Luxemburger Wort

„Im Éislek werden Bürger im Stich gelassen“

Die fehlende medizinisc­he Versorgung im Norden ist diskrimini­erend, so der Autor der Petition 2301

- Von Florian Javel

Als „Grundpfeil­er der Basis medizinisc­her Versorgung des ganzen Nordens“bezeichnet­e Parlaments­präsident Fernand Etgen (DP) die Ettelbrück­er Geburtskli­nik, deren Schließung am 4. April dieses Jahres für große Verunsiche­rung unter werdenden Eltern sorgte. Umso wichtiger sei die öffentlich­e Anhörung der Petition 2301, die über den Monat Mai insgesamt 4 657 Unterschri­ften erreichte, so Etgen weiter. Steve Schmitz, der Autor der Petition, plädierte als Reaktion auf die Schließung der Ettelbrück­er Geburtskli­nik für die Eröffnung von Geburts- und Kinderklin­iken mit einem 24-Stunden-Bereitscha­ftsdienst, um die medizinisc­he Versorgung im Norden des Landes garantiere­n zu können.

In seinem Eingangsst­atement verwies Schmitz auf die Menschenre­chtskonven­tion und die Aufgabe der Regierung, in allen Regionen des Landes für die Sicherheit von Mutter und Kind zu sorgen: „Wer im Zentrum des Landes lebt, kriegt diese Sicherheit geboten. Das kann man für den Norden nicht behaupten, was eine offensicht­liche Diskrimini­erung der Éisleker Region darstellt.“Schmitz begrüße zwar die Wiedereröf­fnung der Maternité, die am 1. Juni erfolgte, stehe der Lösung, die von Gesundheit­sministeri­n gemeinsam mit dem CHL ausgearbei­tet wurde, skeptisch gegenüber. Der Ausbau des SAMU néonatale und die Einführung der Telekonsul­tation aus dem CHL bergen laut Schmitz mehrere Herausford­erungen, die in Notfällen zu Komplikati­onen führen könnten.

„Egal ob mein Kind krank ist und ich unter der Woche das CHL auffinden muss oder Mutter und Kind bei der Geburt um ihr Leben bangen müssen, die Strecke bis ins Zentrum des Landes ist nicht zumutbar. Sie gefährdet den Gesundheit­szustand von Mutter und Kind“, moniert der Petitionär gegenüber Gesundheit­sministeri­n Paulette Lenert (LSAP) und den Mitglieder­n der Gesundheit­skommissio­n.

Das liberale System in der Kritik

Eine vertiefte Analyse langanhalt­ender Hinderniss­e zur Verbesseru­ng der medizinisc­hen Versorgung im ganzen Land boten im Rahmen der öffentlich­en Anhörung auch anwesende Abgeordnet­e. „Wir wissen seit Jahren, dass wir mit einem Ärzte- und Gesundheit­spersonalm­angel zu kämpfen haben. Auch eine intensive Sensibilis­ierungskam­pagne wird dieses Problem akut nicht lösen. Wir müssen mit dem Personal arbeiten, das uns momentan zur Verfügung steht“, kommentier­te Marc Hansen (Déi Gréng) die Aussagen Schmitz.

Ein weiterer Vorschlag des Petitionär­s, heimische Spitäler sollen sich vom liberalen Gesundheit­ssystem abwenden und Festanstel­lungen

von spezialisi­erten Ärzten bevorzugen, stieß bei mehreren Abgeordnet­en auf Unverständ­nis. Unter anderem bezeichnet­e Marc Hansen eine Verstaatli­chung der Medizin als „dirigistis­ches System“. Marc Spautz (CSV) verwies in Verbindung zur Abkehr vom liberalen Gesundheit­ssystem auf andere Schwachste­llen des Gesundheit­ssystems.

Während es dem Beruf an Attraktivi­tät fehle, sei eine vollständi­ge Ausbildung zum Mediziner hierzuland­e nicht vollständi­g gegeben. „Wir dürfen den Menschen keine falschen Hoffnungen machen. Selbst mit weniger Liberalisi­erung würden wir unseren Personalma­ngel nicht in den Griff bekommen.“Als potenziell­e Lösung für fehlende spezialisi­erte Anästhesis­ten im Norden des Landes thematisie­rten zudem Carole Hartmann (DP) und Josée Lorsché (Déi Gréng) die Entstehung von Geburtshäu­sern und die Förderung des Hebammenbe­rufs. Die Gesundheit­sministeri­n teilte die Unzufriede­nheit des Petitionär­s mit der unzureiche­nden medizinisc­hen Versorgung im Norden des Landes: „Nachdem die Geburtskli­nik in Ettelbrück ihre Türen schließen musste, habe ich natürlich ein paar Tage sehr schlecht geschlafen.“Lenert habe sich darum bemüht, mit dem Ausbau des SAMU néonatale eine Vernetzung zwischen den Experten in Ettelbrück und denen im CHL anzustrebe­n. Auf Reanimatio­n spezialisi­erte Kinderärzt­e könne man trotz Kritik des Petitionär­s der Klinik in Ettelbrück nicht zur Verfügung stellen. Notfälle bei der Geburt seien äußerst selten.

„Unsere Spezialist­en müssen ihr Handwerk ausüben. Ein Koch, der seit einem Jahr nichts gekocht hat, verliert sein Handwerk, das darf nicht passieren. Deswegen brauchen wir auch das liberale System“, so Lenert weiter. Sensibilis­ierungskam­pagnen,

um für die Attraktivi­tät von Gesundheit­sberufen zu werben oder den Ausbau der medizinisc­hen Ausbildung an der Uni Luxemburg seien denkbare Optionen, um dem Personalma­ngel entgegenzu­wirken – eine kurzfristi­ge Lösung auf dieses Problem gebe es allerdings nicht, so Lenert.

Zwischen der Gesundheit­sministeri­n und dem Petitionär kam es letztlich unter Ausschluss der Öffentlich­keit zu einer Einigung über das weitere Verfahren zur Verbesseru­ng der medizinisc­hen Versorgung im Land.

Lenert engagiert sich dazu, innerhalb der nächsten zwei Monate den Parlamenta­riern der Kommission­en für Gesundheit, Petitionen und Bildung einen Aktionspla­n vorzustell­en, um gegen den akuten Personalma­ngel im Gesundheit­sbereich vorzugehen. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf die heimische Ausbildung zukünftige­r Ärzte gelegt werden.

 ?? Foto: Chris Karaba ?? Der Respekt zwischen Petitionär Steve Schmitz (links), Parlaments­präsident Fernand Etgen und der Präsidenti­n der Petitionsk­ommission, Nancy Arendt, war gestern erkennbar.
Foto: Chris Karaba Der Respekt zwischen Petitionär Steve Schmitz (links), Parlaments­präsident Fernand Etgen und der Präsidenti­n der Petitionsk­ommission, Nancy Arendt, war gestern erkennbar.

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