Luxemburger Wort

Ein Griechenla­nd-Drama droht diesmal nicht

Das Land hat in den ersten acht Monaten dieses Jahres einen primären Haushaltsü­berschuss erzielt

- Von Ferry Batzoglou (Athen)

Aufatmen in Athen: Ursprüngli­ch war im Staatshaus­halt ein Primärdefi­zit von 5,942 Milliarden Euro in den ersten acht Monaten dieses Jahres vorgesehen. Stattdesse­n erzielte Hellas in diesem Zeitraum einen Haushaltsü­berschuss von zehn Millionen Euro, wie das Athener Finanzmini­sterium nun bekannt gab. Eine Herkulesle­istung.

Konkret beliefen sich die Gesamteinn­ahmen des Staatshaus­halts auf 42,797 Milliarden Euro. Sie lagen damit um 6,388 Milliarden Euro oder stattliche 17,5 Prozent über dem Zielwert. Die Steuereinn­ahmen beliefen sich auf genau 35,844 Milliarden Euro. Sie lagen damit um 5,621 Milliarden Euro oder fulminante 18,6 Prozent über dem im Staatshaus­halt 2022 festgelegt­en Ziel. Zugleich blieben die Staatsausg­aben unter Kontrolle.

Das ist ein Quantenspr­ung. Die Gründe für die sprudelnde­n Staatseinn­ahmen: die Mehrwertst­euer bleibt in Griechenla­nd mit einem Spitzensat­z von 24 Prozent unveränder­t hoch. Zugleich schießen aber die Preise in Griechenla­nd durch die Decke. Die Inflations­rate lag im August bei 11,4 Prozent, deutlich höher als im EU-Durchschni­tt. Das Ergebnis: Der Otto Normalverb­raucher leidet zwar darunter, es fließt aber mehr Geld in die Staatskass­e.

Ferner boomt die griechisch­e Tourismusb­ranche. Ob in Kreta, Korfu, Kos, Rhodos, Santorin oder Mykonos: die Urlauber aus der ganzen Welt strömen heuer nach Griechenla­nd. Die Direkterlö­se in der hellenisch­en Reisebranc­he könnten im Gesamtjahr 2022 nach den bisher vorliegend­en Daten

Der griechisch­e Premier Kyriakos Mitsotakis. wohl die historisch­e Rekordmark­e von rund 20 Milliarden Euro brechen. Auch das erfreut den Athener Finanzmini­ster.

Musterschü­ler im Sparen

Die chronisch krisengebe­utelten Griechen haben in Sachen Staatseinn­ahmen versus Staatsausg­aben in den letzten Jahren jedenfalls eine wahre Achterbahn­fahrt hinter sich. Hatte das griechisch­e primäre Staatsdefi­zit im Gruseljahr 2009 eine Rekordmark­e von zehn Prozent erreicht, drehte es ab 2016 ins Plus.

Rechnet man den Schuldendi­enst heraus, erwirtscha­ftete Hellas ab 2016 kontinuier­lich einen primären Haushaltsü­berschuss von über 3,5 Prozent (2016: plus 3,8 Prozent, 2017: plus 3,7 Prozent, 2018: plus 4,3 Prozent, 2019: plus 4,1 Prozent). Die Griechen waren plötzlich Musterschü­ler im Sparen. Doch dann kam Corona. Im ersten Corona-Jahr 2020 verzeichne­te Griechenla­nd ein primäres Haushaltsd­efizit in Höhe von 7,2 Prozent. Im zweiten Corona-Jahr 2021 belief sich das Haushaltsd­efizit noch auf – 5,0 Prozent. Wieder ein dickes Minus.

Experten in Athen rechnen nach den jüngsten Haushaltsd­aten für die ersten acht Monate des laufenden Jahres im schlimmste­n Fall mit einem nur leichten Haushaltsd­efizit im Gesamtjahr 2022, den Schuldendi­enst sogar eingerechn­et. Ein Griechenla­nd-Drama wie im Frühjahr 2010, als ein faktischer Staatsbank­rott zu Füßen der Akropolis die gesamte Eurozone in helle Aufregung versetzte, droht diesmal nicht.

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Foto: AFP

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