„Politiker sind kein Freiwild“
Dan Biancalana (LSAP) über seine erste Legislaturperiode als Abgeordneter
Seine ersten politischen Streitgespräche führte Dan Biancalana bereits in der Schulzeit. Früh führte sein Weg zu den Sozialisten und in die Lokalpolitik. Seit Ende 2014 ist der studierte Kriminologe Bürgermeister der Stadt Düdelingen. 2018 schaffte er den Sprung ins Parlament. Seither übt der heute 44Jährige ein Doppelmandat aus. Für ihn gibt es zahlreiche Schnittstellen.
Dan Biancalana, mit welchen vier Adjektiven würden Sie sich beschreiben?
Ich bin ein bodenständiger Mensch, der sowohl geduldig als auch ungeduldig ist, ebenso aber auch mal nervös sein kann. Eine gute Portion Selbstironie gehört ebenfalls dazu.
Was hat Sie dazu bewogen, nationalpolitisch aktiv zu werden?
Dieses Engagement hat bereits im Lycée begonnen, als ich an einem Kooperationsprojekt beteiligt war, um eine Schule in Kuba zu unterstützen. In der damaligen Diskussion mit Lehrern hatte ich in gewisser Weise meine ersten politischen Reibereien. Sie waren der Ansicht, dass man mit einem solchen Projekt gleichzeitig ein politisches Regime unterstützt. Das habe ich anders gesehen – mir ging es allein darum, junge Menschen zu unterstützen. Auch an der Uni habe ich mich engagiert, war Studentensprecher und schließlich bei den Düdelinger Jungsozialisten aktiv. Der Weg hat klar in die Gemeindepolitik geführt, wo ich nah an den Bedürfnissen der Bürger bin. Der Schritt in die Nationalpolitik war die logische Folge, da es viele Schnittstellen gibt.
Mit welchen Erwartungen traten Sie Ihr Mandat an und wurden diese erfüllt?
Dass die Forderungen, für die sich die LSAP starkmacht, umgesetzt werden. Diese Erwartungen wurden erfüllt. Nennen kann ich etwa den zusätzlichen Feiertag am 9. Mai oder die Erhöhung des Mindestlohns. Da ich aus der Lokalpolitik
komme, war eine andere Erwartung, dass die Gemeinden im nationalpolitischen Gefüge und ihrer Rolle gestärkt werden. Das ist der Fall durch eine Reihe Gesetze, wie jüngst jenes über die „Pecherten“, oder auch die neue Verfassung. Dagegen hat die Steuerdebatte gezeigt, dass noch Handlungsbedarf besteht. Besonders die Entlastung alleinerziehender Familien steht noch aus.
Wer ist Ihr politisches Vorbild und warum?
Eine Person, die inspirierend auf mich gewirkt hat, ist die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú, eine Menschenrechtsaktivistin aus Guatemala, die sich für die Verteidigung und Förderung der indigenen Völker und auch Frauen starkmacht und sich für die soziale Gerechtigkeit einsetzt. Sie selbst stammt aus armen Verhältnissen, erlebte den Bürgerkrieg in Guatemala und musste ins Exil. Was sie in dieser schwierigen Lebenssituation geleistet hat, ist bemerkenswert.
Für welchen Bereich interessieren Sie sich besonders und warum?
Als Präsident der Kommission für innere Angelegenheiten für alle Projekte, die den Gemeindesektor betreffen. Von meinem professionellen Background her interessiere ich mich natürlich auch für den ganzen Bereich rund um die Justiz und die Sicherheit im öffentlichen Raum. Soziale Themen, besonders wenn es um die Gerechtigkeit geht, liegen mir ebenfalls am Herzen.
Welches parlamentarische Ereignis hat Sie bisher am meisten beeindruckt?
Einerseits die Situation der Pandemie und die Art und Weise, wie wir sie gehandhabt haben, wie im medizinischen Bereich darauf reagiert und wie in der Gesellschaft damit umgegangen wurde. Es galt, ein Gleichgewicht zwischen der öffentlichen Gesundheit und der zeitweiligen Beschneidung verschiedener Freiheiten zu finden. Dann noch etwas anderes: 2021 hatte ich die Chance, Budgetberichterstatter zu sein, was ich als ganz wichtige parlamentarische Mission sehe. Das war eine intensive Zeit und ein echter Kraftakt.
Welche persönlichen Lehren ziehen Sie aus den vergangenen vier Jahren?
Als Politiker wird man schnell angegriffen. Man darf aber nicht alles tolerieren.
wir wieder in alte Muster und Egoismen verfallen. Das empfinde ich als sehr beunruhigend. Ich stelle mir oft die Frage, wie man dagegen vorgehen kann, einerseits im individuellen Gespräch, andererseits kollektiv im politischen Diskurs. „Bereuen“ist das falsche Wort, aber das beschäftigt mich im Moment sehr.
Mit den Lockerungen hat auch die Solidarität abgenommen. Wir verfallen wieder in alte Muster und Egoismen.
Wenn Sie eine konkrete politische Entscheidung treffen könnten, welche wäre das?
Dafür sorgen, dass es keine Armut mehr gibt. Dass man sich ein Instrument oder eine Strategie gibt, damit die Menschen in Würde leben können, in einer gewissen Unversehrtheit, unabhängig von ihrer Lebenssituation. Außerdem wäre mir wichtig, die ganzen Dienste, die im Sozialbereich tätig sind, noch weiter zu stärken, besonders in der Präventionsarbeit, die oft zu kurz kommt. Sie ist extrem wichtig, aber auch schwer messbar.
Bei welchem historischen Ereignis wären Sie gerne dabei gewesen?
Im Juli 1969 bei der Mondlandung mit Neil Armstrong. Das war ein starker Moment in der Weltgeschichte.
Welches Buch empfehlen Sie als Sommerlektüre?
„L’Amie prodigieuse“von Elena Ferrante, ein Buch über Freundschaft, die anhält und einen prägt, auch wenn man verschiedene Wege geht.
Welche Serie oder welchen Film würden Sie für verregnete Tage empfehlen?
Es gibt zwei Serien, die mir persönlich sehr gut gefallen: „For Life“über einen Mann, der verurteilt wird und im Gefängnis sein Anwaltsstudium nachholt und dessen Prozess wieder aufgenommen wird. Nachdem er freigekommen ist, macht er Karriere als Anwalt. Und „The Blacklist“. Ein Film, den ich mir immer wieder anschaue und dabei stets neue Elemente entdecke, ist „The Usual Suspects“.
Wie verbringen Sie am liebsten Ihre Zeit außerhalb der Chamber?
Ich bin ein Mensch, der immer schon sehr viel Sport gemacht hat. Ich gehe viel laufen, und zwar bei jedem Wetter. Das ist für mich immer ein Moment, wo ich einerseits abschalten kann, andererseits aber auch die Arbeit reflektiere. Dann verbringe ich natürlich auch gerne Zeit mit der Freundin, mag gutes Essen und Kinobesuche.
Werden Sie 2023 erneut bei den Chamber-Wahlen kandidieren?
Ja, natürlich, gerne.