Hilfe für alle
Die Dramaturgie erinnert an den Ablauf Brüsseler EU-Gipfel, der dem Premierminister vertraut ist: Zu sehr später Stunde und nach dreitägigem Sitzungsmarathon verständigten sich die Tripartite-Teilnehmer auf ein Maßnahmenpaket, mit dem die einen mehr – die Arbeitnehmerseite – und die anderen weniger – die Arbeitgeberseite – zufrieden sind.
Nun sollte sich Blau-Rot-Grün nicht zu früh freuen über das erzielte Ergebnis: Erst einmal ist es eine prinzipielle Einigung, der die Gremien von Patronat und Gewerkschaften in den kommenden Tagen zustimmen müssen. Und der Tripartite-Ausgang vom Frühjahr, als am Ende ein Akteur ausscherte, lehrt, dass dies kein Selbstläufer sein muss.
In Erwartung der endgültigen Einigung drückt der Regierungschef dem geschnürten Paket den Stempel „historisch“auf. „Notwendig“hätte es angesichts des inflationsbedingten Handlungsbedarfs auch getan – klingt aber weniger narrativkompatibel als „historisch“: Schließlich geht es um die Betonung, dass die Regierung im Kampf gegen diese Krise nicht kleckert, sondern klotzt mit einem Einsatz von 1,1 Milliarden Euro.
Eines sind die ausgehandelten Maßnahmen indes nicht: selektiv. Denn ob Gas, Heizöl oder Strom: Alle Bürger werden in gleichem Maße von den vereinbarten Preisdeckelungen profitieren. Auch wenn der Begriff „selektiv“im Vorfeld der Verhandlungen gebetsmühlenartig genannt wurde – in der Kürze der Zeit waren gestaffelte Lösungen nicht zu formulieren.
Die pauschale Preisdeckelung hat drei Merkmale. Erstens ist sie sozial nicht gerecht; sie entspricht klassischer, luxemburgischer Gießkannenpolitik. Zweitens ist sie dem freiwilligen Ansatz der nationalen Energiesparkampagne kaum förderlich. Drittens ist sie nicht vereinbar mit den Zielen des Energie- und Klimaplanes – auch wenn die Politik diesen Punkt jetzt mit dem Argument des kurzfristigen, pragmatischen Vorgehens zu rechtfertigen versucht.
Aus parteipolitischer Perspektive müssen Déi Gréng eine weitere Kröte schlucken, nach dem Tankrabatt folgt nun der Heizölrabatt. Ihre roten und blauen Regierungspartner können zumindest auf der Habenseite verbuchen, den Index beziehungsweise die Schuldengrenze zu verteidigen.
Sozialen – und selektiven – Charakter hat die Verlängerung von Energieprämie und Teuerungszulage bis Ende 2023, da sie die Menschen am unteren Ende der Einkommensleiter unterstützt. Weil neben den Energiekosten die seit Monaten schleichenden Preissteigerungen bei Artikeln des alltäglichen Bedarfs, insbesondere Lebensmittel, das Portemonnaie belasten, bleiben berechtigte Zweifel, dass diese Menschen das Monatsende dennoch sorgenfrei erleben dürfen.
Wobei: Erst einmal aber muss diese Unterstützung auch bei den Menschen ankommen – was voraussetzt, dass sie Kenntnis darüber haben, wie ihnen geholfen werden kann. Dass in dem Punkt noch Luft nach oben bleibt, offenbart ein rezentes Rundschreiben der Regierung an die Gemeinden, bei den betroffenen Bürgern für die Hilfen zu werben.
Diese pauschale Preisdeckelung hat drei Merkmale.
Kontakt: marc.schlammes@wort.lu