Neue Schlappe für Gramegna
Ex-Finanzminister zieht sich aus ESM-Rennen zurück
Pierre Gramegna ist erneut daran gescheitert, einen EU-Topjob zu ergattern. Der frühere DP-Finanzminister hat seine Bewerbung als Direktor des Euro-Rettungsfonds ESM zurückgezogen, wie das Finanzministerium mitteilte. Gleichzeitig wurde auch der ehemalige portugiesische Finanzminister João Leão, Gramegnas letzter Konkurrent, in beiderseitigem Einvernehmen aus dem Rennen genommen. „Um eine Pattsituation zu vermeiden und die Nachfolge von Klaus Regling, dem derzeitigen Generaldirektor des ESM, nicht weiter zu behindern, wurden beide Kandidaten aus dem Rennen genommen“, erklärte das Finanzministerium. Tatsächlich deutet sich diese Pattsituation seit Sommer an. In ihrer Suche nach einem neuen ESM-Chef haben die Finanzminister des Euroraums seit Juli kaum Fortschritte erzielt. Das Treffen Anfang September in Prag hatte verdeutlicht, dass sich kaum Auswege abzeichnen. Obendrein drängt die Zeit, da Regling nur noch bis zum 7. Oktober im Amt ist.
Ein neuer Kandidat muss her
Die Pattsituation hat teilweise mit den Ernennungsregeln für den ESM-Chefposten zu tun. Anders als bei der Wahl für die Präsidentschaft der Eurogruppe verfügt nicht jedes Land über eine gleichberechtigte Stimme. Die Stimmen werden je nach Anteil der jeweiligen Länder am ESM-Kapital berechnet. Chef wird dann jener Kandidat, der 80 Prozent dieser Stimmen für sich sammeln kann und nicht jener, der eine einfache Mehrheit erhält. Das führt dazu, dass die drei größten Euro-Staaten, nämlich Deutschland, Frankreich und Italien, ein faktisches Vetorecht über jeden Kandidaten haben – und diese Staaten sind sich derzeit nicht über die Person einig, die den ESM künftig leiten soll.
Berlin unterstützte Gramegna und hat bei der Abstimmung im Juli gegen Leão gestimmt – Südeuropäer sind dem fiskalpolitisch konservativen Deutschland oft automatisch suspekt. Dadurch war Leão faktisch blockiert. Rom machte es genau umgekehrt und stimmte gegen Gramegna. Die Stimmen Italiens und Portugals ergeben zusammen mehr als 20 Prozent und versperrten dem Luxemburger dadurch den Weg. In Prag wiederholte sich dieses Abstimmungsverhalten. Anzeichen für einen Kurswechsel in Berlin oder Rom gab es kaum.
Der Präsident der Eurogruppe und Vorsitzende des ESM-Gouverneursrats, Paschal Donohoe, werde zu gegebener Zeit über den weiteren Verlauf des Verfahrens informieren. „Pierre Gramegna und Joao Leão waren beide hervorragende Kandidaten und ich danke ihnen für ihr Engagement“, schrieb der irische Finanzminister auf Twitter. „Ich werde meine Bemühungen und Beratungen fortsetzen, um einen Kandidaten vorzuschlagen.“Die Eurogruppe wird Anfang Oktober in Luxemburg tagen und sich mit dieser Frage erneut auseinandersetzen müssen.
Diplomatische Kreise in Brüssel wollten gestern nicht über einen neuen Kandidaten spekulieren. „Wir müssen bei Null anfangen“, so eine EU-Quelle. Das Rennen zwischen Gramegna und Leão war schlicht festgefroren, so die Überlegung. Für Gramegna ist dieser Ausgang bitter: Der Luxemburger war bereits zwei Mal daran gescheitert, Chef der Eurogruppe zu werden und muss nun erfolglos aus einem Rennen um den Chefposten in einer zweitrangigen EU-Institution scheiden. Der ESM hat seinen Sitz in Kirchberg.