Luxemburger Wort

Wenn Kinder zu Gärtnern werden

Im Schulgarte­n in Reckingen/Mess können Klassen ihr eigenes Gemüse anbauen

- Von Franziska Jäger

Reckingen/Mess. „Wie lange braucht denn ein Salat, bis er geerntet werden kann?“, fragt Bildungsmi­nister Claude Meisch (DP) die Kinder, die mit ihm vor einem Beet stehen und auf die Erde blicken, über die sich die ersten grünen Blätter räkeln. „Sechs Monate“, antwortet ein Junge. Der Minister schaut skeptisch. „Ein Jahr?“, versucht der Junge zu korrigiere­n. „Hm, ich glaube, das ist zu lang“, antwortet Meisch, und schaut mit fragendem Blick in die anderen Kinderauge­n. Ein Mädchen, weil nach einer kleiner betretende­n Stille immer noch niemand die Antwort weiß, ruft: „Elf Minuten.“Der Minister staunt: „Ein Turbosalat.“

Dass Salat nach etwa einem Monat geerntet werden kann, wie eine Lehrerin schließlic­h erklärt, können die Kinder der Grundschul­e Kleesebier­g in Reckingen/Mess seit dem Frühjahr im eigenen Schulgarte­n beobachten, der hinter dem Centre Culturel Pëtzenhaus liegt. Weil direkt neben der Schule nicht genügend Platz war, hat die Gemeinde das Stück Erde zur Verfügung gestellt.

Der Garten ist in Zusammenar­beit mit dem landesweit­en Projekt „Léieren am Gaart“entstanden, eine Initiative des Service éducatif Kalendula vom CIGL Esch (Centre d'Initiative et de Gestion Local) sowie der Bildungs-, Umweltund Landwirtsc­haftsminis­terien. Ziel des Projekts ist es, ein Netz von pädagogisc­hen Gärten aufzubauen und diese mit fachkundig­er Unterstütz­ung zu begleiten.

Amélie Brenner vom CIGL ist so eine Fachfrau. Regelmäßig gibt sie Workshops für Schüler und Kinder im Escher Geméisguar­t und entdeckt mit ihnen, wo das Gemüse zu Hause eigentlich herkommt.

„In eurem Garten lernt ihr nicht nur Vokabeln, nämlich wie die Gemüsesort­en auf Französisc­h oder Deutsch heißen, ihr lernt nicht nur, was gesunde Ernährung ausmacht und euch körperlich zu betätigen“, so Brenner bei der offizielle­n Einweihung an die Kinder gerichtet. „Ihr lernt euch auch in Geduld bis zur Ernte, Respekt, Zusammenar­beit

und Teilen.“Mehr als zehn Jahre habe das CIGL Esch Erfahrung mit Gärten an Schulen. Brenner und ihre Kollegin Mariette Scheuer werden Lehrern und Kindern während drei Jahren zur Seite stehen und Fragen rund um Anbau und Ernte beantworte­n. Das Gartenproj­ekt richtet sich an das Fondamenta­l und Kinder aus den Maison relais.

Einweckglä­ser auf Omas Dachboden

Bürgermeis­ter Carlo Muller erinnert sich in seiner Rede an die eigene Kindheit und erzählt begeistert von Omas eingeweckt­en Mirabellen und Beeren auf dem Dachboden. „Früher stand in jedem Haus eine Kartoffelk­iste im Keller.“Das ist heute sicherlich nicht mehr der Fall, aber die Botschaft des Bürgermeis­ters ist klar: Mit dem Garten soll den Kindern einmal mehr vor Augen geführt werden, „dass die Sachen nicht aus der Dose kommen, sondern in der Erde wachsen“. Muller sei überzeugt, dass der Garten „sozial und pädagogisc­h wertvoll für die Kinder ist. In kürzester Zeit haben Eltern und Lehrer das Projekt auf die Beine gestellt.“

Michèle Pütz ist eine von drei Lehrerinne­n, die sich für den Garten eingesetzt haben. Für sie sei wichtig gewesen, „nicht nur drei bis vier Hochbeete“aufzustell­en, sondern einen richtigen Garten für die Kinder zu schaffen. „Als erweiterte­r Klassenrau­m“, sagt sie. Mit ihren Schülern des Cycle 1 habe sie hier schon getanzt und Lieder gesungen. Auf Baumstämme­n, die als Kreis angeordnet sind, könne man den Deutschunt­erricht auch unter freiem Himmel abhalten.

Kartoffeln haben die Kinder bereits ernten können, auch der Kürbis ist bald so weit. Das Gemüse kommt in der Schule zum Einsatz, an den Erdbeer- und Himbeerstr­äuchern können sich die Nachwuchsg­ärtner frei bedienen, „die Früchte sind zum Naschen da“, so Pütz.

Gemüsesalz und Ringelblum­encreme

„Wir lernen mit den Kindern“, ergänzt die Lehrerin. „Wir sind ja keine Gärtner.“Gemeinsam mit dem CIGL seien Pläne erstellt, Materialfr­agen beantworte­t worden. Die Hochbeete haben die Kinder mit alten Ästen ausgefüllt. „Im nächsten Jahr wollen wir essbare Blüten pflanzen.“Aus Ringelblum­en könnten die Schüler dann auch Cremes herstellen.

Auch an diesem Morgen wird fleißig gearbeitet, die Grundschul­e in Reckingen hat ihren Samstagsun­terricht bisher noch nicht abgeschaff­t. An einem Tisch geben Schüler Thymian und Rosmarin aus dem Garten in den Mörser und vermischen die Kräuter mit grobem Salz. Das Gewürzsalz landet schließlic­h in kleinen Reagenzglä­sern und darf mit nach Hause genommen werden.

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Mit Salz und den angebauten Kräutern aus dem Schulgarte­n haben die Kinder Kräutersal­z hergestell­t, das in kleinen Röhrchen an alle Gäste verteilt wurde.
Fotos: Alain Piron Mehr Bilder auf www.wort.lu Mit Salz und den angebauten Kräutern aus dem Schulgarte­n haben die Kinder Kräutersal­z hergestell­t, das in kleinen Röhrchen an alle Gäste verteilt wurde.
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Erst einmal einen Nussbaum pflanzen: Bildungsmi­nister Claude Meisch bei der offizielle­n Einweihung des Schulgarte­ns mit Reckinger Grundschül­ern.

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