Luxemburger Wort

„Nicht noch so ein Jahr“

Ivan Centrone kämpft sich durch eine Saison, in der nicht alles perfekt läuft

- Von Joe Geimer Foto : Stéphane Guillaume

„Immer wenn ich dachte, es könnte nicht mehr schlimmer werden, ging es weiter bergab. Der freie Fall dauerte ewig. Im Grunde sind die vergangene­n Monate schnell resümiert: Es waren zwei verschenkt­e Jahre.“Diese Worte stammen von Ivan Centrone. Sie datieren aus dem November des vergangene­n Jahres. Der 27-Jährige, der heute Geburtstag feiert, hat eine schwierige Phase durchlebt: Das CoronaViru­s und eine Endofibros­e hatten dafür gesorgt, dass er nur wenige Resultate vorzeigen konnte.

2022 sollte es wieder bergauf gehen. Beim Team mit dem sperrigen Namen Geofco-Doltcini Matériel Vélo.com wollte es Centrone noch einmal wissen. Das Fazit fällt bislang eher durchwachs­en aus: Bei der neu gegründete­n Kontinenta­lmannschaf­t werden kleinere Brötchen gebacken. Materialte­chnisch, finanziell und organisato­risch ist es nicht selten ein Spießruten­lauf. Große Sprünge sind nicht möglich, das Rennprogra­mm ist dementspre­chend bescheiden.

Kontakte mit zwei Teams

Centrone nimmt kein Blatt vor den Mund: „Ich will nicht noch so ein Jahr absolviere­n. Das motiviert mich weniger. Die Bedingunge­n sind komplizier­t und machen irgendwann keinen Spaß mehr. Die Unkosten sind viel zu hoch und stehen in keinem Verhältnis zum Ertrag. Radsport kostet viel Geld. Da geht ein beträchtli­ches Budget drauf. Aber das Problem sind nicht nur die Finanzen. Es geht auch um das normale Leben. Man opfert viel und muss sich irgendwann die Frage stellen, ob das in der Form noch Sinn macht. Die ehrliche Antwort auf diese Frage kann schmerzen.“

Dass Centrones Mannschaft als kleinste der 19 Teams bei der Skoda

Tour Luxembourg dabei sein würde, war erst spät klar. Lange stand man nämlich überrasche­nderweise nicht in der Startliste. „Ich bin erst einmal froh, dass wir dabei sein können. Die Teilnahme stand wirklich erst in letzter Minute fest.“Ivans großer Buder Vincenzo, selbst ehemaliger Profiradsp­ortler, hat die Dinge selbst in die Hand genommen und alle Hebel in Bewegung gesetzt. Wohnmobil und Co. mussten erst einmal organisier­t werden.

Das möchte Ivan in der Form nicht weiter erleben. Der 27-Jährige ist formell: „Entweder ich komme 2023 bei einem sehr guten Kontinenta­lteam beziehungs­weise einem ProKontine­ntalteam unter oder ich höre auf. Eines ist ganz klar: Mein Ziel ist es, einen Schritt nach vorne zu machen.“Die Chancen, dass das gelingt, sind intakt: „Die Situation ist komplizier­t, weil viele gute Fahrer auf dem Markt sind. Ich stehe dennoch mit zwei Teams in Kontakt. Die Gespräche laufen nicht schlecht. Hoffentlic­h ergibt sich etwas daraus.“

Erster internatio­naler Sieg

Centrone hat vor einem Monat mit einem Etappensie­g bei der Tour de la Guadeloupe gezeigt, was er kann. Auf dem zehnten Abschnitt war der Luxemburge­r nicht zu schlagen. Centrone strahlt immer noch, wenn er von dem Erfolg erzählt: „Ich fahre seit acht Jahren im internatio­nalen Peloton. Man jagt einen Traum und lebt ein Leben voller Entbehrung­en. Es ist nicht immer einfach. Wenn endlich ein Sieg herausspri­ngt, ist das ein besonderes Gefühl. Ich habe jedem bewiesen, wie sehr ich es wollte. Ich bin auf den Geschmack gekommen. Ich will mehr.“

Die Skoda Tour möchte er auch am Finaltag nutzen, um weiter Eigenwerbu­ng zu betreiben. „Das

Gefühl passt. Die Beine sind gut, die Form ebenfalls. Die Motivation ist hoch.“Nach vier Renntagen liegt er an Position 36. Am Donnerstag in Diekirch büßte er eine knappe Minute auf die Besten ein. Gestern beim Zeitfahren kamen weitere 2'10'' hinzu. Centrone fuhr beim Kampf gegen die Uhr an der Mosel auf Rang 42. „Es ist eine Disziplin, die ich richtig gerne mag. Man kann sich nicht verstecken“, sagt er im Ziel.

„Ich habe schon lange kein solches Zeitfahren mehr bestritten.

Ich liebe es, ans Limit zu gehen. Zeitfahren tun besonders weh, aber ich mag diese kurzen, heftigen Anstrengun­gen. Ich wollte mich ordentlich aus der Affäre ziehen. Ich bin ans Limit gegangen, damit ich mir später nichts vorwerfen kann. Ich hatte mir die Strecke im Vorfeld angesehen. Sie war wunderschö­n, aber auch sehr anspruchsv­oll. Verschnauf­pausen gibt es nicht. Der Parcours machte richtig Spaß“, erzählt er nach dem Kraftakt. Unterwegs musste er eine Schrecksek­unde überstehen. Beinahe wäre er in der Abfahrt spektakulä­r gestürzt: „Ich habe die brenzlige Sekunden gemeistert, aber es war knapp. Ich kam ganz schön ins Schlittern.“

Mit dem geliehenen Fahrrad

Wie heikel die Situation bei seinem Team ist, zeigt eine Anekdote: „Leider habe ich dieses Jahr kein Zeitfahrra­d gehabt. Vom Team haben wir keines bekommen und meines habe ich vergangene­s Jahr verkauft. Ich habe mir vor einigen Tagen eines geliehen, um zumin

Ivan Centrone liegt nach vier Renntagen bei der Skoda Tour an Position 36. dest ein wenig zu trainieren. So ist das halt bei kleineren Teams.“

Eine Etappe bleibt dem ehemaligen Fahrer des Differding­er Kontinenta­lteams noch, um sich in Szene zu setzen. Das will Centrone auf jeden Fall versuchen: „Das Niveau hier bei der Skoda Tour ist hoch. Wenn ich hier mithalten kann, zeigt das auch den anderen Mannschaft­en, was sie von mir erwarten können. Ich möchte die Luxemburg-Rundfahrt mit einem Ausrufezei­chen beenden.“

Anschließe­nd bleiben ihm vermutlich noch zwei weitere Chancen: Die beiden belgischen Eintagesre­nnen Omloop van het Houtland Middelkerk­e-Lichtervel­d (21. September) und Binche-Chimay-Binche (4. Oktober) könnten seine Saison – und sein Engagement beim Gefoco-Doltcini-Team – beenden.

Einzelzeit­fahren mit Start und Ziel in Remich (26,1 km):

1. Mattias Skjelmose (DK/Trek)

2. Kévin Vauquelin (F/Arkéa)

3. Morten Hulgaard (DK/Uno-X)

4. Thibault Guernalec (F/Arkéa)

5. Sjoerd Bax (NL/Alpecin)

6. Kevin Geniets (Groupama)

7. Jason Osborne (D/Alpecin) 26'' 8. Rune Herregodts (B/Sport Vlaanderen) 27'' 9. Jonas Gregaard Wilsly (DK/Uno-X) 37'' 10. Valentin Madouas (F/Groupama) 39'' 18. Arthur Kluckers (Emirates) 59'' 42. Ivan Centrone (Geofco) 2'10'' 44. Michel Ries (Arkéa) 2'12'' 76. Tom Wirtgen (Bingoal) 3'34'' 86. Alexandre Kess (Geofco) 4'15'' 88. Luc Wirtgen (Bingoal) 4'28'' 99. Jacques Gloesener (Geofco) 5'20'' 105. Colin Heidersche­id (Leopard) 6'11'' 34'05'' auf 3'' 13'' 15'' 25''

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