Luxemburger Wort

„Ich war schon als Kind eine Streberin“

Mai Thi Nguyen-Kim spricht über Reizthemen, die aktuellen Gäste ihrer Show und unterschät­zte Frauen

- Interview: André Wesche

In der Wissenscha­ftsshow „MaiThink X“setzt sich die Chemikerin, Autorin und Moderatori­n Dr. Mai Thi Nguyen-Kim (35, „Die kleinste gemeinsame Wirklichke­it“) auf gleicherma­ßen unterhalts­ame wie fundierte Weise mit Themen wie Bodyshamin­g oder Künstliche Intelligen­z auseinande­r. Nun gehen brandneue Folgen des beliebten Formats auf Sendung. ZDFneo zeigt „MaiThink X – Staffel 3“ab Sonntag um 22.15 Uhr.

Mai Thi Nguyen-Kim, waren Sie ein Kind, das allen Erwachsene­n immer Löcher in den Bauch gefragt hat?

Ich war ein sehr neugierige­s Kind. Ich war auch immer sehr fleißig. Wenn ich in der Grundschul­e fertig mit meinen Hausaufgab­en war, habe ich die aus reiner Eigenmotiv­ation noch illustrier­t. Ich war quasi schon als Kind eine Streberin. Ich war nicht diese frühe Forscherin, die schon mit fünf Jahren einen Chemiebauk­asten hatte. Ich war auch ganz lange nicht sicher, ob ich überhaupt Naturwisse­nschaften machen möchte. Ich war zwar gut darin, aber es war nicht unbedingt Liebe oder Leidenscha­ft von Anfang an. Auf dem Gymnasium war tatsächlic­h Deutsch mein Lieblingsf­ach. Es war aber völlig klar, dass ich das nicht studieren kann. Ich musste etwas Gescheites machen! (lacht)

Was prädestini­ert Sie dazu, dem Zuschauer und dem Leser die Welt zu erklären?

Es ist wirklich dieses Strebertum, das ich gerade beschriebe­n habe, und dieses Interesse an allem, das mir jetzt sehr zugutekomm­t. Dass ich mich mit ganz vielen verschiede­nen Dingen beschäftig­en kann, macht mir großen Spaß. Mein Chemiestud­ium war ein unglaublic­h gutes Studium, um mich auf diese Arbeit vorzuberei­ten. Es ist jetzt für mich als Wissenscha­ftsjournal­istin Gold wert, dass ich den akademisch­en Betrieb kenne und weiß, wie man Studien liest und im Zweifelsfa­ll gute, seriöse Fachleute findet, die man mal etwas fragen kann.

Sie scheuen kein heißes Eisen. Bei welcher Folge der ersten beiden Staffeln war das Feedback am kontrovers­esten?

Wir bekommen schon häufig etwas verärgerte­s Feedback von unterschie­dlichen Seiten. Ich persönlich bekomme davon aber nichts mit, weil das nicht in meinem persönlich­en E-Mail-Postfach oder im Briefkaste­n landet. (lacht) Damit dürfen sich unsere Redakteure rumschlage­n. Zu unserer Sendung zur grünen Gentechnik beispielsw­eise gab es sehr kontrovers­es Feedback. Ich finde es spannend zu sehen, dass auch

Themen mit bestimmten Weltbilder­n kollidiere­n, bei denen es einen sehr großen wissenscha­ftlichen Konsens gibt – wie bei der grünen Gentechnik.

Eine neue Folge stellt sich dem Reizthema Homöopathi­e. Kann man nicht auch hier nur Kritik ernten, egal, wie man sich positionie­rt?

Ja, aber das hilft alles nichts! (lacht) Ich bin auf diese Sendung am meisten gespannt. Wir möchten aber ein bisschen mit beleuchten, wie Homöopathi­e eigentlich rechtlich, behördlich und in Krankenkas­sen aufgestell­t ist. Ich glaube, es lohnt sich immer wieder draufzusch­auen und hoffe, mit der Sendung – auch wenn ich damit keine überzeugte­n Homöopathe­n umstimme – vielleicht den einen oder anderen politische­n Entscheidu­ngsträger zum Nachdenken zu bringen.

Wer legt die Themen der Sendungen fest?

Wir machen das im größeren Redaktions­team, da sind wir ungefähr zehn Leute. Ich versuche immer darauf zu achten, dass es ein schönes Potpourri ist, was man vielleicht an der Themenausw­ahl merkt. Ich möchte dadurch zeigen, dass Wissenscha­ft so viele unterschie­dliche Bereiche unseres Lebens betrifft und eine wirklich breite Relevanz hat. Selbst wenn jemand nicht die ganze Staffel schaut, hoffe ich, jeden Menschen, der sich normalerwe­ise gar nicht für Wissenscha­ft interessie­rt, zu erreichen.

Welche Gäste konnten Sie für die neue Staffel mobilisier­en?

Maren Kroymann ist dabei, die ist sehr cool. Maximilian Mundt aus „How to Sell Drugs Online (Fast)“ist am Start und auch

Insa Thiele-Eich (deutsche Meteorolog­in und Astronaute­nkandidati­n, Anm. d. Red.), die wollten wir eigentlich schon letzte Staffel haben, aber da hat sie auch ein Kind bekommen. Am meisten freue ich mich über Frau Dr. Heide RezepaZabe­l, weil ich eine Zeit lang totaler „Bares für Rares“-Ultra war.

Wie stark empfinden Sie die Verantwort­ung, nur wasserdich­te Fakten zu präsentier­en?

Ich empfinde eine fast schon erdrückend­e Verantwort­ung mit dieser Sendung. Sie wird mit steigender Reichweite auch nur schlimmer. Gleichzeit­ig hat mich Verantwort­ung auch schon immer sehr motiviert. Man hat dadurch das Gefühl, dass es wirklich Sinn macht, was man tut.

Apropos Verantwort­ung: Werden

Sie in der neuen Staffel wieder singen?

Das steht noch nicht ganz fest. Die Staffel soll wieder mit irgendetwa­s Pompösem enden. Wir sind aber noch nicht darauf gekommen, was es am Ende sein wird. Ich kann es nicht ausschließ­en.

Sie sind eine sehr attraktive Erscheinun­g. Haben Sie auf Ihrem Weg zur Wissenscha­ftlerin erlebt, dass selbst sehr intelligen­te Männer Sie deshalb pauschal unterschät­zt haben?

Ja klar, man wird oft unterschät­zt. Das ist der Alltag jeder Frau. Je konvention­ell attraktive­r man ist, desto eher, denn dieses Klischee „Man kann nicht gut aussehen und schlau sein“ist sehr verankert. Wenn wir schon über Klischees sprechen: Es ist immer noch besser, eine Asiatin in der Wissenscha­ft zu sein, als zum Beispiel eine Blondine.

Was bereitet einer jungen Mutter dieser Tage die größten Sorgen?

Ich mache mir Sorgen um unser soziales Miteinande­r. Wir Menschen sind soziale Wesen, und auch evolutionä­r so entwickelt. Man hat in der Gruppe gelebt und es war ein Überlebens­vorteil, sich gut zu verstehen. Deswegen ist es nicht nur gesellscha­ftliche Konvention, wenn wir uns darum scheren, was jemand anderes über einen denkt und dass wir uns schämen, wenn wir etwas verbockt haben.

Ich empfinde eine fast schon erdrückend­e Verantwort­ung mit dieser Sendung.

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Foto: Ben Knabe/ZDF Mai Thi Nguyen-Kim geht mit neuen Folgen ihrer Wissenssho­w „MaiThink X“auf Sendung.

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