Das Smiley wird 40
Beim Herumalbern über Physik-Szenarien tippten Informatikstudenten das erste Smiley in ihren Chat
Pittsburgh. Wenn eine Gruppe Informatiker über kuriose Physik-Experimente philosophiert, dann werden wohl die meisten NichtExperten aufgrund der erwarteten Komplexität des Themas schon abschalten. Was passiert etwa, wenn in einem Fahrstuhl eine brennende Kerze an der Wand hängt, ein Tropfen Quecksilber auf dem Boden liegt und dann das FahrstuhlKabel reißt? Explosion, Verbrennung oder geht bloß die Kerze aus?
Ganz ernst war den Informatikern der Carnegie Mellon Universität im US-amerikanischen Pittsburgh, die eben jene Diskussion vor 40 Jahren über ihr universitäres Netzwerk führten, die ganze Angelegenheit auch nicht. Deswegen suchten sie nach einem Symbol, um den humorigen Charakter des Chats kenntlich zu machen.
Im Laufe der Kommunikation kam Scott Fahlman, ein Mitglied der Gruppe, in einer Nachricht vom 19. September 1982 schließlich mit einem revolutionären Vorschlag um die Ecke: Warum nicht :-) als seitwärts zu lesendes, lachendes Gesicht? Passend dazu regte er auch noch :-( für die gegenteilige Empfindung an. Fahlmans Initiative fand großen Zuspruch unter den Kollegen – doch nicht nur da. Über die universitären Netzwerke verbreitete sich der :-) in Windeseile an etlichen Hochschulen in den USA.
Standard bei Chat-Nachrichten
Das lachende und das greinende Gesicht wurden in der Folge zu festen Bestandteilen der schriftlichen Kommunikation; alsbald kamen zu den sogenannten Emoticons auch Zwinkern ;-), Erstaunen :-O und Zungerausstrecken :-P hinzu. Heute gehören die Smileys zum Standard bei Chat-Nachrichten. Die von Fahlman geschaffene Zeichenkombination wird indes inzwischen kaum mehr wiedergegeben. Beinahe alle Chat- oder MailDienstleister wandeln die Kombinationen automatisch in die runden Grinsegesichter um.
Die Ausdrucksmöglichkeiten sind ins schier Unermessliche gewachsen. Neben den gelben Smileys gibt es inzwischen auch „echte“menschliche Gesichter, mit verschiedenen Geschlechtern, Hautfarben und in unterschiedlichem Alter. Hinzu kommen Darstellungen von Essen, Tieren, Transportmitteln,
Alltagsgegenständen und sogar ein lachender Kothaufen. Der Nachrichten-Dienst WhatsApp etwa bietet derzeit über 3 600 Bildzeichen zum Gebrauch an, Tendenz steigend. Regelmäßig genutzt werden sie jedoch nicht gleichmäßig: Im vergangenen Jahr war das Gesicht mit Freudentränen das weltweit am häufigsten genutzte Emoji, gefolgt vom roten Herzen. Ebenfalls in den Top Ten vertreten: der Daumenhoch, der Kuss-Smiley und tatsächlich das herkömmlich lachende gelbe Gesicht.
Doch wie wirkt sich das auf unsere Sprache aus, wenn Worte und Emotionen zunehmend in Piktogrammen dargestellt werden?
Keine eigene Sprache
Unter den meisten Experten herrscht Einigkeit: Eine eigene Sprache kann dadurch nicht entstehen. Vielmehr dienen sie als Ergänzung. Emojis ermöglichen „die Realisierung von Funktionen, die wir in Face-to-face-Begegnungen mit Mitteln der Körperlichkeit ausdrücken, die aber in digitaler Kommunikation nicht zur Verfügung stehen“, heißt es in einem Beitrag der Linguisten Michael Beißwenger und Steffen Pappert von der Universität Duisburg-Essen. Anders ausgedrückt: Mit lachenden Gesichtern und allen anderen Bildchen versuchen Gesprächspartner, ihre Beziehung auszudrücken. Dass dafür immer mehr Smileys zur Verfügung stehen, kann also durchaus von Vorteil sein.
Ironischerweise ist aber gerade dem Emoticon-Erfinder diese Entwicklung zuwider. „Ich hasse diese animierten Grafiken, die manche Firmen hundertfach ausspucken“, vertraute Fahlman einst dem „Spiegel“an. KNA