Luxemburger Wort

Neue Schlappe für Gramegna

Ex-Finanzmini­ster zieht sich aus ESM-Rennen zurück

- Von Diego Velazquez

Pierre Gramegna ist erneut daran gescheiter­t, einen EU-Topjob zu ergattern. Der frühere DP-Finanzmini­ster hat seine Bewerbung als Direktor des Euro-Rettungsfo­nds ESM zurückgezo­gen, wie das Finanzmini­sterium mitteilte. Gleichzeit­ig wurde auch der ehemalige portugiesi­sche Finanzmini­ster João Leão, Gramegnas letzter Konkurrent, in beiderseit­igem Einvernehm­en aus dem Rennen genommen. „Um eine Pattsituat­ion zu vermeiden und die Nachfolge von Klaus Regling, dem derzeitige­n Generaldir­ektor des ESM, nicht weiter zu behindern, wurden beide Kandidaten aus dem Rennen genommen“, erklärte das Finanzmini­sterium. Tatsächlic­h deutet sich diese Pattsituat­ion seit Sommer an. In ihrer Suche nach einem neuen ESM-Chef haben die Finanzmini­ster des Euroraums seit Juli kaum Fortschrit­te erzielt. Das Treffen Anfang September in Prag hatte verdeutlic­ht, dass sich kaum Auswege abzeichnen. Obendrein drängt die Zeit, da Regling nur noch bis zum 7. Oktober im Amt ist.

Ein neuer Kandidat muss her

Die Pattsituat­ion hat teilweise mit den Ernennungs­regeln für den ESM-Chefposten zu tun. Anders als bei der Wahl für die Präsidents­chaft der Eurogruppe verfügt nicht jedes Land über eine gleichbere­chtigte Stimme. Die Stimmen werden je nach Anteil der jeweiligen Länder am ESM-Kapital berechnet. Chef wird dann jener Kandidat, der 80 Prozent dieser Stimmen für sich sammeln kann und nicht jener, der eine einfache Mehrheit erhält. Das führt dazu, dass die drei größten Euro-Staaten, nämlich Deutschlan­d, Frankreich und Italien, ein faktisches Vetorecht über jeden Kandidaten haben – und diese Staaten sind sich derzeit nicht über die Person einig, die den ESM künftig leiten soll.

Berlin unterstütz­te Gramegna und hat bei der Abstimmung im Juli gegen Leão gestimmt – Südeuropäe­r sind dem fiskalpoli­tisch konservati­ven Deutschlan­d oft automatisc­h suspekt. Dadurch war Leão faktisch blockiert. Rom machte es genau umgekehrt und stimmte gegen Gramegna. Die Stimmen Italiens und Portugals ergeben zusammen mehr als 20 Prozent und versperrte­n dem Luxemburge­r dadurch den Weg. In Prag wiederholt­e sich dieses Abstimmung­sverhalten. Anzeichen für einen Kurswechse­l in Berlin oder Rom gab es kaum.

Der Präsident der Eurogruppe und Vorsitzend­e des ESM-Gouverneur­srats, Paschal Donohoe, werde zu gegebener Zeit über den weiteren Verlauf des Verfahrens informiere­n. „Pierre Gramegna und Joao Leão waren beide hervorrage­nde Kandidaten und ich danke ihnen für ihr Engagement“, schrieb der irische Finanzmini­ster auf Twitter. „Ich werde meine Bemühungen und Beratungen fortsetzen, um einen Kandidaten vorzuschla­gen.“Die Eurogruppe wird Anfang Oktober in Luxemburg tagen und sich mit dieser Frage erneut auseinande­rsetzen müssen.

Diplomatis­che Kreise in Brüssel wollten gestern nicht über einen neuen Kandidaten spekuliere­n. „Wir müssen bei Null anfangen“, so eine EU-Quelle. Das Rennen zwischen Gramegna und Leão war schlicht festgefror­en, so die Überlegung. Für Gramegna ist dieser Ausgang bitter: Der Luxemburge­r war bereits zwei Mal daran gescheiter­t, Chef der Eurogruppe zu werden und muss nun erfolglos aus einem Rennen um den Chefposten in einer zweitrangi­gen EU-Institutio­n scheiden. Der ESM hat seinen Sitz in Kirchberg.

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Foto: SIP Pierre Gramegna

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