirsch deutete er einem Diener an, das Objekt gefälligst aus dem Weg zu räumen. In den sozialen Medien wurde die Episode nicht goutiert, dem neuen König wurde Überheblic­hkeit vorgeworfe­n. Aber auch abgesehen von diesen doch eher kleinen Zwischenfä­llen ist bereits handfester­e Kritik am neuen König laut geworden. Dass offensicht­lich bis zu hundert Angestellt­e von Clarence House, der bisherigen Residenz von Charles, am Sonntag ihre Kündigung erhielten, hat Kopfschütt­eln ausgelöst. Viele hatten erwartet, dass sie im neuen Haushalt des

Königs automatisc­h eine neue Anstellung finden würden. Ein betroffene­r Angestellt­er sagte gegenüber dem „Guardian“: „Alle sind stinksauer.“

Monarchie-Gegner im Aufwind

Zudem haben Monarchie-Gegner in den vergangene­n Tagen ihrem Unmut über den undemokrat­ischen Wechsel an der Spitze des Königreich­s Luft verschafft. In Oxford beispielsw­eise rief ein junger Friedensak­tivist während der Proklamati­on: „Wer hat ihn gewählt?“Prompt wurde er in Handschell­en abgeführt. Auch in Edinburgh wurde ein Mann verhaftet, nachdem er bei einer Prozession lautstark über Prinz Andrew geschimpft hatte.

Der Anwalt Paul Powlesland geriet ebenfalls in Konflikt mit der Polizei, als er am Parliament Square in London ein leeres Stück Papier in der Hand hielt; die Beamten hätten ihn gewarnt, dass sie ihn verhaften könnten, wenn er darauf schreiben würde: „Nicht mein König.“Dabei handelte es sich nicht etwa um Majestätsb­eleidigung, denn das ist kein Strafbesta­nd im Vereinigte­n Königreich; der Vorwurf lautete vielmehr, dass gegen die öffentlich­e Ordnung verstoßen werde.

Debatte um die Redefreihe­it

Im Fernsehen sagte Powlesland später: „Wir müssen eine klare Trennlinie ziehen zwischen Respektlos­igkeit gegenüber den Trauerkund­gebungen für die Queen und Protesten gegen die Thronbeste­igung von Charles.“Er solle zumindest die Möglichkei­t haben, seine Meinung über den neuen König zum Ausdruck zu bringen.

Republikan­isch gesinnte Briten sind zwar in einer deutlichen Minderheit.

Eine neuere Umfrage hat ergeben, dass rund ein Viertel der Bevölkerun­g lieber eine Republik hätten, unter jungen Leuten sind es etwa ein Drittel. Dass aber jetzt diesem Teil der Öffentlich­keit die Möglichkei­t genommen wird, ihre Überzeugun­g zum Ausdruck zu bringen, hat Bürgerrech­tskampagne­n und Politiker alarmiert – sie sehen es als einen groben Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung.

„Das Recht zu protestier­en, ist eine Grundlage unserer Demokratie und sollte ermöglicht werden“, twitterte die Abgeordnet­e Joanna Cherry von der Schottisch­en Nationalpa­rtei SNP. Graham Smith, der Vorsitzend­e der Anti-Monarchie-Kampagne Republic, sagte: „Zu einer Zeit, wo die Medien voll sind von Speichelle­ckerei für einen König, der ohne Diskussion oder Zustimmung ernannt worden ist, ist Redefreihe­it noch wichtiger als sonst.“

Das rigorose Vorgehen der Behörden hat sogar dazu geführt, dass manche Anhänger der Monarchie nunmehr zu Königsgegn­ern geworden sind – zumindest trifft dies auf Paul Powlesland zu: Er habe die Monarchie zuvor für eine „etwas merkwürdig­e Idee“gehalten, aber er habe das Gefühl gehabt, sie funktionie­re. „Aber nach dem, was ich in der letzten Woche gesehen habe, bin ich jetzt ein Republikan­er“, sagte er.

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Foto: AFP Der Abschied von Queen Elizabeth II. stand im Mittelpunk­t der ersten Woche von Charles als britischem König.

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