„Ich war schon als Kind eine Streberin“
Mai Thi Nguyen-Kim spricht über Reizthemen, die aktuellen Gäste ihrer Show und unterschätzte Frauen
In der Wissenschaftsshow „MaiThink X“setzt sich die Chemikerin, Autorin und Moderatorin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim (35, „Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit“) auf gleichermaßen unterhaltsame wie fundierte Weise mit Themen wie Bodyshaming oder Künstliche Intelligenz auseinander. Nun gehen brandneue Folgen des beliebten Formats auf Sendung. ZDFneo zeigt „MaiThink X – Staffel 3“ab Sonntag um 22.15 Uhr.
Mai Thi Nguyen-Kim, waren Sie ein Kind, das allen Erwachsenen immer Löcher in den Bauch gefragt hat?
Ich war ein sehr neugieriges Kind. Ich war auch immer sehr fleißig. Wenn ich in der Grundschule fertig mit meinen Hausaufgaben war, habe ich die aus reiner Eigenmotivation noch illustriert. Ich war quasi schon als Kind eine Streberin. Ich war nicht diese frühe Forscherin, die schon mit fünf Jahren einen Chemiebaukasten hatte. Ich war auch ganz lange nicht sicher, ob ich überhaupt Naturwissenschaften machen möchte. Ich war zwar gut darin, aber es war nicht unbedingt Liebe oder Leidenschaft von Anfang an. Auf dem Gymnasium war tatsächlich Deutsch mein Lieblingsfach. Es war aber völlig klar, dass ich das nicht studieren kann. Ich musste etwas Gescheites machen! (lacht)
Was prädestiniert Sie dazu, dem Zuschauer und dem Leser die Welt zu erklären?
Es ist wirklich dieses Strebertum, das ich gerade beschrieben habe, und dieses Interesse an allem, das mir jetzt sehr zugutekommt. Dass ich mich mit ganz vielen verschiedenen Dingen beschäftigen kann, macht mir großen Spaß. Mein Chemiestudium war ein unglaublich gutes Studium, um mich auf diese Arbeit vorzubereiten. Es ist jetzt für mich als Wissenschaftsjournalistin Gold wert, dass ich den akademischen Betrieb kenne und weiß, wie man Studien liest und im Zweifelsfall gute, seriöse Fachleute findet, die man mal etwas fragen kann.
Sie scheuen kein heißes Eisen. Bei welcher Folge der ersten beiden Staffeln war das Feedback am kontroversesten?
Wir bekommen schon häufig etwas verärgertes Feedback von unterschiedlichen Seiten. Ich persönlich bekomme davon aber nichts mit, weil das nicht in meinem persönlichen E-Mail-Postfach oder im Briefkasten landet. (lacht) Damit dürfen sich unsere Redakteure rumschlagen. Zu unserer Sendung zur grünen Gentechnik beispielsweise gab es sehr kontroverses Feedback. Ich finde es spannend zu sehen, dass auch
Themen mit bestimmten Weltbildern kollidieren, bei denen es einen sehr großen wissenschaftlichen Konsens gibt – wie bei der grünen Gentechnik.
Eine neue Folge stellt sich dem Reizthema Homöopathie. Kann man nicht auch hier nur Kritik ernten, egal, wie man sich positioniert?
Ja, aber das hilft alles nichts! (lacht) Ich bin auf diese Sendung am meisten gespannt. Wir möchten aber ein bisschen mit beleuchten, wie Homöopathie eigentlich rechtlich, behördlich und in Krankenkassen aufgestellt ist. Ich glaube, es lohnt sich immer wieder draufzuschauen und hoffe, mit der Sendung – auch wenn ich damit keine überzeugten Homöopathen umstimme – vielleicht den einen oder anderen politischen Entscheidungsträger zum Nachdenken zu bringen.
Wer legt die Themen der Sendungen fest?
Wir machen das im größeren Redaktionsteam, da sind wir ungefähr zehn Leute. Ich versuche immer darauf zu achten, dass es ein schönes Potpourri ist, was man vielleicht an der Themenauswahl merkt. Ich möchte dadurch zeigen, dass Wissenschaft so viele unterschiedliche Bereiche unseres Lebens betrifft und eine wirklich breite Relevanz hat. Selbst wenn jemand nicht die ganze Staffel schaut, hoffe ich, jeden Menschen, der sich normalerweise gar nicht für Wissenschaft interessiert, zu erreichen.
Welche Gäste konnten Sie für die neue Staffel mobilisieren?
Maren Kroymann ist dabei, die ist sehr cool. Maximilian Mundt aus „How to Sell Drugs Online (Fast)“ist am Start und auch
Insa Thiele-Eich (deutsche Meteorologin und Astronautenkandidatin, Anm. d. Red.), die wollten wir eigentlich schon letzte Staffel haben, aber da hat sie auch ein Kind bekommen. Am meisten freue ich mich über Frau Dr. Heide RezepaZabel, weil ich eine Zeit lang totaler „Bares für Rares“-Ultra war.
Wie stark empfinden Sie die Verantwortung, nur wasserdichte Fakten zu präsentieren?
Ich empfinde eine fast schon erdrückende Verantwortung mit dieser Sendung. Sie wird mit steigender Reichweite auch nur schlimmer. Gleichzeitig hat mich Verantwortung auch schon immer sehr motiviert. Man hat dadurch das Gefühl, dass es wirklich Sinn macht, was man tut.
Apropos Verantwortung: Werden
Sie in der neuen Staffel wieder singen?
Das steht noch nicht ganz fest. Die Staffel soll wieder mit irgendetwas Pompösem enden. Wir sind aber noch nicht darauf gekommen, was es am Ende sein wird. Ich kann es nicht ausschließen.
Sie sind eine sehr attraktive Erscheinung. Haben Sie auf Ihrem Weg zur Wissenschaftlerin erlebt, dass selbst sehr intelligente Männer Sie deshalb pauschal unterschätzt haben?
Ja klar, man wird oft unterschätzt. Das ist der Alltag jeder Frau. Je konventionell attraktiver man ist, desto eher, denn dieses Klischee „Man kann nicht gut aussehen und schlau sein“ist sehr verankert. Wenn wir schon über Klischees sprechen: Es ist immer noch besser, eine Asiatin in der Wissenschaft zu sein, als zum Beispiel eine Blondine.
Was bereitet einer jungen Mutter dieser Tage die größten Sorgen?
Ich mache mir Sorgen um unser soziales Miteinander. Wir Menschen sind soziale Wesen, und auch evolutionär so entwickelt. Man hat in der Gruppe gelebt und es war ein Überlebensvorteil, sich gut zu verstehen. Deswegen ist es nicht nur gesellschaftliche Konvention, wenn wir uns darum scheren, was jemand anderes über einen denkt und dass wir uns schämen, wenn wir etwas verbockt haben.
Ich empfinde eine fast schon erdrückende Verantwortung mit dieser Sendung.