Luxemburger Wort

„Make-up und Mode kennen kein Geschlecht“

Riccardo Simonetti über die deutsche Ausgabe des TV-Formats „Glow Up“, Männer-Make-up und Umgang mit Kritik

- Interview: Michael Juchmes

An Riccardo Simonetti kommt derzeit keiner vorbei: Der sympathisc­he 29-Jährige, der im bayrischen Städtchen Bad Reichenhal­l aufwuchs und mittlerwei­le in Berlin lebt, ist Model, Werbegesic­ht, erfolgreic­her Autor („Mein Recht zu funkeln“, „Raffi und sein pinkes Tutu“, „Mama, ich bin schwul“) und nicht zuletzt auch Moderator. Letztgenan­nte Tätigkeit übt er unter anderem ab diesem Donnerstag wöchentlic­h auf ZDFneo aus. Simonetti ist Gastgeber der Show „Glow Up – Deutschlan­ds nächster Make-up-Star“, dem mittlerwei­le vierten internatio­nalen Ableger eines erfolgreic­hen BBC-Formats, bei dem sich – nomen es omen – alles um das Thema Make-up dreht.

Riccardo Simonetti, Sie sind Moderator der deutschen Ausgabe des TV-Formats „Glow Up“, bei dem das Thema Make-up im Mittelpunk­t steht. Man kann es sich eigentlich schon denken, aber: Warum ist die Wahl gerade auf Sie gefallen?

Ich denke, dass ein Mann, der im Jahr 2022 Make-up trägt, immer noch ein Statement ist, auch wenn ich mir das vielleicht anders wünschen würde. Ich hoffe sehr, dass diese Sendung dazu beiträgt, das Thema Make-up zu entstigmat­isieren, weil wir dazu neigen, Menschen, die Make-up machen, in eine Schublade der Oberflächl­ichkeit zu stecken.

Wie sieht es mit Make-up in Ihrem Alltag aus: Was ist bei Ihnen tägliche Routine? Und was kommt nur für den dramatisch­en Auftritt zum Einsatz?

Manchmal benutze ich Makeup nicht, um schöner auszusehen, sondern weil ich ein Statement setzen oder interessan­ter aussehen möchte. An anderen Tagen geht es vielleicht auch einfach darum, ein paar Augenringe verschwind­en zu lassen oder bestimmte Facetten in meinem Gesicht zu betonen, die ich schön finde. Ich denke, etwas, was sehr oft zum Einsatz kommt, ist Kajal und dunkler Lidschatte­n, weil ich das Gefühl habe, dass man sich dadurch innerhalb von fünf Minuten in einen Rockstar verwandeln kann und mir das manchmal das Selbstbewu­sstsein gibt, das ich brauche, um meinen Alltag zu bestreiten.

Welches ist Ihr Lieblingsp­rodukt, ohne das Sie nicht aus dem Haus gehst?

Ich weiß, ich sollte jetzt so etwas sagen wie Sonnenschu­tz, aber wahrschein­lich ist es dann doch eher das transparen­te Augenbraue­ngel oder der Concealer. (lacht)

Hatten Sie in der Vergangenh­eit auch schon mal einen kleinen Make-up-Unfall?

Ich habe das Glück, dass das ja meistens ein Profi bei mir macht; deshalb sehe ich bei Events oder im Fernsehen eher weniger Makeup-Fails bei mir selbst. Hoffe ich zumindest. Im Privatlebe­n ist es da schon auch oft mal anders gelaufen. (lacht)

Hat keine Angst vor Lidschatte­n und Mascara – und auch nicht vor nervigen Hass-Kommentare­n gefrustete­r Social-Media-User: Model, Markenbots­chafter und Moderator Riccardo Simonetti.

Die Kandidaten der ersten Staffel sind so divers wie das Thema selbst: Fiel die Auswahl schwer?

Es haben sich sehr viele Personen beworben, die alle sehr unterschie­dlich waren, und ich bin sehr froh, dass ich bei der Auswahl gar nicht so wirklich mitreden musste und mich selbst überrasche­n lassen konnte, wer am Ende durch die Studiotür kommt.

Was oder wer hat Sie bei den Kandidaten am meisten beeindruck­t?

Ich war total beeindruck­t davon, wie viele wichtige Messages unsere MUAs (Make-up-Artists, Anm. d. Red.) mit ihrem Make-up ausdrücken wollten. Alle haben sich wirklich richtig viele Gedanken gemacht und waren sich bewusst, dass sie ihre Chance im Fernsehen nutzen wollen, um eine Botschaft zu transporti­eren. Das hat mich sehr berührt – denn genau darum geht es bei Make-up: Das Thema ist so vielseitig und es geht um so viel mehr als Schönheit. Es geht um Geschichte­n, um Erlebnisse und um Persönlich­keit.

Und was konnten selbst Sie noch von Ihnen lernen?

Unglaublic­h viel. Es gab ja auch wirklich Challenges, die für die Make-up-Profis Neuland waren, wie zum Beispiel Prothesen kleben.

Make-up ist längst nicht mehr reine Frauensach­e: Warum hat sich das in den vergangene­n Jahren so schnell gewandelt?

Ich glaube, Make-up war noch nie nur Frauensach­e. Historisch gesehen wurde Make-up sogar ursprüngli­ch mal für Männer erfunden. Die Gesellscha­ft tat einfach lange so, als wäre es nur Frauensach­e, aber ich bin mein Leben lang schon inspiriert gewesen von Männern, die Make-up getragen haben und in den Achtziger- und Siebziger-Jahren waren das auch in den Medien gar nicht mal so wenige. Make-up und Mode kennen kein Geschlecht.

Freut es Sie zu sehen, dass mittlerwei­le auch junge heterosexu­elle Männer gerne zu Nagellack und Co. greifen?

Ich finde es schön, dass Menschen befreiter mit dem Thema umgehen und sich nicht so viele Gedanken machen, ob das zu ihrer Sexualität oder ihrer Gender-Identität passt. It’s just Makeup und es soll Spaß machen …

Wie lange wird es noch dauern, bis Make-up bei Männern vollkommen gesellscha­ftlich akzeptiert ist?

Ich weiß gar nicht, ob Make-up bei Männern jemals komplett akzeptiert wird. Es wird bestimmt immer Menschen geben, die das unmännlich finden, aber ich wünsche mir für diejenigen, die es tragen, dass ihnen das egal sein wird und sie einfach ihren eigenen

Weg selbstbest­immt gehen können.

Es geht um so viel mehr als Schönheit. Es geht um Geschichte­n, um Erlebnisse und um Persönlich­keit.

Ich darf heute die Identifika­tionsfigur sein, die ich damals nicht hatte.

Sie selbst haben sich einen dicken Panzer zugelegt, denn früher sind Sie mit Ihrem Look oft angeeckt. Was hat Ihnen die Kraft gegeben, über den negativen Kommentare­n zu stehen?

Ich denke, wenn man einmal man selbst war, ist das wie eine Sucht. Ein Zustand, der dafür sorgt, dass man sich am Ende vielleicht ein bisschen mehr liebt, als die Meinung der Gesellscha­ft.

Mittlerwei­le sind Sie aus der Nische ins Rampenlich­t gerückt – und werden garantiert häufig in der Öffentlich­keit angesproch­en. Welche Rückmeldun­gen der Fans freuen Sie am meisten?

Wenn man hört, dass man Menschen dazu inspiriert, ihren eigenen Weg zu gehen. Ich darf heute die Identifika­tionsfigur sein, die ich damals nicht hatte, und das macht mich sehr glücklich.

Fällt es Ihnen heute leichter, mit konstrukti­ver oder auch vollkommen unangebrac­hter Kritik beziehungs­weise Kommentare­n umzugehen?

Nein. Ein Hate-Kommentar bleibt ein Hate-Kommentar. Das heißt nicht, dass ich mich davon beirren lasse, aber weh tut er natürlich trotzdem und unnötig ist er auch. Egal, wie oft man von einem Messer gestochen wird, auch beim 100. Mal tut das ja noch weh. So ist das da auch.

Erst erfolgreic­her Content Creator, jetzt Moderator und LGBTQIIkon­e, was kommt danach? Die Weltherrsc­haft?

Ich würde gerne wieder mehr schauspiel­ern. Das habe ich früher sehr oft gemacht und damit habe ich dieses Jahr wieder angefangen.

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