Wenn Kinder zu Gärtnern werden
Im Schulgarten in Reckingen/Mess können Klassen ihr eigenes Gemüse anbauen
Reckingen/Mess. „Wie lange braucht denn ein Salat, bis er geerntet werden kann?“, fragt Bildungsminister Claude Meisch (DP) die Kinder, die mit ihm vor einem Beet stehen und auf die Erde blicken, über die sich die ersten grünen Blätter räkeln. „Sechs Monate“, antwortet ein Junge. Der Minister schaut skeptisch. „Ein Jahr?“, versucht der Junge zu korrigieren. „Hm, ich glaube, das ist zu lang“, antwortet Meisch, und schaut mit fragendem Blick in die anderen Kinderaugen. Ein Mädchen, weil nach einer kleiner betretenden Stille immer noch niemand die Antwort weiß, ruft: „Elf Minuten.“Der Minister staunt: „Ein Turbosalat.“
Dass Salat nach etwa einem Monat geerntet werden kann, wie eine Lehrerin schließlich erklärt, können die Kinder der Grundschule Kleesebierg in Reckingen/Mess seit dem Frühjahr im eigenen Schulgarten beobachten, der hinter dem Centre Culturel Pëtzenhaus liegt. Weil direkt neben der Schule nicht genügend Platz war, hat die Gemeinde das Stück Erde zur Verfügung gestellt.
Der Garten ist in Zusammenarbeit mit dem landesweiten Projekt „Léieren am Gaart“entstanden, eine Initiative des Service éducatif Kalendula vom CIGL Esch (Centre d'Initiative et de Gestion Local) sowie der Bildungs-, Umweltund Landwirtschaftsministerien. Ziel des Projekts ist es, ein Netz von pädagogischen Gärten aufzubauen und diese mit fachkundiger Unterstützung zu begleiten.
Amélie Brenner vom CIGL ist so eine Fachfrau. Regelmäßig gibt sie Workshops für Schüler und Kinder im Escher Geméisguart und entdeckt mit ihnen, wo das Gemüse zu Hause eigentlich herkommt.
„In eurem Garten lernt ihr nicht nur Vokabeln, nämlich wie die Gemüsesorten auf Französisch oder Deutsch heißen, ihr lernt nicht nur, was gesunde Ernährung ausmacht und euch körperlich zu betätigen“, so Brenner bei der offiziellen Einweihung an die Kinder gerichtet. „Ihr lernt euch auch in Geduld bis zur Ernte, Respekt, Zusammenarbeit
und Teilen.“Mehr als zehn Jahre habe das CIGL Esch Erfahrung mit Gärten an Schulen. Brenner und ihre Kollegin Mariette Scheuer werden Lehrern und Kindern während drei Jahren zur Seite stehen und Fragen rund um Anbau und Ernte beantworten. Das Gartenprojekt richtet sich an das Fondamental und Kinder aus den Maison relais.
Einweckgläser auf Omas Dachboden
Bürgermeister Carlo Muller erinnert sich in seiner Rede an die eigene Kindheit und erzählt begeistert von Omas eingeweckten Mirabellen und Beeren auf dem Dachboden. „Früher stand in jedem Haus eine Kartoffelkiste im Keller.“Das ist heute sicherlich nicht mehr der Fall, aber die Botschaft des Bürgermeisters ist klar: Mit dem Garten soll den Kindern einmal mehr vor Augen geführt werden, „dass die Sachen nicht aus der Dose kommen, sondern in der Erde wachsen“. Muller sei überzeugt, dass der Garten „sozial und pädagogisch wertvoll für die Kinder ist. In kürzester Zeit haben Eltern und Lehrer das Projekt auf die Beine gestellt.“
Michèle Pütz ist eine von drei Lehrerinnen, die sich für den Garten eingesetzt haben. Für sie sei wichtig gewesen, „nicht nur drei bis vier Hochbeete“aufzustellen, sondern einen richtigen Garten für die Kinder zu schaffen. „Als erweiterter Klassenraum“, sagt sie. Mit ihren Schülern des Cycle 1 habe sie hier schon getanzt und Lieder gesungen. Auf Baumstämmen, die als Kreis angeordnet sind, könne man den Deutschunterricht auch unter freiem Himmel abhalten.
Kartoffeln haben die Kinder bereits ernten können, auch der Kürbis ist bald so weit. Das Gemüse kommt in der Schule zum Einsatz, an den Erdbeer- und Himbeersträuchern können sich die Nachwuchsgärtner frei bedienen, „die Früchte sind zum Naschen da“, so Pütz.
Gemüsesalz und Ringelblumencreme
„Wir lernen mit den Kindern“, ergänzt die Lehrerin. „Wir sind ja keine Gärtner.“Gemeinsam mit dem CIGL seien Pläne erstellt, Materialfragen beantwortet worden. Die Hochbeete haben die Kinder mit alten Ästen ausgefüllt. „Im nächsten Jahr wollen wir essbare Blüten pflanzen.“Aus Ringelblumen könnten die Schüler dann auch Cremes herstellen.
Auch an diesem Morgen wird fleißig gearbeitet, die Grundschule in Reckingen hat ihren Samstagsunterricht bisher noch nicht abgeschafft. An einem Tisch geben Schüler Thymian und Rosmarin aus dem Garten in den Mörser und vermischen die Kräuter mit grobem Salz. Das Gewürzsalz landet schließlich in kleinen Reagenzgläsern und darf mit nach Hause genommen werden.