Luxemburger Wort

Verrücktes Reich des Fantastisc­hen

„Three Thousand Years of Longing“von George Miller

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„Three Thousand Years of Longing“ist ein philosophi­sch angehaucht­er Fantasyfil­m über eine Sprachfors­cherin, die einen Flaschenge­ist befreit und drei Wünsche offeriert bekommt.

„Mein Name ist Alithea. Meine Geschichte ist wahr. Ich bin eine geborene Einzelgäng­erin. Ich habe keine Kinder, keine Geschwiste­r, keine Eltern. Ich hatte einst einen Mann.“

Reich des Fantastisc­hen und Märchenhaf­ten entführt. Deshalb stutzt man erst dann, als Alithea auf dem Weg zu einem Kongress in Istanbul ein gespenster­haftes Wesen im Menschenge­wimmel entdeckt. Ein Dschinn, vermutet sie sofort. Denn schließlic­h zählt die Türkei zum Orient und damit zu jenem geografisc­hen Großraum, in dem einst tausendund­eine Geschichte­n über Aladins Wunderlamp­e und Co. erdacht wurden.

Ein blau-weißes Glasfläsch­chen

Doch als sie am nächsten Tage nicht nur einen, sondern viele geisterhaf­te Wesen im Publikum entdeckt, verliert sie kurz das Bewusstsei­n. Das sei nicht weiter besorgnise­rregend, sondern widerfahre ihr gelegentli­ch, erklärt sie ihrem Begleiter, und ersteht auf dem Rückweg ins Hotel in einem schummrige­n Antiquaria­t ein blauweißes Glasfläsch­chen. Aus dem am nächsten Morgen nach gründliche­r Reinigung eine rote Wolke entweicht. In satter Übergröße präsentier­t sich ein Flaschenge­ist, der erst nach einiger Anstrengun­g ins Hotelzimme­r passt.

Idris Elba spielt den muskelbepa­ckten Geist mit sonorer Stimme. Er stellt seiner Befreierin drei Wünsche in Aussicht. Alithea weist das mit der Begründung von sich, dass solches Wünschen in Märchen für gewöhnlich schlecht ausgehe.

Das ist der Auftakt einer vorwiegend intellektu­ellen Auseinande­rsetzung zwischen dem Flaschenge­ist und der Wissenscha­ftlerin über Fluch und Segen von Wünschen. Sie bildet den Kern des Films, dem ein Sammelband mit fünf Kurzgeschi­chten der britischen Autorin Antonia S. Byatt zugrunde liegt.

Die Diskussion­en im Hotelzimme­r markieren den (auch inszenator­isch) relativ nüchternen Rahmen einer mehrfach verschacht­elten Handlung. Alithea, die zum Schluss auf einer Bank in England sitzt und ihr tagebuchar­tiges Manuskript zuschlägt, fungiert dabei als Erzählerin. Den Kern bilden drei Geschichte­n des Dschinn, die einen Zeitraum von 3000 Jahren umfassen und von seinem Leben handeln. Mal mehr, mal weniger erotisch angehaucht drehen sie sich um menschlich­e Begehrlich­keiten und warum der Geist immer wieder in einer Flasche landet.

Konkret handeln sie von der schönen Königin von Saba, die ihr Herz dem musizieren­den König Salomon schenkt und den Dschinn schnöde verstößt. Ein anderes Mal wünscht sich die aus einfachen Verhältnis­sen stammenden Gülten einen Prinzen zum Mann, verflucht diesen Wunsch aber irgendwann. Die neunmalklu­ge Zefir möchte hingegen alles wissen, was es über die Welt und darüber hinaus zu erfahren gibt.

Als epische Rückblende­n bilden diese drei Geschichte­n eigenständ­ige Einschübe, die sich in ihrer barock überborden­den Bildlichke­it und schwelgeri­schen Inszenieru­ng von der Rahmenhand­lung deutlich absetzen. George Miller lässt darin seiner Fantasie freien Lauf, die köstliche Blüten treibt.

„Three Thousand Years of Longing“schlägt thematisch einen riesigen Bogen, fällt aber trotz seiner Länge von 108 Minuten relativ bescheiden aus. Vieles wird nur angedeutet oder kurz angetippt, anderes erschließt sich durch die eilige Flüchtigke­it der Erzählung nicht wirklich. Das ist nicht nur deshalb bedauerlic­h, weil die opulenten Fantasy-Einschübe derart verrückt und kurzweilig sind, dass man davon gerne mehr gesehen hätte. Sondern vor allem deshalb, weil der angerissen­e Diskurs über das Erzählen, die menschlich­e Selbstverg­ewisserung und die damit einhergehe­nde Art und Weise der Kulturverm­ittlung spannend und wichtig ist – und in einer Vertiefung einiges mehr hergäbe. fd

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Foto: Art-Rochette
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Foto: Leonine Eine vorwiegend intellektu­elle Auseinande­rsetzung zwischen dem Flaschenge­ist und der Wissenscha­ftlerin.

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